Der Patient sind wir
Europäer beraten Europäer.
| Folge 15: Michael Patzer über neue Herausforderungen in der Kommunikation von Gesundheitsthemen. |
Von Michael Patzer
Pleon ist ein neues europäisches Beratungsunternehmen. Seine Vision ist ungewöhnlich: Die Intelligenz der einzelnen Länder und Regionen für eine gemeinsame Netzökonomie nutzen. Aus vielen mentalen und kulturellen Knoten soll ein gemeinsames, länderübergreifendes Netzwerk entstehen. Ohne Hierarchie und Dominanz von oben. Ein europäisches Unternehmen, das den sprichwörtlich ehrgeizigen Versuch unternimmt, ein Omelett zu backen, ohne Eier zu zerschlagen. In den nächsten Monaten begleiten wir diese einmalige Mission mit Reportagen und Essays. Aus einem Europa, in dem zusammenwächst, was zusammengehört.
Michael Patzer
Michael Patzer,
geschäftsführender Partner von
Pleon Healthcare in München.
"Der Gesundheitsmarkt entwickelt sich vom Anbieter- zum Nachfragemarkt. Der Patient wird markenorientierter, er weiß mehr und erwartet mehr. Die Ansprüche an Ärzte, Therapien und Medikamente steigen. Der zahlende Patient erwartet ein bedingungsloses Heilen."
So beschreiben Trendforscher in der jüngst erschienenen Studie Gesundheit 2034 (*) den Gesundheitsmarkt der Zukunft. Die Vorboten dieses dramatischen Paradigmenwechsels zeichnen sich heute schon ab. Längst ist der deutsche Gesundheitssektor zu einem milliardenschweren Wirtschaftszweig avanciert und für die Zukunft gilt er als der Wachstumsmarkt schlechthin. Dafür sprechen nicht nur die wachsende Leistungsfähigkeit von Medizin und Technik, sondern auch die Entwicklungen innerhalb unserer Gesellschaft. Wenn immer mehr Menschen immer älter werden, steigen auch die Gesundheitsbedürfnisse und das Gesundheitsbewusstsein. Schon heute geben viele Konsumenten lieber Geld für ihr psychisches und physisches Wohlbefinden aus, statt sich Waschmaschinen, Autos oder Computer zu kaufen. Aus dem stark reglementierten traditionellen Gesundheitssektor entwickelt sich ein moderner Wirtschaftsbereich, der zunehmend auch wie andere Märkte funktioniert.
Allerdings gibt es kaum ein Business, das so komplex ist wie dieser neue Gesundheitsmarkt. Nirgendwo sonst dürften die Zahl der Marktplayer höher und ihre Interessen und Bedürfnisse unterschiedlicher sein. Ärzte, Apotheker, Industrie, Kassen, Politik, Verbände, Organisationen, Selbsthilfegruppen, Patienten und Bürger - all diese Akteure spielen wichtige Rollen auf dem Gesundheitsmarkt und nicht selten geraten sie miteinander in Konflikt. Dazu kommt, dass das Schlüsselprodukt dieses Marktes, die Gesundheit, eine Bedeutung genießt, die keine andere Ware für sich beanspruchen kann. Gesundheit ist ein sehr fragiles Gut des Menschen. Von der Wiege bis zur Bahre wird jedermann mit Gesundheitsdienstleistungen und -produkten mehr oder weniger permanent konfrontiert.

Vom passiven Erdulder zum aktiven Entscheider.


Der Healthcare-Bereich - umfassend verstanden als (Vor-)Sorge für die Gesundheit - ist also nicht nur einer der wichtigsten Wachstumsmärkte, sondern auch ein äußerst komplexer, sensibler und elementarer Wirtschaftsbereich. Deshalb bedarf er, wie kaum ein anderer Markt, der exzellenten Information und Kommunikation. Im Zentrum steht dabei jener Akteur, der heute und erst recht in Zukunft zur bestimmenden Kraft des Gesundheitsmarkts wird: der Patient, Bürger oder Gesundheitskunde. Er ist der wichtigste Player dieses Marktes und spielt eine neue Rolle, auf die sich weite Bereiche des Gesundheitsmarkts erst noch einstellen müssen.
"Patient" heißt "der Erduldende" - dieses alte Menschenbild ist in vielen Köpfen immer noch tief verankert. Der Patient wird als unwissend, uninteressiert und unmündig wahrgenommen, als passiver Empfänger von medizinischen Leistungen. Ein solches Patientenbild verkennt den tiefgreifenden Wandel, der sich derzeit im Gesundheitsbereich vollzieht. Immer mehr Patienten verstehen sich als Handelnde statt als Behandelte. Diese kritischen, selbstbewussten und aktiven Gesundheitskunden haben hohe Erwartungen und Anforderungen an den Markt. Sie wollen mitreden, mitgestalten und mitentscheiden, wenn es um ihre Gesundheit geht. Der gesundheitshungrige Kunde verlangt hochwertige Informationen und intensive Kommunikation. Vor allem aber sucht er den aktiven Dialog mit den anderen Marktakteuren. Dieser veränderten Haltung gilt es Rechnung zu tragen - mit einer Neuorientierung der Kommunikation im Healthcare-Bereich unter dem Motto: "Die Patienten sind wir."

