Gewinnen - aber im Team!
Europäer beraten Europäer. | Folge 3: Alex Schoep, ein Niederländer an der Spitze. |
Von Sylvia Englert
Pleon ist ein neues europäisches Beratungsunternehmen. Seine Vision ist ungewöhnlich: Die Intelligenz der einzelnen Länder und Regionen für eine gemeinsame Netzökonomie nutzen. In den nächsten Monaten begleiten wir diese einmalige Mission mit Reportagen und Essays. Aus einem Europa, in dem zusammenwächst, was zusammengehört. Heute: Alex Schoep ist der President Europe von Pleon. Ein Mann der leisen Töne, der seinen Kunden - wie der Stadt Amsterdam - schon mal von teuren Imagekampagnen abrät.
Alex Schoep, President Europe von Pleon.
Alex Schoep,
President Europe von Pleon.
Zwischen der malerischen Altstadt und dem Flughafen Schiphol, von beidem nur 15 Minuten entfernt, sitzt Pleon Amsterdam in der ruhigen Overschiestraat. Besucher staunen erst einmal: Hinter dem Empfang erstreckt sich eine knallrote Wand, darauf ein riesiges weißes Pleon-Logo. Dahinter gibt es keine Innenwände mehr. Auch keine Einzelbüros. Alle 70 Mitarbeiter sitzen in einem großen offenen Raum, "Geschäftsgarten" oder "Kantoor" genannt. Man sieht sofort, wer gerade da ist, kann Fragen schnell klären.
So wie die anderen Führungskräfte hat auch Alex Schoep seinen Schreibtisch im Kantoor. Aber er sitzt nicht oft daran. Ein bis zwei Tage die Woche ist er in Deutschland, ein bis zwei Tage in England, und gewöhnlich schaut er auch noch in den Niederlassungen in Frankreich, Italien oder Spanien vorbei. Wenn jemand weiß, was ein europäischer Arbeitsalltag bedeutet, dann er. "Ich rede 50 Prozent meiner Zeit englisch, 30 Prozent deutsch, zehn niederländisch und zehn französisch", erzählt Schoep mit seinem weichen holländischen Akzent. "Das ist nicht anstrengend, aber wenn man müde oder mal nicht so fit ist, wird es schwieriger, weißt du."
Entspannt sitzt er im nüchtern-gepflegten Besprechungsraum der Düsseldorfer Pleon-Zentrale, nimmt einen Schluck von seinem Kaffee und lehnt sich auf den Tisch. Er spricht ruhig, mit sanfter Stimme, und ab und zu taucht ein kleines verschmitztes Lächeln in seinen Mundwinkeln auf. In seinem weiß-blau karierten Hemd könnte er genauso gut als Programmierer durchgehen.
Man merkt ihm nicht an, wie hektisch die letzten Monate waren. Seit Anfang Januar haben er und seine Kollegen an der Gründung der neuen Agentur gearbeitet - über das Branding diskutiert, Strukturen reorganisiert, Verhandlungen geführt, sich um tausend Dinge gekümmert. Die neuen Websites, das neue Logo, Namen, neue Positionen für Mitarbeiter. Jetzt, wenige Wochen nach dem offiziellen Start, kehrt nach und nach wieder Alltag ein. "Um ehrlich zu sein - es ist ein bisschen wie der Morgen nach dem Fest", meint Schoep. "Aber wenn man denkt, man kann dann erst mal ausruhen, hat man sich getäuscht. Es geht mit voller Kraft weiter. Wir sind schon wieder mit neuen Dingen beschäftigt und den Deadlines vom nächsten Jahr."

Journalist und Entrepreneur.


Konnte er sich früher vorstellen, dass er einmal Karriere in der Kommunikationsbranche machen würde? Alex Schoep muss lachen: "Nein, absolut nicht!" Als Jugendlicher will er Geochemiker werden, Mineralien und Erdölquellen erforschen. In seiner Freizeit engagiert er sich in der Politik und schreibt Artikel für die Schülerzeitung, die er zusammen mit Freunden gegründet hat. Ein paar Stunden, bevor er das Bewerbungsformular für einen Studienplatz abschickt, überlegt er es sich noch einmal und ändert sein Fach: Politik und Sozialwissenschaften. "Ich dachte, dass ich Beamter werden würde", erinnert er sich und fügt schlicht hinzu: "Aber ich kann kein Beamter sein. Ich bin ein Entrepreneur."
Dass er ein Unternehmertyp ist, begreift er während seiner Studienzeit. Immer mehr Menschen werden auf seine Artikel über Wirtschaft und Soziales aufmerksam, die er als Student für ein mageres Zeilenhonorar für niederländische Tageszeitungen schreibt. Es kommen weitere Anfragen für Artikel, man bittet ihn, Broschüren zu texten. Als der junge Alex dann bei der Geburtstagsfeier eines Freundes Hans Van der Toorn trifft, der gerade seinen Abschluss von der Kunsthochschule in der Tasche hat, wird kurz darauf "Schoep & Van der Toorn Communication Consultants" aus der Taufe gehoben.
Alex Schoep ist 23. Die Zeiten sind schlecht, die Arbeitslosigkeit hoch, von seinen Kommilitonen hat kaum einer eine feste Stelle gefunden. Doch mit Engagement und Glück führen Schoep und sein Kompagnon ihr Unternehmen an die Spitze der Branche, 80 Angestellte haben sie inzwischen. Ihr guter Ruf spricht sich herum, schließlich gewinnt die amerikanische Agentur Brodeur, die sich auf IT spezialisiert hat, die Niederländer für ihr europäisches Netzwerk. Bis, ja bis "Schoep & Van der Toorn/Brodeur Amsterdam" zu einem Teil von Pleon wird.

