| Folge 10 : Tim de Boer, Chef von Pleon Niederlande. |
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Etwas weiter stadtauswärts sind die typischen Kanäle Amsterdams nicht so malerisch wie in der Altstadt, sondern nüchtern und funktional, Wasserstraßen eben, die städtischen Highways der Schifffahrt. Hier, in einem Gebiet, in dem Wohnen und Arbeiten ineinander übergehen, sitzt die Niederlassung von Pleon in einem schlichten Bürogebäude mit marmorverkleideter Lobby. In der ersten Etage beginnt unübersehbar das Pleon-Reich: Der Empfang und die Wand dahinter leuchten in der Unternehmensfarbe, einem kräftigen Rot, das das riesige Logo gut zur Geltung bringt.
Und da Firmen nicht nur aus ihrem Logo, sondern vor allem aus Menschen bestehen, hängen an der Wand gegenüber Schwarz-Weiß-Porträtfotos aller Mitarbeiter. Als Tim de Boer, ein hochgewachsener Enddreißiger mit blonder Tolle und charmantem Lächeln, an ihnen vorbeigeht, kommt er sofort ins Erzählen. "Dieser Kollege hier ist in den Niederlanden als Popstar erfolgreich, aber er arbeitet trotzdem bei Pleon als Konzeptioner ... diese Frau ist gerade nicht da, sie ist mit dem dritten Kind in Babypause ... das hier ist Maurits, einer unserer besten PR-Leute ... und das hier ist Egbert-Jan van Bel, der Leiter unseres Marketingbereichs, er hat gerade den Marketing-Literatur-Preis 2004 für sein Buch gewonnen ..." Stolz deutet er nach nebenan. Dort, im kleinen Konferenzraum, wird besagter Kollege gerade von der Presse abgelichtet, samt Trophäe, einer eleganten Bronzestatuette.
Zusammenwachsen.
Das Team, das in den Niederlanden
arbeitet, ist schon seit Jahren eingespielt - die
Pleon-Niederlassung ist aus der Agentur Schoep & Van der
Toorn' Communication Consultants und Brodeur hervorgegangen -
Alex Schoep, einer der Gründer, ist heute CEO Europe von Pleon.
Die Verschmelzung war nicht ganz leicht, obwohl die rote Farbe im
früher grauen Empfangsbereich längst getrocknet ist. "Wir haben
viele Diskussionen geführt über die Fragen: Wer sind wir
eigentlich? Was ist unsere Passion?", berichtet Tim de Boer.
Herausgekommen sind eine klarere Struktur mit den drei
Schwerpunkten Corporate Communication, Marketing und Public
Affairs, das Gefühl, jetzt wieder besser "gefocused" zu sein ...
und nicht zuletzt der Wunsch, die anderen Pleon-Niederlassungen
und ihre Stärken besser kennen zu lernen. "Es ist eine große
Herausforderung, das alles zusammenzubringen, diese vielen
starken Einzelfirmen nach und nach zu einem Ganzen zu
verschmelzen", meint de Boer. "Alex sagt immer: 'Ja, wir sind
schon eine Firma!', und auf der Managementebene kennen wir uns
natürlich alle, aber so schnell geht das eigentliche
Zusammenwachsen nicht. Dafür brauchen wir schon noch einige
Monate - und das ist sehr schnell!"
Kein Problem ist es für ihn und sein Team, mit Kollegen in
vielen Ländern Europas zusammenzuarbeiten. International und
vielsprachig sind die kleinen Niederlande sowieso schon. "Pleon
ist eine wunderbare Gelegenheit für uns, Expertenwissen zu
teilen", ist de Boer überzeugt. "Es gibt in den Niederlanden eine
ganze Reihe von internationalen Firmen. Um sie zu beraten,
braucht man umfangreiche Kenntnisse. All diese Kompetenzen in
einem kleinen Land aufzubauen wäre viel zu teuer. Im Verbund mit
den anderen Pleon-Offices geht das."
Ein eingespieltes Team.
"Eingespielt" ist das Team in den
Niederlanden auch noch in einem anderen Sinn - statt einer
eigenen Fußballmannschaft oder Ähnlichem hat Pleon Amsterdam eine
Company-Band. Die Geschäftsführung ist gut darin vertreten: Alex
Schoep spielt den Bass, Tim de Boer Keyboard. "Ich finde es
erstaunlich, dass andere Firmen so was nicht haben - bei uns ist
es jedenfalls Ausdruck unserer Unternehmenskultur", meint Tim de
Boer fröhlich, als er seinen elektronischen Schlüssel an das
Codeschloss des Probenraums im Erdgeschoss hält. "Böse Zungen
behaupten sogar, dass man in der Band mitspielen muss, um bei uns
Karriere zu machen." Soll ein Mitarbeiter eingestellt werden,
checkt er schon im Vorstellungsgespräch ab, ob derjenige ein
Instrument spielen oder singen kann. Und zu seinem Entzücken
erwies sich einer der neuen Kollegen als erfahrener Drummer, den
konnte die Band gut gebrauchen.