Den Wandel als Chance begreifen.


Wir befinden uns mitten in einem tiefgreifenden Änderungsprozess. Immer mehr Pharmafirmen kommunizieren direkt mit Patienten oder Selbsthilfegruppen. Immer öfter werben Krankenkassen aktiv um Mitglieder und jüngst haben sich Versicherungen und Patienten zu einem Interessenverbund zusammengeschlossen. Internetportale zu Gesundheitsthemen schießen wie Pilze aus dem Boden. Auch Ärzte und Apotheken wachsen zunehmend in ihre Rolle als Dialogpartner des Patienten hinein, indem sie etwa individuelle Gesundheitsdienstleistungen anbieten, die jenseits der Kassenleistungen liegen. Auch in der Politik finden die Belange der Gesundheitskunden verstärkt Gehör - im gemeinsamen Bundesausschuss haben neuerdings Patientenvertreter Mitspracherecht und im Bundesgesundheitsministerium gibt es sogar einen Patientenbeauftragten.
Aber gerade die "alten" Player tun sich oft noch schwer, diesen Wandel auch als Chance zu begreifen. Ein geradezu klassisches Beispiel ist das Fortbestehen des Verbots der Publikumswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel, das im Heilmittelwerbegesetz festgeschrieben ist. Dort wird das Schutzbedürfnis (leider) sehr einseitig zuungunsten des berechtigten Informationsinteresses des Patienten ausgelegt. Die Gründe für diese Beharrungstendenzen: Der Wandel erfordert neue Kommunikationskompetenzen und Rollenverständnisse der Beteiligten - teilweise ein mühsamer Lernprozess, der zudem einhergeht mit der notwendigen Akzeptanz neuer "Machtverhältnisse". Aber: Der Zug rollt und Healthcare entwickelt sich zu einem modernen Marktplatz, auf dem ein reger Austausch zwischen allen Marktteilnehmern stattfindet und die Beziehungen zum Kunden im Mittelpunkt stehen.
Übrigens auch ein Marktplatz, auf dem der Wettbewerb zwischen den einzelnen Akteuren spürbar zugenommen hat. Wer in Zukunft auf dem Gesundheitsmarkt erfolgreich sein will, wird sich klar profilieren und unterscheiden müssen. Besonders deutlich wird dies derzeit im Kliniksektor. Das neue Abrechnungssystem der Fallpauschalen erfordert drastisch reduzierte Verweilzeiten und eine Spezialisierung der Kliniken auf ihre Kernkompetenzen. Ein Paradigmenwechsel, der gleichzeitig hohe Anforderungen an interne und externe Kommunikation stellt.

Die neue "E-Formel" der Healthcare-Kommunikation.


