|
So wie die anderen Führungskräfte hat auch Alex Schoep seinen Schreibtisch im Kantoor. Aber er sitzt nicht oft daran. Ein bis zwei Tage die Woche ist er in Deutschland, ein bis zwei Tage in England, und gewöhnlich schaut er auch noch in den Niederlassungen in Frankreich, Italien oder Spanien vorbei. Wenn jemand weiß, was ein europäischer Arbeitsalltag bedeutet, dann er. "Ich rede 50 Prozent meiner Zeit englisch, 30 Prozent deutsch, zehn niederländisch und zehn französisch", erzählt Schoep mit seinem weichen holländischen Akzent. "Das ist nicht anstrengend, aber wenn man müde oder mal nicht so fit ist, wird es schwieriger, weißt du."
Entspannt sitzt er im nüchtern-gepflegten Besprechungsraum der Düsseldorfer Pleon-Zentrale, nimmt einen Schluck von seinem Kaffee und lehnt sich auf den Tisch. Er spricht ruhig, mit sanfter Stimme, und ab und zu taucht ein kleines verschmitztes Lächeln in seinen Mundwinkeln auf. In seinem weiß-blau karierten Hemd könnte er genauso gut als Programmierer durchgehen.
Man merkt ihm nicht an, wie hektisch die letzten Monate waren. Seit Anfang Januar haben er und seine Kollegen an der Gründung der neuen Agentur gearbeitet - über das Branding diskutiert, Strukturen reorganisiert, Verhandlungen geführt, sich um tausend Dinge gekümmert. Die neuen Websites, das neue Logo, Namen, neue Positionen für Mitarbeiter. Jetzt, wenige Wochen nach dem offiziellen Start, kehrt nach und nach wieder Alltag ein. "Um ehrlich zu sein - es ist ein bisschen wie der Morgen nach dem Fest", meint Schoep. "Aber wenn man denkt, man kann dann erst mal ausruhen, hat man sich getäuscht. Es geht mit voller Kraft weiter. Wir sind schon wieder mit neuen Dingen beschäftigt und den Deadlines vom nächsten Jahr."
Journalist und Entrepreneur.
Konnte er sich früher vorstellen,
dass er einmal Karriere in der Kommunikationsbranche machen
würde? Alex Schoep muss lachen: "Nein, absolut nicht!" Als
Jugendlicher will er Geochemiker werden, Mineralien und
Erdölquellen erforschen. In seiner Freizeit engagiert er sich in
der Politik und schreibt Artikel für die Schülerzeitung, die er
zusammen mit Freunden gegründet hat. Ein paar Stunden, bevor er
das Bewerbungsformular für einen Studienplatz abschickt, überlegt
er es sich noch einmal und ändert sein Fach: Politik und
Sozialwissenschaften. "Ich dachte, dass ich Beamter werden
würde", erinnert er sich und fügt schlicht hinzu: "Aber ich kann
kein Beamter sein. Ich bin ein Entrepreneur."
Dass er ein Unternehmertyp ist, begreift er während seiner
Studienzeit. Immer mehr Menschen werden auf seine Artikel über
Wirtschaft und Soziales aufmerksam, die er als Student für ein
mageres Zeilenhonorar für niederländische Tageszeitungen
schreibt. Es kommen weitere Anfragen für Artikel, man bittet ihn,
Broschüren zu texten. Als der junge Alex dann bei der
Geburtstagsfeier eines Freundes Hans Van der Toorn trifft, der
gerade seinen Abschluss von der Kunsthochschule in der Tasche
hat, wird kurz darauf "Schoep & Van der Toorn Communication
Consultants" aus der Taufe gehoben.
Alex Schoep ist 23. Die Zeiten sind schlecht, die
Arbeitslosigkeit hoch, von seinen Kommilitonen hat kaum einer
eine feste Stelle gefunden. Doch mit Engagement und Glück führen
Schoep und sein Kompagnon ihr Unternehmen an die Spitze der
Branche, 80 Angestellte haben sie inzwischen. Ihr guter Ruf
spricht sich herum, schließlich gewinnt die amerikanische Agentur
Brodeur, die sich auf IT spezialisiert hat, die Niederländer für
ihr europäisches Netzwerk. Bis, ja bis "Schoep & Van der
Toorn/Brodeur Amsterdam" zu einem Teil von Pleon wird.
Locker und intuitiv.
