| Folge 4: Mike Copland, ein Brite mit globalem Weitblick. |
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Der allgegenwärtige Tanz der Kulturen dient nicht nur der persönlichen Erbauung. Er inspiriert fürs Geschäft, er sensibilisiert für die Herausforderung an jeden Manager, sich sicher auf den unterschiedlichsten Märkten zu bewegen. "Jeder Gang durch die Straßen hier in Westminster macht anschaulich, dass wir in einer globalisierten, hoch vernetzten, kulturell vielfältigen Welt leben. Gute Berater vergessen das nie." Mike Copland liegt mehr in dem dick gepolsterten Sofa, als er sitzt. Ein hagerer, asketisch wirkender Mittfünfziger, der sich das jungenhaft Schlaksige bewahrt hat. Keine Krawatte, das fällt auf angesichts der strengen britischen Kleidervorschriften. In der Agentur haben sie den Zwang zu dunklen Anzügen und Kostümchen abgeschafft, seit die ersten Kunden in Jeans und Turnschuhen bei ihnen auftraten.
London - Eingang in den europäischen Markt.
Die derzeit 33 Mitarbeiter von
Pleon beraten sehr unterschiedliche Unternehmen, viele davon aus
den Bereichen Techologie und Telekommunikation. "London ist dafür
ein idealer Standort. US-Konzerne, die sich internationalisieren
wollen, kommen zuerst hierher, richten ihre Hauptverwaltung ein
und versuchen dann, den europäischen Markt zu erschließen. Und
dabei helfen wir ihnen." Mike Copland sieht dabei als eine der
Kompetenzen von Pleon, die komplizierte Technik, die dem Geschäft
seiner Kunden zugrunde liegt, in möglichst verständlicher Sprache
zu erklären. Es geht darum, in Kampagnen und Konferenzen, in
Broschüren und Rundbriefen anschaulich zu machen, wie die
stürmische Entwicklung von Telekommunikation und
Computertechnologie alles verändert. Die Gesellschaft. Die
Wirtschaft. Den Alltag der Menschen. Banal gesprochen, geht es
darum, zu verhindern, dass ihre Kunden ihre Pressemitteilungen in
technischem Jargon schreiben, der zwar wunderbar das Wissen der
Firma oder des Autors demonstriert, aber die Bedürfnisse des
Kunden außer Acht läßt.
Copland selbst ist alles andere als ein Techno-Tüftler
("einen Videorekorder programmieren - hoffnungslos!"). Diese
Distanz hilft ihm ungeheuer, sich immer wieder in die Rolle des
unbedarften Lesers hineinzuversetzen, der nicht beeindruckt,
sondern überzeugt werden möchte. Das bringt ihn darauf, warum
Unternehmen überhaupt externe Berater brauchen: "Weil
Kommunikation vermutlich das letzte Abenteuer auf dem Planeten
Erde ist. Schon von Mensch zu Mensch ist es nicht einfach, sich
gegenseitig immer richtig zu verstehen. Für Unternehmen ist es
noch erheblich schwieriger, weil die Pressesprecher oft mehr für
das interessiert, was sie selbst zu sagen haben, als für das, was
der Kunde verstehen soll. Ein großer Teil unserer Arbeit ist,
diese Kommunikationskluft zu überbrücken."
Sicher, Kommunikation ist eine hochkomplexe Angelegenheit.
Das weiß Mike Copland aus Erfahrungen, die er auf beiden Seiten
des Schreibtischs gewonnen hat: 13 Jahren in
Technologie-Unternehmen, 18 Jahre in Agenturen. Als Allheilmittel
für viele Kommunikationsprobleme empfiehlt er ein uraltes,
einfaches Hausmittel: Vertrauen. "Jeder Austausch sollte so
gestaltet sein, dass er dem Oberziel dient, Vertrauen zu erzeugen
und zu erhalten." Das gelte genauso für die Beziehung zwischen
Berater und Kunde. "Wir haben immer dann die größten Erfolge,
wenn wir es schaffen, ein langfristiges Vertrauensverhältnis zu
schaffen. Dazu gehört auch der Mut, offen zu sagen, wenn in einem
Unternehmen, das wir betreuen, etwas schief läuft. Dafür werden
wir schließlich bezahlt. Und wenn die Partner uns glauben, dass
uns nur wirklich konstruktive Kritik interessiert, dann hören sie
sich das auch an." Er räumt aber ein, dass starke
Persönlichkeiten, die an der Spitze der Entscheidungspyramide
stehen und sich eine Entourage kritischer Geister wünschen, immer
noch eher die Ausnahme als die Regel sind.