Locker und intuitiv.


Alex Schoep nimmt einen weiteren Schluck Kaffee. Sein Handy klingelt. Ein Kollege aus den USA - wohl einer, der weiß, dass Alex E-Mails hasst und sich am liebsten per Telefon oder face-to-face austauscht. Schoep verspricht, ihn nach dem Interview zurückzurufen und erklärt dann nachdenklich, dass es zwei Dinge sind, die ihm an seiner Arbeit besonders Spaß machen: "Wenn man eine Agentur hat, muss man die Entwicklungen des Marktes vorhersagen und sich immer wieder neu aufstellen, immer neue Produkte, Dienstleistungen entwickeln. Das gefällt mir, darauf habe ich Lust", meint er. "Mit Pleon wieder einen neuen Schritt machen zu können, etwas, was es in Europa noch nicht gibt. Das macht sehr viel Spaß." Wichtig ist ihm auch, mit den besten Leuten in dem Bereich zu arbeiten. "Ich suche immer Leute, die in etwas besser sind als ich oder Erfahrungen haben, die ich noch nicht habe - von denen kann ich lernen."
Wieder dieses ansteckende, leicht scheue Lächeln. "Das Schöne ist, beide Dinge kann man machen, bis man 80 ist. Wenn es nicht mehr mit Pleon geht, machen wir das irgendwo anders. Aber für die nächsten Jahre denke ich, dass Pleon ein Superplatz ist für beides."
Aber Alex Schoep lernt nicht nur von anderen, er hat im Austausch selbst auch genug zu bieten. Bei seinen Kollegen ist er bekannt dafür, sehr schnell die Essenz einer Situation zu begreifen und Möglichkeiten zu sehen, auf die andere nicht so bald gekommen wären. Wer sich vergeblich den Kopf nach einer Lösung für das Problem eines Kunden oder der Agentur zergrübelt, geht zu Alex. Das kostet wenig Überwindung. Sein Führungsstil ist so unprätentiös wie er selbst, mit Hierarchie und Macht kann er nichts anfangen.
In den Unternehmen, die er berät, geht es oft anders zu - speziell in Deutschland. Ihm fällt immer wieder auf, wie strukturiert in Deutschland alles ist, wie viel analysiert wird und wie wenig intuitiv geschieht. "Die Analyse ist hier viel besser, aber die Lösungen sind immer ein bisschen weniger kreativ", findet Alex Schoep. "Es ist ein Riesenunterschied zwischen deutschen und angelsächsischen oder holländischen Multinationals. In Deutschland läuft es meist formeller, langsamer. Das muss nicht schlechter sein, es ist eben anders."
Er, der den lockeren Umgangston in den Niederlanden und in den angelsächsischen Ländern gewohnt ist, amüsiert sich darüber, dass manche Leute in Deutschland schon jahrelang zusammenarbeiten und sich immer noch siezen. Mit so etwas fängt Alex Schoep gar nicht erst an - obwohl er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern inzwischen ein Haus in Deutschland hat. Erst will er nicht verraten, wo es liegt. Nicht, weil schon Paparazzi Jagd auf ihn machen, sondern weil er es gewohnt ist, dass seine Agenturkollegen aus Köln und Düsseldorf erst einmal lachen, wenn sie von seinem abgelegenen Domizil hören. Eifel? Das ist uncool! Aber wenigstens ist er dort per Handy erreichbar. Alex stellt sein Handy nur ab, wo sowieso ein Funkloch ist. Bei seinem Haus ist keines - auf dem Berg nebenan steht ein Mobilfunkmast.

Kommunizieren - aber richtig.