Hinter der Tür kommt eine Bühne mit Schlagzeug, Verstärkern
und Instrumenten zum Vorschein, auf die so manche Profiband
neidisch wäre. Nur Tims Keyboard fehlt, das steht zurzeit daheim.
"Gestern habe ich mal wieder eine Stunde geübt - meine Kollegen
sind sehr professionell, da will ich natürlich mithalten können",
erklärt er. Gespielt wird von den "Verheyroosjes" (Heideröschen)
alles, worauf die Bandmitglieder Lust haben, oft Rock oder - was
de Boer bevorzugt - Jazz.
Work hard, play hard.
Wie in vielen Agenturen herrscht
auch bei Pleon Niederlande eine Work-hard-play-hard-Einstellung.
Wer hier arbeitet, der ist mit Energie und Spaß bei der Sache -
sonst könnte er die langen Arbeitszeiten kaum durchhalten. Tim de
Boer selbst nennt sich einen "Workaholic", seine beiden Töchter
sieht er praktisch nur an den Wochenenden. Die Kunden wissen den
Einsatz zu schätzen. Und sind gelegentlich sogar ein wenig
neidisch auf die gute Stimmung in der Pleon-Niederlassung: "Einer
meiner Kunden hat mal gesagt: 'Sie sind so eine sympathische
Firma. Können Sie ein Programm für uns entwickeln, damit wir auch
sympathisch werden?'", berichtet de Boer. "Ich habe gesagt: 'Ja,
können wir machen. Aber dann sollten wir erstens über Content
sprechen, also darüber, wie sich die Firma benimmt und
präsentiert, und zweitens über Integrität. Ohne diese beiden
Dinge können die Mitarbeiter nicht gut zusammenarbeiten und ohne
sie wird auch keine sympathische Firma aus Ihnen.' Jetzt arbeiten
wir an diesem Programm."
Viele der Kunden kommen aus IT, Telekommunikation, Finanzen
und Regierung. Das alles sind Bereiche, in denen sich Tim de Boer
blendend auskennt. Er hat Informatik studiert und konnte das
schon während seines Wehrdienstes gut gebrauchen - er durfte
seinen Dienst in der IT-Abteilung der NATO in Brüssel ableisten.
"Die Grundausbildung war sehr kurz, ich habe insgesamt nur etwa
fünf Kugeln abgefeuert, dann war's okay", erzählt er schmunzelnd.
"Dafür habe ich als Wehrpflichtiger manchmal 18 Stunden
gearbeitet, um in der IT-Abteilung den Datenaustausch aufzubauen.
Man kniet sich in etwas hinein und denkt: Das muss klappen, das
machen wir! Dann schaut man auf die Uhr und ist verblüfft, wie
lange man daran gearbeitet hat. Wenn man so etwas tüftelt,
vergisst man völlig die Zeit."
Doch Tim de Boer erwies sich schnell als
Führungspersönlichkeit, nicht als Tüftler. Er schaffte es ohne
Probleme, zwischen den Welten zu wechseln, und legte im
Management von Technologiefirmen und einer Bank eine steile
Karriere hin. Seine Interessen führten ihn schon bald in Richtung
Marketing; dieser Bereich ist heute noch sein Spezialgebiet.
"Dann habe ich langsam begriffen, dass man nur Marketing machen
kann, wenn man sich in Sales auskennt, also habe ich Erfahrungen
als Sales-Manager gesammelt", erklärt er. Schließlich nahm er die
Herausforderung an, den Bereich Marketing-Services bei Brodeur
Europa zu gründen und aufzubauen. Als schließlich einer seiner
Chefs in einem Meeting vorschlug, dass er in der neuen
europäischen Agentur Pleon Niederlande leiten könnte, sagte er
Ja.
"Bridal Suite" und "Shower Room".
Es ist später Nachmittag. Im
Großraumbüro auf der ersten Etage, in der die Mitarbeiter aus
Marketing, Kommunikation und Public Affairs sitzen, wird ruhig
und konzentriert gearbeitet. Hin und wieder geht jemand fast
lautlos durch den Raum, ein Telefon am Ohr. Im großen Aquarium in
der Wand zwischen Empfang und Büro schwimmen tropische Fische
gelassen um ihr künstliches Riff.