Mehr Eigenverantwortung, Ehrlichkeit und Effizienz - diese Attribute beschreiben den notwendigen Kurswechsel in der Kommunikation, der die Aufbruchstimmung im Gesundheitssektor begleiten muss.
Die Patienten sind gefordert, sich umfassend über Kosten und Leistungen zu informieren, kritisch zu sein bei der Wahl ihrer Gesundheitsdienstleister und sich ausreichend Zeit für Marktvergleiche zu nehmen. Wer ein Auto kauft, nimmt auch nicht das erstbeste. Die Gesundheitskunden stehen außerdem vor der Aufgabe, Erklärungen und Transparenz einzufordern - sei es von den Ärzten, der Industrie oder den Kassen. Dies dürfte nicht einfach sein - aber auch nicht unmöglich. Schon heute sind zum Beispiel HIV-Patienten oft besser über neue Medikamente informiert als Ärzte. Eigenverantwortung ist zudem eine der wichtigsten Voraussetzungen für mehr Wettbewerb - und eine der entscheidenden Säulen für die zukünftige Sicherung der gesetzlichen (Grund-)Versorgung im Gesundheitsbereich.
Industrie, Kassen, Apotheker- und Ärzteschaft sind gefordert, bei Interessenkonflikten mit der Politik ehrlicher zu argumentieren und gegenüber den Kunden und Patienten mit offenen Karten zu spielen. Das bislang oft im stillen Kämmerchen ausgetragene Ringen um Preise, Verfahren oder Technologien sollte künftig stärker in der Öffentlichkeit stattfinden, und zwar unter aktiver Miteinbeziehung der Bürger - etwa in Form von öffentlichen Anhörungen oder Schlichtungsstellen. Mehr Ehrlichkeit - im Sinne von weniger Einseitigkeit - wird aber auch von der Politik erwartet. Ein Beispiel, das für (berechtigte) Empörung auf Seiten der Industrie gesorgt hat: die Besetzung der Führungsposition des neu gegründeten Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen mit einem allseits bekannten Pharmagegner. Diese Entscheidung sorgte von Anfang an für eine konfliktreiche Kommunikationsbasis.
Ebenso gehören Themen wie elektronische Patientenkarte oder Gentests zur Diagnostik in die öffentliche Diskussion und müssen laientauglich übersetzt werden. Aus Negativerfahrungen wie der Nichtkommunikation im Bereich Gentechnik sollte gelernt werden. Hier sind auch die Medien aufgefordert, solche Themen sachgerecht zu diskutieren, statt Emotionen zu schüren und das Publikum zu manipulieren. Für die mündigen, informierten und kritischen Kunden von morgen ist Ehrlichkeit eine zwingende Voraussetzung für Vertrauen - und ohne Vertrauen kommt man nicht ins Geschäft.
Bleibt schließlich noch die Effizienz. Immer noch entstehen viele Probleme durch zu viel Bürokratie, zu wenig Koordination und umständliche Informationswege. Effizientes Arbeiten erfordert direkte und offene Kommunikationskanäle zwischen allen Playern des Gesundheitsmarktes. Und es erfordert fundierte Kenntnis über den Erfolg und die Wirksamkeit von Gesundheitsprogrammen - etwa in Form von professioneller Planung und Evaluation von Kampagnen. Ein brandaktuelles Thema angesichts der bevorstehenden Einführung des Präventionsgesetzes, in dem sehr viel Geld zur möglichst effizienten Kommunikation bereitgestellt werden soll.

Unterstützung in komplexen Prozessen.


Es gibt noch viel zu tun auf dem Weg zum Gesundheitsmarkt von morgen. Und es bleibt nicht allzu viel Zeit, diese Aufgaben zu lösen. Denn der Wandel beschleunigt sich - auf technologischer, gesellschaftlicher und ökonomischer Ebene. Immer mehr Akteure, auch aus anderen Branchen, erobern den Marktplatz Gesundheit. Der Wettbewerb wird schärfer, der Kostendruck höher und die Ansprüche der mündigen und informierten Gesundheitskunden steigen. Gleichzeitig treten Gesundheitsfragen immer mehr in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Mit all diesen Entwicklungen steigt auch die Dringlichkeit, komplexe Kommunikationsaufgaben im Spannungsfeld zwischen Ökonomie, Politik und Öffentlichkeit zu meistern. Die Kommunikationsexperten von Pleon verfügen dafür über die notwendige Kompetenz und Erfahrung - nicht nur in der Patientenkommunikation, sondern auch in den Bereichen Evaluation, Change Management und Public Affairs.
Dabei steht der wichtigste Akteur des Gesundheitsmarkts - der Bürger, Kunde oder Patient - stets im Zentrum. Erfolgreiche Healthcare-Kommunikation geht über das klassische gesundheitspolitische Dreieck Pharmaindustrie - Ärzte - Krankenkassen hinaus und erweitert es durch Einbeziehung der Gesundheitskunden. Das europäische Expertennetzwerk von Pleon steht für diese neue Synthese des Denkens, die kommunikatives, unternehmerisches und politisches Denken integriert. Eine solche komplexe Perspektive ist die Voraussetzung für erfolgreiche Kommunikationsarbeit im facettenreichen und turbulenten Gesundheitsmarkt von morgen.

(*) Die Zukunftsstudie Gesundheit 2034 entstand im Auftrag von Ratiopharm und unter Mitwirkung von Pleon Healthcare und dem Trendbüro Hamburg.

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Michael Patzer ist geschäftsführender Partner von Pleon Healthcare in München. Pleon ist ein in Europa führendes PR-Beratungsunternehmen und eine Tochter von BBDO Europe.

Weitere Informationen:
www.pleon.com

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