| Folge 17: Andreas Steinert über Corporate Social Responsibility. |
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Die gesellschaftliche Verantwortung eines Unternehmens ist zum entscheidenden Prüfstein für seine Reputation geworden. Kein Unternehmen kann es sich noch leisten, auf die Meinung der Stakeholder zu pfeifen. Keine Firma, die als ruchloser Arbeitgeber gilt, wird dauerhaft ihre Kunden halten können. Kein Konzern, der mit seinem Handeln die Umwelt schädigt, kommt ohne Umsatzeinbußen davon. Wo die Verbraucher hupend vor den Tankstellen stehen, statt zu den Zapfhähnen zu greifen, offenbart sich die Macht einer kritischen Öffentlichkeit.
Welche Rolle spielt ein Unternehmen in der Gesellschaft?
Ethisch verantwortliches Handeln
von Unternehmen ist zu einem Thema der breiten Öffentlichkeit
geworden. Das gilt nicht nur auf der Ebene medialer Spektakel vom
Mannesmann-Prozess bis zu Bilanzskandalen, sondern auch jenseits
der Schlagzeilen, im Unternehmensalltag. Längst wird auch
europaweit über Corporate Social Responsibility debattiert. Mitte
2001 hat die Europäische Kommission ein Grünbuch zur
gesellschaftlichen Verantwortung auf den Tisch gelegt. Seitdem
werden multinationale Unternehmen stärker mit der Frage
konfrontiert: Welche Rolle spielen wir in der Gesellschaft? Ob es
dabei um weltweite Sozialstandards, den Klimaschutz, Engagement
für Mitarbeiter oder um das gesellschaftliche Unternehmensumfeld
geht - stets wird das unternehmerische Verhalten daraufhin
geprüft, ob ein verantwortliches Management erkennbar ist, das
langfristig die Unternehmenszukunft sichert und vor
Reputationsrisiken schützt.
Viele Unternehmen haben inzwischen gelernt, dass sie
gesellschaftliche Verantwortung übernehmen müssen. Sie haben
gelernt, dass gerade bei strittigen Themen ein Dialog besser ist
als Konfrontation. Doch auch wenn sich Unternehmen mit CSR
beschäftigen, hakt es vielfach an der Umsetzung. Die Frage ist:
Wer trägt die Verantwortung für die Verantwortung? In den meisten
Firmen haben ganz unterschiedliche Abteilungen das Sagen. Die
Personal- oder die Umweltabteilung, die Öffentlichkeitsarbeit
oder die Geschäftsführung. In der Realität dominiert allzu oft
ein strukturloses Nebeneinander, das sich in teuren,
ineffizienten Kommunikationsprozessen widerspiegelt. Eine
zentrale Strategie mit einem abteilungsübergreifenden Gremium
gibt es nicht. Ein Beispiel: Zwei der größten deutschen
Unternehmen veröffentlichen sowohl einen Umweltbericht (mit
gesellschaftspolitischen Zusatzthemen) als auch einen CSR-Bericht
(mit umweltpolitischen Zusatzthemen). Für den einen ist die
Umweltabteilung zuständig, für den anderen die
Öffentlichkeitsarbeit.
An der Zielgruppe vorbeikommuniziert.
Zudem wissen die Unternehmen oft
nicht, worum es ihren Stakeholdern überhaupt geht. Sie
kommunizieren an der Zielgruppe vorbei. Deshalb hat Pleon Kohtes
Klewes bereits vor zwei Jahren untersucht, inwieweit Anspruch der
Stakeholder und Kommunikationsleistung der Unternehmen
zusammenpassen. Der "Global Stakeholder Report 2003" ist die
erste empirische Studie über Erwartungen an das
Non-financial-Reporting der Wirtschaft. In einer Online-Umfrage
unter 1.700 Teilnehmern in 88 Ländern wurde gefragt, was die
Zielgruppen - außer Produktinformationen und Wirtschaftsdaten -
von den Unternehmen wissen wollten. Überraschendes Ergebnis: Aus
einer Palette von 36 ökologischen, sozialen und ökonomischen
Themen wählten die Stakeholder weltweit die Beachtung der
Menschenrechte als mit Abstand wichtigstes Thema. Sind nun
Menschenrechte ein Thema in den Berichten der Unternehmen?
Selten. Stattdessen setzen die Firmen auf Corporate Citizenship,
gemeinnütziges Engagement, Sponsoring. Das aber interessiert laut
Studie die Stakeholder kaum. Sie wollen nicht wissen, wofür
Unternehmen ihr Geld ausgeben, sondern, womit sie es verdienen.
Die Unternehmen dagegen berichten lieber über Themen, bei denen
sie sich am sichersten fühlen. Verständlich, aber nutzlos.
Unternehmen wollen einen Leistungsbericht vorlegen, der eine
PR-Funktion hat. Stakeholdern geht es um Rechenschaft und
Transparenz.
Der Dialog zwischen Firmen und der kritischen
Teilöffentlichkeit scheitert also oft an zwei Punkten: erstens
einer ganz unterschiedlichen Sicht auf die Dinge, zweitens einer
mangelnden Bereitschaft, zuzuhören. Denn Kommunikation zwischen
Unternehmen und Stakeholdern funktioniert nicht als
Einbahnstraße. Wenn Unternehmen die Berichte nicht für sich
selbst produzieren wollen, müssen sie wissen, was ihre Leser
wollen, und auf deren Interessen eingehen. Was zählt, ist
zunächst die Außensicht auf das Unternehmen. Es geht nicht darum,
Corporate Governance gegen Stakeholder Governance auszutauschen.
