Neue didaktische Strategien.
Hier setzt die Arbeit des
Hochschuldidaktischen Zentrums der Universität Dortmund an -
einem der acht Partner des Forschungsverbunds. Seit September
2004 beschäftigt sich dort eine Gruppe von Wissenschaftlern mit
der Entwicklung von didaktischen Strategien, die den speziellen
Anforderungen des virtuellen Qualifizierungscoachs gerecht
werden. In den vergangenen Monaten haben die Mitarbeiter
vorhandene didaktische Modelle analysiert und Theorien des
Coachings, der Lernberatung und des selbstgesteuerten Lernens
durchleuchtet. "Uns war schnell klar, dass wir für ViCO die
Didaktik förmlich auf den Kopf stellen müssen", sagt Matthias
Heiner, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Expertenteam. "Denn
herkömmlicherweise ist die Wissenschaft des Lernens und des
Lehrens in der Hand der lehrenden Experten und für lehrende
Experten gestrickt. Bei ViCO wird dieser Ansatz nun umgedreht. Es
geht darum, eine Didaktik aus der Perspektive von Lernenden zu
entwickeln - ein Modell, das ihnen hilft, selbst zu erkennen, was
und wie sie lernen wollen. Zum anderen müssen wir die
Heterogenität zwischen zwei verschiedenen 'didaktischen
Sprechweisen' überwinden, der umgangssprachlich strukturierten
Selbstbeschreibung der Lernenden als Nachfragende und der
fachlich strukturierten Beschreibung von Lehr- und Lernangeboten
des Weiterbildungsmarktes."
Die Lernenden, so Heiner, wissen zwar, wo ihre
Schwachpunkte sind und können sie unter Umständen beschreiben,
aber wie sie diese beschreiben, bleibt ein Problem. Zum Beispiel
stellt ein Mitarbeiter fest, dass er nicht besonders gut mit
Kunden umgehen kann. Aus didaktischer Sicht ist nun zu fragen, wo
genau das Problem beim Umgang mit Kunden zu verorten ist? Ist es
ein Kommunikationsproblem oder eine Frage der sozialen
Kompetenzen? Ist das Problem eher auf sprachlicher Ebene
angesiedelt oder steht ein psychologischer Konflikt dahinter? Der
virtuelle Qualifizierungscoach soll die Lernenden in die Lage
versetzen, ihre individuelle Lernproblematik zunächst einmal
genau auszudifferenzieren und dann daraus ein persönliches
Qualifikationsprofil zu entwickeln - und zwar so, dass sie es mit
dem Angebot auf dem Weiterbildungsmarkt optimal matchen
können.
Individuelles Bedarfsprofil.
Diese Hilfe zur Selbsthilfe und zur
Selbstverantwortung ist der Grundgedanke des Coachings - nur,
dass bei ViCO der Coach keine Person ist, sondern ein
intelligentes mediales Interface, das die Funktion des Coachings
übernimmt. Wie kann man sich das konkret vorstellen? Björn
Fisseler, ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut,
gibt ein Beispiel: "Dem Mitarbeitenden, der Defizite beim
Kundenumgang hat, könnte ViCO etwa verschiedene Situationen im
Umgang mit Kunden präsentieren, anhand derer er erkennen kann, wo
genau seine Probleme liegen. Anschließend könnte er sich eine Art
'Qualifikationsportfolio' erstellen. Dieses individuelle
Bedarfsprofil ermöglicht eine hohe Trefferquote bei der Suche
nach geeigneten Bildungsangeboten."
Das Team der Uni Dortmund setzt sich derzeit intensiv mit
der Frage auseinander, welche Instrumente sinnvoll und nötig sind
und was solche Instrumente des virtuellen Coachings können
müssen. Im nächsten Schritt wird es darum gehen, gemeinsam mit
Softwaretechnologen zu erarbeiten, wie diese Tools gestaltet
werden können - und schließlich einen Prototyp zu programmieren.
Am Anfang des Projekts war man noch davon ausgegangen, dass
ein Ensemble sogenannter "lernender Agenten" dabei eine wichtige
Rolle spielen wird. Inzwischen treten andere Technologien in den
Vordergrund. "Wir setzen auf die Kommunikation über Lernen. Diese
Kommunikation steuert die Optimierung des Matchings von Nachfrage
und Angebot. Hierfür brauchen wir die passende intelligente
Unterstützung durch Technologie. Und wir wollen vor allem
Gestaltbarkeit und Transparenz für die Nutzenden und kein Tool,
das automatisch über Nutzende oder hinter ihrem Rücken
entscheidet", erklärt Matthias Heiner. Dies sei ja auch aus
didaktischer Perspektive das Neue: Ein didaktisches Modell zu
gestalten, das Lernen und Lehren für Lernende beschreibbar und -
über Informations- und Kommunikationsmedien vermittelt -
kommunizierbar macht.
Damit kann es den Anforderungen an Selbststeuerung,
Transparenz, Dynamik und Flexibilität gerecht werden, die
Mitarbeitende in virtuellen Netzwerken auszeichnen. Die
Wissenschaftler vom Hochschuldidaktischen Zentrum bauen somit die
Brücke in der Mitte des Forschungsprojekts, die die
vorausgegangene empirische Forschungsarbeit der Psychologen,
Pädagogen und Logistiker mit der künftigen Tätigkeit der
Softwarespezialisten verbindet.
Praktisch für Freiberufler.
Und wie sehen sie die Zukunft von ViCO? "Da können wir uns eine breite Palette von Anwendungsmöglichkeiten vorstellen - auch jenseits von virtuellen Unternehmen", sagt Björn Fisseler. "Weiterbildung wird immer seltener von oben verordnet. Vielmehr werden Menschen zunehmend in die Selbstverantwortung genommen, wenn es um ihre Qualifikation geht. Auf die Frage, was, wie und wo gelernt werden soll, gehen bei herkömmlichen didaktischen Konzepten die Lehrenden ein. Der virtuelle Qualifizierungscoach könnte hier den Lernenden helfen, selbständig Antworten zu finden." Und Matthias Heiner ergänzt: "Wir meinen, dass dieses Verfahren des Coachings auf Freelancer unterschiedlichster Professionen übertragbar ist. Auch für den Hochschulbereich dürfte ViCO interessant werden. Zum Beispiel, wenn es darum geht, das eigene Studium zu planen. Denn im Zuge der zunehmenden Internationalisierung und Modularisierung von Studiengängen brauchen Studierende künftig eine viel höhere Selbstkompetenz." ViCO könnte also auch für die eigene Fachdisziplin ein Gewinn sein und deren Aufgabe - die Verbesserung von Lehren und Lernen - zukunftsweisend voranbringen.
Helga Hochberger arbeitet als freie Redakteurin für changeX.
Weitere Informationen:
www.hdz.uni-dortmund.de
www.virtueller-coach.de
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