Vertrauen reduziert Komplexität.
Wer wie Mike Copland ein
enthusiastischer Netzwerker ist, weiß um die wohltuend
vereinfachende Wirkung dieses Elixiers. "Gerade den jungen Leuten
in der Agentur sage ich immer wieder: Verlasst euch nicht auf
E-Mails. Telefoniert. Redet miteinander. Sucht das direkte
Gespräch. Das verhindert manche Irritation." Wenn sie von ihm
lernen, wenn sie sich entwickeln, wenn sie die Agentur verlassen
(was Arbeitgeber ja nicht immer freut), wenn sie sofort neue,
gute Jobs bekommen: Dann ist Mike Copland mit sich und der Welt
zufrieden. Jedenfalls beflügelt ihn weniger die Aussicht auf
wachsenden Reichtum ("Geld ist wichtig, aber banal"), jeden Tag
gerne zur Arbeit zu gehen, sondern das menschliche Wachstum. Ist
ein Lehrer an ihm verloren gegangen? "Vielleicht, aber ein
grauenhafter", sagt er. Understatement verpflichtet.
In den vergangenen Jahren hat er seine Aufgabe darin
gesehen, immer weiter gespannte Netze zu spinnen. Die Agentur,
die vorher Brodeur und davor noch viermal anders hieß, hat sich
zunächst mit Partnern in Großbritannien, dann in Europa,
schließlich weltweit verbunden. Solche Zusammenschlüsse
funktionieren seiner Erfahrung nach immer dann, wenn sie "von
unten nach oben organisiert werden". Denn schließlich entfalten
die Berater ihr Können vor Ort, in regionalen Märkten, die von
eigener Kultur und Mentalität geprägt werden. "Erst wenn diese
Basis gelegt und gesund ist, kann man an überregionale
Kooperationen denken."
Weil das bei allen Pleon-Partnern der Fall ist, hält er
"die Zeit reif für ein europäisches Netzwerk mit einem
gemeinsamen Namen". Auch Manager lieben es einfach und bequem,
und so verlangen sie zunehmend nach einem Beratungsunternehmen,
das sie von der Themse bis an die Weichsel, vom Polarkreis bis
zum Bosporus betreuen kann. Doch das Versprechen, überall in
diesem wachsenden Europa die gleiche Qualität anbieten zu können,
ist ein ehrgeiziges, es erfüllt sich nicht von alleine.
"Intensiver Austausch zwischen allen Knoten", so lautet Coplands
Vision für Pleon, um gemeinsame Standards zu erreichen. So
sollten Mitarbeiter phasenweise zwischen Madrid, Berlin oder
Milano die Schreibtische wechseln, nicht nur auf der mittleren
Ebene, sondern auch innerhalb der Führungsmannschaft. So behalte
jeder "Knoten" seine Autonomie, aber durch das gegenseitige
Lernen entstehe jenes "Mehr", das ein gutes Netzwerk über die
Summe der einzelnen Teile hinaus erwirtschafte.
Mike Copland fühlt sich sichtlich wohl bei dem Gedanken, in
diesen Aufbruch nach Europa eingebunden zu sein. Er selbst
verkörpert Britishness und Weltbürgertum, lokale Verwurzelung und
globales Denken. Zu Public Relations kam der studierte Jurist,
weil ihm als jungem Mann die Vorstellung, in eine enge Kanzlei
eingesperrt zu sein und Akten zu wälzen, ein Graus war. Er liebt
das Schreiben, vergräbt sich in Literatur, liest die großen
europäischen Philosophen. Seit über 15 Jahren engagiert er sich
bei Amnesty International "und hat dabei die Welt auch von ihren
düsteren Seiten kennen gelernt". Mit Kunden aus Deutschland
schwätzt und aus Frankreich parliert er in deren Muttersprache.