Aber das Eingehen auf die Informationswünsche der Stakeholder ist
ein Gebot der Vernunft angesichts gesellschaftlicher Zweifel der
ethischen Integrität multinationaler Unternehmen. Es ist eine
Herausforderung für die Kommunikationsberatung der Zukunft, dafür
zu sorgen, dass die Vermittlung zwischen Zielgruppen und
Unternehmen funktioniert.
Verantwortung ernst nehmen.
Unternehmen, die ihre Verantwortung
gegenüber der Gesellschaft ernst nehmen, klopfen ihre Handlungen
und Entscheidungen immer darauf ab, ob sie mittel- und
langfristig gegenüber dem Unternehmen und gegenüber der
Gesellschaft verantwortbar sind. Damit erreichen sie zweierlei:
Manch streitbare Managemententscheidung wird revidiert werden;
das Unternehmen verschafft sich die Grundlage für eine
Unternehmenskommunikation, die auf dem Prinzip Verantwortung
beruht. Eine solche Verantwortung erfordert große
Kommunikationsbereitschaft und eine transparente Organisation.
Doch noch immer scheinen sich einige Unternehmen abzuschotten.
In der Studie "Geheime Mission? Deutsche Unternehmen im
Dialog mit kritischen Stakeholdern" hat Pleon Kohtes Klewes Ende
vergangenen Jahres die 150 größten deutschen Unternehmen befragt,
wie sie mit externen Kritikern kommunizieren. Zwar gehen demnach
fast vier von zehn Großunternehmen durchaus systematisch mit
kritischen Stimmen aus der Gesellschaft um. Was dabei
herauskommt, bleibt jedoch der Öffentlichkeit verborgen. Nur ein
Viertel der Unternehmen berichtet über die Ergebnisse eines
Dialogs in Form periodischer Nachhaltigkeitsberichte. Meist hat
ein Dialog dagegen interne Konsequenzen. Bei drei Vierteln mündet
ein Gesprächsprozess in gemeinsame Projekte mit
Nichtregierungsorganisationen. Die meisten Unternehmen suchen den
Dialog mit Kritikern, um das Risiko für einen Ansehensverlust zu
verringern. Viele Manager allerdings sind es nicht gewohnt, mit
Vertretern einer kritischen Zivilgesellschaft zu reden. Es fehlt
häufig an systematischer Kenntnis der Kritiker und ihrer Themen.
Auch hier hat der Dialog eine wichtige Funktion für eine
angemessene Wahrnehmung der Außenwelt.
Eine objektive gesellschaftliche Verantwortung gibt es nicht.
Wie kann effektive Corporate Social
Responsibility aussehen? Wie kann ein Unternehmen eine wirksame
Strategie entwickeln? Die Frage ist zunächst: Was heißt
gesellschaftliche Verantwortung eines Unternehmens überhaupt?
Beispiel Arbeitsplatzerhalt. Gewerkschaften sind wichtige
Stakeholder, die bestimmte Ziele verfolgen. Wenn sie sichere
Arbeitsplätze fordern, muss sich ein Unternehmen Gedanken darüber
machen, wie es den Rahmen für sichere Arbeitsplätze schaffen kann
und das öffentlich verständlich machen. Auch wenn es dafür
notwendig ist, Arbeitsplätze abzubauen oder einen Teil der
Produktion ins Ausland zu verlagern. Denn was hilft der schönste
Arbeitsplatz in Deutschland, wenn das Unternehmen im weltweiten
Wettbewerb schlecht dasteht? Ein Unternehmen muss diese
Entscheidungen nach außen kommunizieren und begründen.
Es gibt freilich keine objektive gesellschaftliche
Verantwortung. Die Erwartungen an die Verantwortung von
Unternehmen verändern sich. Deshalb muss ein Unternehmen als
Erstes intern Sensibilität dafür schaffen, wo Probleme liegen
könnten, wo die Unternehmen mit den Interessen einer
Teilöffentlichkeit kollidieren könnten. Danach gilt es, die
Risiken zu analysieren, um sich anschließend zu fragen: Was
können wir als Unternehmen eigentlich machen? Wer beispielsweise
viele Emissionen produziert, wird sich darum bemühen, diese zu
reduzieren - in Abwägung mit den berechtigten Interessen der
Aktionäre. Der nächste Schritt: Wie informiere ich die
Öffentlichkeit? Ist eine große Kampagne sinnvoll oder sollte das
Unternehmen bei einem hochkomplexen Thema besser 100 Menschen zu
einem Stakeholder-Dialog einladen? Unternehmen, die eine
effiziente CSR machen möchten, kommen um eine systematische,
zentrale Strategie nicht herum. Es gibt zwar viele
unterschiedliche Modelle, doch eines ist überall wichtig: Die
CSR-Beauftragten müssen Zugang zu allen Abteilungen haben. Sie
brauchen Rückendeckung durch die oberste Etage. Es sollte
selbstverständlicher Teil der Unternehmenskultur sein, dass sich
auch die Topleute mit dem Thema befassen.
Pleon Kohtes Klewes ist in den vergangenen Jahren zum
Experten für Corporate Social Responsibility geworden. Es
erstellt CSR-Berichte für Unternehmen, führt Stakeholder-Dialoge,
entwickelt gemeinsam mit den Unternehmen CSR-Projekte und
erstellt Studien, um die Bedeutung von CSR im Wechselspiel von
Unternehmen und Stakeholdern zu erforschen. Denn Social
Responsibility gehört zu einer der größten Herausforderungen in
der Kommunikationsberatung der Zukunft.
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Andreas Steinert ist geschäftsführender Partner von Pleon Kohtes Klewes in der Niederlassung Bonn. Pleon ist ein in Europa führendes PR-Beratungsunternehmen und eine Tochter von BBDO Europe.
Weitere Informationen:
www.pleon.com
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