Ab morgen wird alles besser
Ein Tag im Leben des Account-Managers Tom Sales.
Eine Geschichte, wie sie in Unternehmen täglich tausendfach passiert. Im Vertrieb tobt das Leben. Terminhetze, unzufriedene Kunden, verwirrte Kollegen. Tom Sales versucht, dem Chaos Herr zu werden. Und scheitert. Doch er beginnt über Unternehmenskultur, über Kommunikation und Führung nachzudenken. Und merkt schnell, dass dort die eigentliche Musik spielt.
Eine neue Woche, ein neuer Tag. Ich
starte voll durch, bin top motiviert für die neue Arbeitswoche.
Dann der erste Verkehrsstau, das Benzin wird knapp, der Parkplatz
ist belegt und ein volles Programm für die kommende Woche drückt
leise auf die Schultern - ein kurzer Blick zurück auf das
vergangene, tolle Wochenende mit der Familie und mit Freunden
tröstet indes schnell. Ich werde alles schaffen, kein Problem für
mich. Seit knapp drei Jahren arbeite ich als Account-Manager. Der
Job ist ganz o. k.
Schnell mit dem Aufzug hoch, hurtig ins Büro. Was steht an?
Welche Termine - habe ich auch nichts übersehen?
Um 9:00 Uhr die erste Arbeitsbesprechung zu einem neuen
Angebotsprojekt. Tolle Chance, aber durchaus nicht einfach. Gegen
11:00 Uhr Telefonkontakt mit einem meiner wichtigsten
Akquisekunden - er ist zu dieser Zeit meistens erreichbar, ich
hatte es leider am vergangenen Freitag nicht mehr geschafft.
Hoffentlich hat unser Angebot die Erwartungen erfüllt!
Davor, aber spätestens sofort danach, muss ich die Termine
für die kommende Woche koordinieren und meine Post, vor allem
meine Mails, erledigen. Und nicht zu vergessen, die Wiedervorlage
für heute: zwei offene Kundenreklamationen, eine
Ressourcenanfrage und drei Angebote, die meinen Kunden zur
Entscheidung vorliegen.
Das neue Forecast muss bis Mittwoch fertig sein. Die
Vorbereitung des Managementreviews für eines meiner Angebote am
Donnerstag, die beiden Lostreports für den Vertriebsleiter und
die Geschäftsleitung bis Freitag. Müsste ich eigentlich locker
schaffen. Dann könnte ich zwischendurch meine neuen
Kundenkontakte von letzter Woche anrufen und Termine vereinbaren
- wären genau die richtigen neuen Kunden. Sie haben großes
Interesse signalisiert.
Ein gutes Programm, wenn ich dranbleibe, ohne großen Stress machbar!
09:00 Uhr
Die erste Arbeitsbesprechung. Leider sind nicht alle pünktlich. Ein Kollege fehlt. Das neue Angebotsprojekt ist relativ schnell besprochen, die Aufgaben sind klar. Die Ausschreibung des Kunden hat noch Lücken. Ein Fragenkatalog muss erstellt werden. Die notwendigen Ressourcen für das Angebot sind festgelegt. Mein Angebotsmanager will die Frage der Ressourcen für das Angebot sowie technische und konzeptionelle Unterstützung durch den Betrieb für die Fragen an den Kunden im Verlauf des Nachmittags klären. Also wird eine Telefonkonferenz um 17:00 Uhr vereinbart.
10:00 Uhr
Endlich Zeit für meine Post. Die Briefpost - Werbung, Einladungen und Informationsschreiben - ist schnell erledigt. Jetzt die Mails. Mehr als 50 haben sich angesammelt. Was ist wichtig, was ist unwichtig? Vielleicht nach Betreff sortieren. Klappt nicht. Lieber nach Absendern, also wichtigen Personen und solchen, die weniger wichtig sind. O. k., am Ende lese ich eine Mail nach der anderen, ganz einfach nach Datumseingang.
10:45 Uhr
Geschafft. Alle Mails gelesen und
sortiert. Es ist viel Informationsschrott dabei, einige Mails
sind an mehrere Empfänger adressiert, wo ich nicht klar erkennen
kann, was von mir erwartet wird, hinzu kommen fünf neue Termine
und zwei konkrete Aufgaben. Also erst mal bei den unklaren Mails
schnell nachgefragt, was konkret von mir erwartet wird - habe ich
schließlich so gelernt, mich nicht darauf zu verlassen, dass
einer der Mail-Adressaten etwas tun wird. Die neuen Termine sind
flugs eingetragen und jetzt zu den Aufgaben.
Erste Aufgabe: eine Erinnerung zum Forecast, der bis
Mittwoch fertig sein muss. Das Controlling hat mich gebeten, alle
meine Kollegen im Vertrieb daran zu erinnern und nochmals auf die
neue Planungsmethode hinzuweisen.
Zweite Aufgabe: das Qualitätsmanagement bei der
Vorbereitung zu einem internen Audit der Vertriebsprozesse
unterstützen. Erst mal werde ich einen Abstimmtermin vereinbaren.