Aus seinem politischen Engagement (für die Christdemokraten der Niederlande, die etwa der CDU entsprechen, aber etwas mehr nach links tendieren) kennt er Minister und Staatssekretäre. "Aber Lobbyismus liegt mir nicht, das mache ich nur zur Not", meint er. "Für mich ist mein politisches Engagement Privatsache." Sein Spezialgebiet ist, Unternehmen und Organisationen zu beraten, die ein Problem mit der Bevölkerung haben oder mit einem bestimmten Thema ("Issue" im Branchenjargon), das gemanagt werden muss. Zwei oder drei große Kunden betreut er neben seinen Aufgaben als Pleon President Europe noch selbst.
Zum Beispiel die Stadt Amsterdam. Sie baut zurzeit eine neue Metro-Linie - direkt unter der Altstadt hindurch, unter all den Grachten und Kanälen. Es ist ein schwieriges Projekt, das 1,8 Milliarden Euro verschlingt und für all die Menschen, die in der Altstadt wohnen und arbeiten, erst einmal ausgesprochen lästig ist. Schon jetzt ist das Budget überschritten, obwohl die erste U-Bahn der neuen Linie frühestens 2012 fahren wird. Ärger war vorprogrammiert und stellte sich prompt ein. Also fragte die Stadt Alex Schoep, ob er und seine Agentur helfen können, die ganze Sache kommunikativ wieder auf die Beine zu bringen.
Sie können. Aber nicht mit den üblichen Mitteln. "Junge Leute, die im Kommunikationsbereich arbeiten, denken meistens, sie müssten viel kommunizieren, ein positives Image erzeugen und so weiter", meint Schoep. "Aber ich stelle fest, dass ich meinem Auftraggeber oft sagen muss: Warte mal, was passiert hier eigentlich, worauf kommt es wirklich an? Für so ein Projekt die Bevölkerung zu gewinnen ist nicht möglich. Die nächsten acht Jahre lang werden im Zentrum von Amsterdam Lärm und Baustellen sein. Es bringt wenig, auf die Vorteile zu verweisen, welche die Metro einmal bringen wird - die meisten Leute denken nicht so langfristig. In so einem Fall ist es meine Aufgabe, zu sagen: Stopp, keine Imagekampagnen, denn das funktioniert nicht! Probier erst mal, die externen Kommunikationskanäle zu öffnen."
Das Problem ist seiner Erfahrung nach meist, dass sich Organisationen, die schon viel Kritik einstecken mussten, in sich selber zurückziehen und die Mitarbeiter in Bahnen wie "wir gegen die böse Außenwelt" zu denken beginnen. Seine erste Aufgabe sieht Alex Schoep deshalb darin, die ganze Organisation zu "entkrampfen". Dazu gehört auch, herauszufinden, was die wichtigsten Zielsetzungen sind. "Bei der Stadt Amsterdam bestand die eigentliche Aufgabe darin, alle Hindernisse, die den Bau dieser Metro-Linie blockieren könnten, aus dem Weg zu räumen und dafür zu sorgen, dass die Arbeit so reibungslos und günstig abläuft wie möglich." Häufig kommt es vor, dass sich Anwohner in einer bestimmten Straße gegen die Bauarbeiten wehren. "Wenn man mit diesen Leuten eine gute Kommunikation aufbaut und das Problem löst, dann hat man eins weniger und riskiert nicht mehr, dass diese Leute vor Gericht gehen und den Bau aufhalten", sagt Alex Schoep.
Solche Riesenprojekte kosten viel Kraft, und es fällt allen, die daran beteiligt sind, schwer, auch mal abzuschalten. Aber an sieben, acht Wochenenden im Jahr lässt Alex die Welt der PR-Beratung hinter sich. Dann fährt er im Team mit seinem Bruder Max im BMW 323 ti Compact Langstreckenrennen - auf dem Nürburgring, in Hockenheim, bei der Dutch Supercar Challenge. An diesen Tagen hat er keine Zeit, um an etwas anderes zu denken als an das Rennen, das Auto, die Technik. "Es ist eine ganz andere Welt, und das ist schön", sagt er. "Viel von dem, was ich beruflich mache, hat keinen richtigen Anfang und kein richtiges Ende, weißt du. Es geht immer weiter, und die Probleme sind nicht ganz einfach zu lösen. Ein Rennen hat einen Anfang und ein Ende. Es ist sehr viel Stress, aber es ist sozusagen positiver Stress."
In der halben Stunde, bevor das Rennen anfängt, während die Fahrer mit Puls 150 in ihren Autos am Start warten und es dauert und dauert und dauert, bis es endlich losgeht, denkt er manchmal: "O Gott, das ist schrecklich, das mache ich nie mehr." Aber dann wird das Startsignal gegeben, und alle Zweifel sind weg. Meist ist es im Auto zwischen 50 und 60 Grad heiß, unter der Kombi ist er anschließend nass geschwitzt und die Ohren tun ihm weh vom Lärm des Motors. Aber glücklich ist er nach dem Rennen trotzdem.

Gewinnen - im Team.


Auf die Frage, ob er sich als ehrgeizig bezeichnen würde, lacht Alex Schoep. "Ich will gerne gewinnen, ja. Sonst würde ich keine Rennen fahren. Aber das ist etwas anderes als ehrgeizig. Am liebsten gewinne ich im Team - ich will, dass auch das Team gewinnt. Und dass Pleon gewinnt."

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Alex Schoep ist President Europe von Pleon.

Sylvia Englert ist Redakteurin bei changeX und Buchautorin.

www.pleon.com

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