Und gleichzeitig ist er ganz Brite und Insulaner. Wandert durch
Nordengland, begeistert sich für gezähmtes und ungezähmtes Grün,
baut seine Staffelei auf oder zückt alternativ das Fernglas zur
Vogelbeobachtung. So sehr er auch urbane Inspiration und speziell
London schätzt, "weil die Stadt vor jugendlicher Energie nur so
vibriert", so gerne zieht er sich mit seiner Familie aufs Land
zurück. "In der Stadt erlebe ich diese Dynamik der
technologischen Umwälzung, die mich immer wieder aufs Neue
fasziniert. Aber dann brauche ich auch die Stille und den
Rückzug, um das alles sacken zu lassen."
Die ganze Welt in einer Stadt.
Die Gegend um Westminster, in dem
sein Büro liegt, ist nicht der edelste in London. In den Straßen
um die Agentur herum sieht es aus, als habe man dem
Hausarchitekten von Woolworth freie Hand bei seinen
Beton-Exzessen gelassen. Der Weg führt vorbei an Reinigungen und
Pfandleihern, an Apotheken mit arabischen Schriftzeichen in Neon,
in denen Inder hinter dem Tresen stehen und chinesische
Heilkräuter verkaufen. Zum Mittagessen führt Copland nicht in
eines dieser geleckten Restaurants, in denen Londoner
Agenturleute gerne speisen, sondern in eine rustikale Kneipe,
deren Speisekarte ein schräger Ethnomix irgendwo zwischen Italien
und Thailand ist.
Der Europäer Copland ist davon überzeugt, dass dieser
Kontinent der Welt ein paar wertvolle Erkenntnisse anzubieten
hat. "Unsere 2.000-jährige Geschichte war doch nichts anderes als
das Ringen darum, sich irgendwie mit seinen Nachbarn zu einigen.
Das ging nicht ohne blutige Kriege ab, aber auch mit
Friedensschlüssen, mit Heiratspolitik, mit immer ausgeklügelteren
Verträgen. Schließlich haben wir es geschafft, Europa zu einer
Zone des Friedens zu machen. Wir arbeiten zusammen, und das ist
offenbar eine ziemlich attraktive Idee." Der Prozess der
Globalisierung basiert auf wirtschaftlichem und sozialem
Austausch, "und als Europäer wissen wir: Dabei braucht man
Freunde, Partner, Verbündete. Es geht nicht um
Eroberungsfeldzüge, sondern um Win-Win-Situationen." Die USA und
ihre Außenpolitik direkt anzusprechen, dazu ist Copland zu sehr
Diplomat. Aber er glaubt eher an den europäischen Impuls,
Vielfalt friedlich unter einem Dach zu vereinigen, als an den
American Way of Life, der auf hegemoniale Gleichmacherei setzt.
"Europa wird in Zukunft die Globalisierung weit stärker gestalten
als bisher."
Als er ins Büro zurückkehrt, zur nächsten Besprechung im
"Milano", baumelt der pakistanische Fensterputzer mittlerweile an
einer anderen Stelle der Fassade. Er schaut herab auf einen
Polizisten mit slawischen Gesichtszügen, der einem Kurierfahrer,
der mit Bart und Turban als Sikh zu erkennen ist, einen
Strafzettel ausstellt. Was der hinnimmt, ohne eine Miene zu
verziehen. "Die ganze Welt in einer Stadt", hatte Copland gesagt.
Man muss sich nicht immer lieben, aber man muss miteinander
auskommen. Das lehrt London.
English version (PDF) >>
Mike Copland ist Chairman von Pleon UK in London.
Michael Gleich ist freier Journalist für changeX.
© changeX Partnerforum [26.10.2004] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
changeX 26.10.2004. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Autor
Michael GleichMichael Gleich, Publizist, Stroryteller und Redner, hat 2011 "der kongress tanzt. Netzwerk für gute Veranstaltungen" initiiert. Es berät Veranstalter darin, Konferenzen und Foren als lebendige Lernorte zu gestalten.