Die Zeit drängt nicht, da der Audit erst in acht Wochen
durchgeführt werden soll - also ausreichend Vorlaufzeit.
Das Forecast-Thema liegt mir allerdings im Magen. Ich muss
mir Gedanken darüber machen, wie ich meine Kollegen alle
informiere.
11:00 Uhr
Jetzt schnell meinen Kunden anrufen und nach unserem Angebot fragen - vielleicht kann ich heute das eingefädelte Geschäft abschließen. Pech, mein Gesprächspartner ist für 14 Tage in Urlaub, säuselt seine immer freundliche Sekretärin am Telefon. Mist, hätte ich doch am Freitag, wie ich es vorhatte, angerufen. Außerdem, wie konnte ich vergessen, dass mein Gesprächspartner in Urlaub gehen wollte. Tja, Customer Relationship Management. O. k., dann halt in 14 Tagen.
11:15 Uhr
Das Zeitpolster wird dicker. Erst
mal das Thema Forecast. Schnell lese ich die neuen
Planungsunterlagen und Vorgaben, dann drucke ich meine
Planungsdaten aus dem Kundeninformationssystem aus. Warum
eigentlich nimmt das Controlling nicht die im
Kundeninformationssystem enthaltenen Daten her? Warum muss ich
die Daten selbst in ein neues Planungstool eintragen?
Klar! Da in einigen Fällen die Planungsdaten im
Kundeninformationssystem nicht gepflegt waren, einige noch dazu
fehlerhaft waren und die eine oder andere Einschätzung zur
Vertriebspipeline nicht richtig war. Ich verstehe - gut, dass ich
mir eine eigene Excel-Datei mit allen meinen Vorhaben und meiner
persönlichen Einschätzung angelegt habe, ein Glück, dass
wenigstens diese Daten aktuell sind.
Jetzt aber noch schnell eine Mail an meine Kollegen, die
neuen Planungsunterlagen und Vorgaben als Anhang mitgeschickt.
Uff, alle sind jetzt informiert. Hoffentlich lesen sie auch meine
Mail. Na ja, wenn nicht, ich kann nicht für alle das
Kindermädchen spielen. Jeder kennt den Termin und das Controlling
wird mir schon nicht den Kopf abreißen, wenn ich nicht alle
informieren konnte. Eine konkrete Vereinbarung mit dem
Controlling, dafür die Verantwortung zu übernehmen, habe ich
nicht.
12:00 Uhr
Mittagessen. Zufällig treffe ich
meinen Kollegen bei Tisch. Wir diskutieren über die neue
Reisekostenverordnung und die neue Fahrzeugregelung - Kosten
sparen muss eben sein. Wir sind uns einig. Zu guter Letzt erzählt
er mir noch von seinem Termin heute Morgen. Extrem schwierig.
Sein Kunde war ziemlich sauer, die gelieferten Produkte waren
zwar so weit in Ordnung, aber wurden zu spät installiert, das
Servicepersonal war überdies nicht besonders freundlich und im
Übrigen sei wohl der Preis viel zu teuer. Der Kunde habe sich im
Internet schlau gemacht. Eigentlich will mein Kollege über ein
neues Projekt sprechen und sich nicht mit Reklamationen und
Beschwerden auseinander setzen. Aber cool, wie er eben ist, mein
Kollege, hat er erst mal alles aufgenommen und versprochen, mit
der Produktion alles zu klären und dafür zu sorgen, dass so etwas
nicht mehr vorkommt. Über den Preis ließe sich reden.
Insgeheim überlege ich mir, ob das Vorgehen richtig ist.
Wir hatten doch kürzlich in einem Seminar etwas ganz anderes
gelernt. Wie wir mit kritischen Situationen umgehen sollen, wie
wir unsere Preise verargumentieren, wie wir Reklamationen
beherrschen. Egal - ist ja nicht mir passiert, und ich würde es
sicherlich besser machen.
13:00 Uhr
Mein Forecast - wird sicherlich drei bis vier Stunden dauern -, aber dann habe ich das Thema erledigt und genügend Luft bis Mittwoch. Meine eigene Planung ist so weit in Ordnung. Das Kundeninformationssystem muss ich am Dienstag auf Vordermann bringen, dort sind einige Fehler aufgefallen. Mit den Einschätzungen kann ich gut jonglieren, so dass ich meine Quotenerfüllung für dieses Jahr gut untermauern kann. Den Rest, wenn ich ehrlich bin, Chancen auf 20 Prozent mehr als geplant, behalte ich mir als Puffer, sollte das eine oder andere Projekt doch noch schief gehen.
17:00 Uhr
Ein Telefonanruf! Ach ja, die
Telefonkonferenz mit meinem Angebotsmanager. Der Leiter der
Produktion und der Leiter Consulting sind mit am Telefon. Die
Frage nach den erforderlichen Ressourcen konnte bis jetzt nicht
geklärt werden. Auch die technische und konzeptionelle
Unterstützung ist offenbar noch fraglich.