Alex Schoep nimmt einen weiteren
Schluck Kaffee. Sein Handy klingelt. Ein Kollege aus den USA -
wohl einer, der weiß, dass Alex E-Mails hasst und sich am
liebsten per Telefon oder face-to-face austauscht. Schoep
verspricht, ihn nach dem Interview zurückzurufen und erklärt dann
nachdenklich, dass es zwei Dinge sind, die ihm an seiner Arbeit
besonders Spaß machen: "Wenn man eine Agentur hat, muss man die
Entwicklungen des Marktes vorhersagen und sich immer wieder neu
aufstellen, immer neue Produkte, Dienstleistungen entwickeln. Das
gefällt mir, darauf habe ich Lust", meint er. "Mit Pleon wieder
einen neuen Schritt machen zu können, etwas, was es in Europa
noch nicht gibt. Das macht sehr viel Spaß." Wichtig ist ihm auch,
mit den besten Leuten in dem Bereich zu arbeiten. "Ich suche
immer Leute, die in etwas besser sind als ich oder Erfahrungen
haben, die ich noch nicht habe - von denen kann ich lernen."
Wieder dieses ansteckende, leicht scheue Lächeln. "Das
Schöne ist, beide Dinge kann man machen, bis man 80 ist. Wenn es
nicht mehr mit Pleon geht, machen wir das irgendwo anders. Aber
für die nächsten Jahre denke ich, dass Pleon ein Superplatz ist
für beides."
Aber Alex Schoep lernt nicht nur von anderen, er hat im
Austausch selbst auch genug zu bieten. Bei seinen Kollegen ist er
bekannt dafür, sehr schnell die Essenz einer Situation zu
begreifen und Möglichkeiten zu sehen, auf die andere nicht so
bald gekommen wären. Wer sich vergeblich den Kopf nach einer
Lösung für das Problem eines Kunden oder der Agentur zergrübelt,
geht zu Alex. Das kostet wenig Überwindung. Sein Führungsstil ist
so unprätentiös wie er selbst, mit Hierarchie und Macht kann er
nichts anfangen.
In den Unternehmen, die er berät, geht es oft anders zu -
speziell in Deutschland. Ihm fällt immer wieder auf, wie
strukturiert in Deutschland alles ist, wie viel analysiert wird
und wie wenig intuitiv geschieht. "Die Analyse ist hier viel
besser, aber die Lösungen sind immer ein bisschen weniger
kreativ", findet Alex Schoep. "Es ist ein Riesenunterschied
zwischen deutschen und angelsächsischen oder holländischen
Multinationals. In Deutschland läuft es meist formeller,
langsamer. Das muss nicht schlechter sein, es ist eben anders."
Er, der den lockeren Umgangston in den Niederlanden und in
den angelsächsischen Ländern gewohnt ist, amüsiert sich darüber,
dass manche Leute in Deutschland schon jahrelang zusammenarbeiten
und sich immer noch siezen. Mit so etwas fängt Alex Schoep gar
nicht erst an - obwohl er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern
inzwischen ein Haus in Deutschland hat. Erst will er nicht
verraten, wo es liegt. Nicht, weil schon Paparazzi Jagd auf ihn
machen, sondern weil er es gewohnt ist, dass seine
Agenturkollegen aus Köln und Düsseldorf erst einmal lachen, wenn
sie von seinem abgelegenen Domizil hören. Eifel? Das ist uncool!
Aber wenigstens ist er dort per Handy erreichbar. Alex stellt
sein Handy nur ab, wo sowieso ein Funkloch ist. Bei seinem Haus
ist keines - auf dem Berg nebenan steht ein Mobilfunkmast.
Kommunizieren - aber richtig.
Aus seinem politischen Engagement
(für die Christdemokraten der Niederlande, die etwa der CDU
entsprechen, aber etwas mehr nach links tendieren) kennt er
Minister und Staatssekretäre. "Aber Lobbyismus liegt mir nicht,
das mache ich nur zur Not", meint er. "Für mich ist mein
politisches Engagement Privatsache." Sein Spezialgebiet ist,
Unternehmen und Organisationen zu beraten, die ein Problem mit
der Bevölkerung haben oder mit einem bestimmten Thema ("Issue" im
Branchenjargon), das gemanagt werden muss. Zwei oder drei große
Kunden betreut er neben seinen Aufgaben als Pleon President
Europe noch selbst.
Zum Beispiel die Stadt Amsterdam. Sie baut zurzeit eine
neue Metro-Linie - direkt unter der Altstadt hindurch, unter all
den Grachten und Kanälen. Es ist ein schwieriges Projekt, das 1,8
Milliarden Euro verschlingt und für all die Menschen, die in der
Altstadt wohnen und arbeiten, erst einmal ausgesprochen lästig
ist. Schon jetzt ist das Budget überschritten, obwohl die erste
U-Bahn der neuen Linie frühestens 2012 fahren wird. Ärger war
vorprogrammiert und stellte sich prompt ein. Also fragte die
Stadt Alex Schoep, ob er und seine Agentur helfen können, die
ganze Sache kommunikativ wieder auf die Beine zu bringen.