Fast die Hälfte der ersten Etage besteht aus informellen
Treffpunkten oder Besprechungsräumen. "Die braucht man in einem
so offenen Büro", erklärt de Boer. Im mittleren Besprechungsraum,
der wegen seiner mit Vorhängen dekorierten Glaswände "Bridal
Suite" oder "Shower Room" genannt wird, läuft gerade ein Workshop
zum Thema "Closing the Gap between Marketing and Sales". In der
Kaffeeecke, an Stehtischchen aus dicken Baumstämmen, brainstormen
zwei Kollegen aus dem Marketing. Vielleicht darüber, wie sie den
Anspruch von Pleon einlösen können: den Kunden zu einem Wachstum
zu verhelfen, das höher ist als das des Marktes.
Oben im sechsten Stock arbeiten die Grafiker und
Web-Spezialisten der Designabteilung an der Umsetzung der
Kampagnen, Dutzende von Billboards mit Entwürfen lehnen an der
Wand. Ein paar Tische weiter sitzt seit Anfang Dezember "Project
Aware", eine Freiwilligenorganisation, die sich gegen Gewalt in
Nepal und der Asien-Pazifik-Region einsetzt. Pleon stellt dem
Projekt Büroraum zur Verfügung, damit es eine professionelle
Organisation aufbauen kann.
Überall in den Pleon-Büros haben vergangene oder aktuelle
Kampagnen ihre Spuren hinterlassen. Im Eingangsbereich sind
Beispiele der Aktion "Was ist das Gegenteil von Gewalt?"
ausgestellt, die Pleon für eine karitative Organisation
entwickelt und in alle Schulen gebracht hat - im Nachbeben des
Van-Gogh-Mords wurde in den Niederlanden viel über die Aktion
berichtet. Im Gang des Band-Probenraums stehen schwarze Tonnen,
aus denen einst T-Shirts verkauft wurden. "Die Stadt Amsterdam
wollte sechs Millionen Euro investieren, um den berühmten
Vondelpark zu verbessern - das Herz der Stadt", erzählt de Boer.
"Aber sie brauchten noch eine Million. Also haben wir ein Projekt
aufgezogen, bei dem die Anwohner den Park adoptiert und Geld
dafür gesammelt haben. Das war ein finanziell sehr erfolgreiches
Projekt, und gleichzeitig hat es die Beziehung der Menschen zu
diesem Park gestärkt."
Trusted Advisers.
Auch Tim de Boer mag Amsterdam. In
einem Dorf in der Nähe ist er aufgewachsen. Aber er ist seltener
in der Niederlassung, als ihm lieb wäre. Mal leitet er einen
Workshop zum Thema "Consultative Selling" in der Schweiz, dann
fliegt er zu einem Kunden in Helsinki, für den Pleon gerade eine
neue Marketingstrategie entwickelt, und hat kurz darauf einen
Termin in Polen. Es ist eben doch unentbehrlich, persönlich vor
Ort zu sein, um ein Vertrauensverhältnis zu den Verantwortlichen
aufzubauen, ein "Trusted Adviser" zu werden.
Sehr gut klappte das bei dem international arbeitenden
Marketingmanager aus dem IT-Bereich, der bei Pleon anrief, als
Tim de Boer dort gerade seine Stelle angetreten hatte. Auch sein
Gesprächspartner war neu im Job und brauchte Rat. Nach einer
zweistündigen Beratung wollte er die neuen Impulse umsetzen - und
rief wieder an, weil die Implementierung nicht klappte. "Wir
haben ein Treffen in Brüssel organisiert, bei dem die Mitarbeiter
aus den verschiedenen Ländern über die Zukunft der Firma
diskutieren konnten", erinnert sich de Boer. "Erst waren die
Diskussionen sehr schwierig und langwierig. Aber als die
Mitarbeiter merkten, dass dieser Manager und ich bis zwei Uhr
nachts arbeiteten, um
ihre Zukunft zu sichern - kam doch noch ein Dialog
zustande, bei dem die Mitarbeiter sehr konstruktiv und positiv
darüber gesprochen haben, wie die Zukunft werden soll und welche
Rolle sie darin spielen wollen. Die Reorganisation klappte. Das
ist fünf Jahre her und dieser Manager ist noch immer Kunde von
uns. Und mittlerweile auch ein Freund." Erfolg misst sich eben
nicht nur in Heller und Pfennig.
English version: [ PDF... ]
Tim de Boer ist CEO von Pleon Niederlande.
Sylvia Englert ist Redakteurin bei changeX und Buchautorin.
Weitere Informationen:
www.pleon.com
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