Zunächst macht uns der Produktionsleiter klar, dass er
selbst und seine Mitarbeiter Wichtigeres zu tun haben, als
ständig für irgendwelche Angebote Feuerwehr zu spielen. Wir, der
Vertrieb, müssten endlich einmal in der Lage sein, bestimmte
Angebote selbst zu erstellen.
Der Leiter Consulting wiederum erklärt uns, dass die von
uns verteilten Unterlagen zur Vorbereitung erstens unvollständig
sind und zweitens unser grob konzeptioneller Angebotsansatz
gänzlicher Schwachsinn ist. Allerdings hätten auch seine Leute
nicht die Zeit, uns alles so schnell beizubringen oder unseren
Job zu machen.
Auf die Frage, ob alle die Ausschreibung gelesen hätten,
kommt nur die lapidare Antwort, man hätte sie kurz überflogen,
wüsste also insoweit schon, um was es geht.
Bei der Gelegenheit will man gleich noch die eine oder
andere Frage klären. Erstens, wohin können die internen
Verrechnungssätze für die Angebotsunterstützung belastet werden?
Gibt es hierfür schon ein Projektbudget und eine entsprechende
Kostenstelle? Dann die Frage nach der Aufwandsabschätzung, also
wie viele Leute wir wie lange bräuchten, damit man prüfen könnte,
wer zur Verfügung stünde.
Gehe zurück auf Los, ziehe keine 4.000 Euro ein und setze
zwei Runden aus. So fühle ich mich nach der Telefonkonferenz.
Fazit: ein neuer Termin mit meinem Angebotsmanager und alles
nochmals überarbeiten, konkretisieren und mit der Produktion und
dem Consulting abstimmen. Wenn das nichts hilft, muss der Chef
ran.
18:00 Uhr
Eigentlich wollte ich meine neuen
Kundenkontakte anrufen. Jetzt ist es leider zu spät. Muss ich
morgen versuchen. Auf einen Tag kommt es nicht an. Was bleibt
sonst noch unerledigt am heutigen Tag?
Die beiden offenen Kundenreklamationen, die
Ressourcenanfrage und drei Angebote zum Nachfassen. Dann noch das
Managementreview am Donnerstag, die beiden Lostreports für
Freitag und neu dazu gekommen ist unser Angebotsproblem mit der
Produktion und dem Consulting.
Also im Grunde genommen bin ich weitestgehend auf Spur!
Oder? War ich wirklich effektiv? Habe ich mich auf meine
Kernaufgaben konzentriert, nämlich Kundengewinnung und Ausbau
bestehender Kunden? Ab morgen wird alles besser?
Endlich zu Hause.
Ein ganz normaler Vertriebsalltag.
Tom Sales gehört zweifellos zu jenen Account-Managern mit Geist
und Engagement, den sich Unternehmen wünschen.
Wer sich hier wiederfindet, sollte sich, wie Tom Sales
auch, Fragen über die Balance zwischen Sekundär- und
Primäraufgaben und über Kundenzentrierung (Ausrichtung des
Unternehmens am tatsächlichen Bedarf des Kunden) anstelle
Kundenorientierung (Ausrichtung an den Wünschen des Kunden)
stellen.
Überdies ist es eine Frage der Unternehmenskultur, nämlich
der Kommunikation und des verantworteten miteinander Umgehens.
Stellt sich die Frage: Zwar haben alle im Unternehmen das gleiche
Ziel, warum aber wird nicht alle Kraft auf das eine Ziel gelenkt?
Das sind dringende Fragen, da die vielschichtigen Hemmnisse nicht
einfach nur per Weisung oder funktionale Schulung beseitigt
werden können.
Egal, ob Meeting- oder Mail- und Kommunikationskultur,
egal, ob ein praxisorientiertes Üben theoretisch vermittelter
Verkaufsmethoden oder die Annäherung der Welten zwischen Vertrieb
und Produktion beziehungsweise Leistungserbringung. Dahinter
verbirgt sich ein ständiger Lernprozess, ein Wandel in der
Unternehmenskultur insgesamt, initialisiert und umgesetzt durch
viele Führungsimpulse und positive Verhaltensbeispiele.
Albert Weber ist einer der beiden Gründer und Geschäftsführer des atunis Instituts. Es hat sich zur Aufgabe gemacht, mit seinen Netzlogik �-Methoden Unternehmer und Führungskräfte im Aufbau der Beziehungskompetenz als Managementdisziplin zu unterstützen und ihre Auswirkung in konkreten Kundensituationen zu verifizieren.
© changeX Partnerforum [10.10.2003] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
changeX 10.10.2003. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
Artikeltags
atunis Institut
Weitere Artikel dieses Partners
Ein Business-Roman in Fortsetzungen. | Folge 6 |: Macht zum Essay
Ein Business-Roman in Fortsetzungen. | Folge 5 |: Folgerungen auf dem Gipfel. zum Essay
Ein Business-Roman in Fortsetzungen. | Folge 4 |: Der Vertrieb packt es an. zum Report