Sie können. Aber nicht mit den üblichen Mitteln. "Junge
Leute, die im Kommunikationsbereich arbeiten, denken meistens,
sie müssten viel kommunizieren, ein positives Image erzeugen und
so weiter", meint Schoep. "Aber ich stelle fest, dass ich meinem
Auftraggeber oft sagen muss: Warte mal, was passiert hier
eigentlich, worauf kommt es wirklich an? Für so ein Projekt die
Bevölkerung zu gewinnen ist nicht möglich. Die nächsten acht
Jahre lang werden im Zentrum von Amsterdam Lärm und Baustellen
sein. Es bringt wenig, auf die Vorteile zu verweisen, welche die
Metro einmal bringen wird - die meisten Leute denken nicht so
langfristig. In so einem Fall ist es meine Aufgabe, zu sagen:
Stopp, keine Imagekampagnen, denn das funktioniert nicht! Probier
erst mal, die externen Kommunikationskanäle zu öffnen."
Das Problem ist seiner Erfahrung nach meist, dass sich
Organisationen, die schon viel Kritik einstecken mussten, in sich
selber zurückziehen und die Mitarbeiter in Bahnen wie "wir gegen
die böse Außenwelt" zu denken beginnen. Seine erste Aufgabe sieht
Alex Schoep deshalb darin, die ganze Organisation zu
"entkrampfen". Dazu gehört auch, herauszufinden, was die
wichtigsten Zielsetzungen sind. "Bei der Stadt Amsterdam bestand
die eigentliche Aufgabe darin, alle Hindernisse, die den Bau
dieser Metro-Linie blockieren könnten, aus dem Weg zu räumen und
dafür zu sorgen, dass die Arbeit so reibungslos und günstig
abläuft wie möglich." Häufig kommt es vor, dass sich Anwohner in
einer bestimmten Straße gegen die Bauarbeiten wehren. "Wenn man
mit diesen Leuten eine gute Kommunikation aufbaut und das Problem
löst, dann hat man eins weniger und riskiert nicht mehr, dass
diese Leute vor Gericht gehen und den Bau aufhalten", sagt Alex
Schoep.
Solche Riesenprojekte kosten viel Kraft, und es fällt
allen, die daran beteiligt sind, schwer, auch mal abzuschalten.
Aber an sieben, acht Wochenenden im Jahr lässt Alex die Welt der
PR-Beratung hinter sich. Dann fährt er im Team mit seinem Bruder
Max im BMW 323 ti Compact Langstreckenrennen - auf dem
Nürburgring, in Hockenheim, bei der Dutch Supercar Challenge. An
diesen Tagen hat er keine Zeit, um an etwas anderes zu denken als
an das Rennen, das Auto, die Technik. "Es ist eine ganz andere
Welt, und das ist schön", sagt er. "Viel von dem, was ich
beruflich mache, hat keinen richtigen Anfang und kein richtiges
Ende, weißt du. Es geht immer weiter, und die Probleme sind nicht
ganz einfach zu lösen. Ein Rennen hat einen Anfang und ein Ende.
Es ist sehr viel Stress, aber es ist sozusagen positiver Stress."
In der halben Stunde, bevor das Rennen anfängt, während die
Fahrer mit Puls 150 in ihren Autos am Start warten und es dauert
und dauert und dauert, bis es endlich losgeht, denkt er manchmal:
"O Gott, das ist schrecklich, das mache ich nie mehr." Aber dann
wird das Startsignal gegeben, und alle Zweifel sind weg. Meist
ist es im Auto zwischen 50 und 60 Grad heiß, unter der Kombi ist
er anschließend nass geschwitzt und die Ohren tun ihm weh vom
Lärm des Motors. Aber glücklich ist er nach dem Rennen
trotzdem.
Gewinnen - im Team.
Auf die Frage, ob er sich als ehrgeizig bezeichnen würde, lacht Alex Schoep. "Ich will gerne gewinnen, ja. Sonst würde ich keine Rennen fahren. Aber das ist etwas anderes als ehrgeizig. Am liebsten gewinne ich im Team - ich will, dass auch das Team gewinnt. Und dass Pleon gewinnt."
English version (PDF) >>
Alex Schoep ist President Europe von Pleon.
Sylvia Englert ist Redakteurin bei changeX und Buchautorin.
© changeX Partnerforum [19.10.2004] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
changeX 19.10.2004. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
Artikeltags
Pleon
Weitere Artikel dieses Partners
Europäer beraten Europäer. | Folge 26 und Ende: Adrienne Terdik von Pleon Budapest. | zum Report
Europäer beraten Europäer. | Folge 25: Pietro Barrile von Pleon Rom. | zum Report
Europäer beraten Europäer. | Folge 24: Jörg Hackeschmidt von Pleon Berlin. | zum Report