On the road again

Neue Hochleistungschips können besonders Autofahrern das Leben leichter machen.

Von Nina Hesse

Mehr Sicherheit beim Fahren durch Radar im Auto, Stop-and-Go-Automaten, die den Stau stressfreier machen, nie wieder ein falscher Reifendruck, fünf Prozent weniger Spritverbrauch - neuen Sensoren und ein Geschwindigkeitsweltrekord machen's möglich.

Schneller, immer schneller ist das Gebot der Elektronikbranche. Denn kein Anwender wartet gerne Däumchen drehend darauf, dass das Gerät seine Anweisungen ausführt oder im Schneckentempo Daten hin und her schiebt. Einen neuen Geschwindigkeitsweltrekord für Siliziumchips haben nun Forscher des deutschen Halbleiterherstellers Infineon Technologies aufgestellt. In den Münchner Forschungslabors erreichten Elektronikbausteine in der hauseigenen Silizium-Germanium-Bipolar-Technologie bisher unerreichte 110 Gigahertz. Handelsübliche Prozessoren für Personal Computer schaffen gerade mal 4 Gigahertz.
"Bisher waren solche hohen Frequenzen nur mit Bauelementen aus Galliumarsenid machbar", erklärt Pressesprecher Reiner Schoenrock. "Silizium ist deutlich preisgünstiger - die schnellen Chips werden nur wenige Cent kosten - und lässt sich in erprobten Prozessen verarbeiten." Die Infineon-Forscher benutzen für die Rekordchips Silizium, das mit Germaniumatomen angereichert wurde.
Die Infineon-eigene Silizium-Germanium-Bipolar-Technologie, mit der die neuen Rekordchips realisiert wurden, hat bereits Schaltzeiten von 3,7 Picosekunden (also billionstel Sekunden) erreicht, eine Zeit, in der sich Licht nur einen Millimeter weit bewegt. Zum Vergleich: In einer Sekunde schafft Licht die Entfernung der Erde-Mond!

Schnellere Datenkommunikation und Radar im Auto.


Besonders interessant sind solche Hochfrequenzchips natürlich für die Kommunikationstechnik, wo höchste Übertragungsfrequenzen die Übermittlung von mehr Daten in kürzerer Zeit erlauben. Zum Beispiel bei Richtfunkstrecken oder für die Hochgeschwindigkeitsdatenkommunikation zwischen elektronischen Geräten und Computern ("Wireless LAN"). Einen breiten Einsatzbereich könnten die schnellen Siliziumchips in Autos finden, etwa für Abstandswarnung und Kollisionsvermeidung durch Radar. "Diese Sicherheitsausrüstung könnte mit der neuen Infineon-Technologie sehr viel preisgünstiger, zuverlässiger und vor allem �intelligenter' realisiert werden", sagt Reiner Schoenrock. "So könnte den Radarsignalen zum Beispiel zusätzlich eine individuelle Kennung aufgeprägt werden, um sie unempfindlich gegen Störsignale von anderen Autos zu machen." Die gewonnene Zuverlässigkeit ließe sich für mehr Komfort und mehr Sicherheit nutzen, etwa für Stop-and-Go-Automaten, die dem Autofahrer das ständige Nachrücken im Stau erleichtern. Die schnellen Chips könnten den Fahrern zwar nicht zu flotter Fahrt verhelfen, aber immerhin zu einem stressärmeren Fahrerlebnis.

Mehr Sicherheit in Autoreifen.


Aber auch die Helfer, die verborgen in der Karosserie über die Sicherheit des Fahrers wachen, werden immer intelligenter. Neu im Portfolio von Infineon sind Reifendrucksensoren, die Daten wie Druck, Temperatur und Bewegung erfassen und per Funk auf ein Display im Armaturenbrett übertragen. Laut Statistischem Bundesamt verursachte falscher Luftdruck in Fahrzeugreifen im Jahr 2002 rund 25 Prozent aller Verkehrsunfälle, die auf technische Mängel zurückzuführen sind. "Durch die Übernahme des norwegischen Herstellers SensoNor hat Infineon sein Geschäft mit Sensoren deutlich gestärkt und erweitert seine Kompetenz im Bereich Automobilelektronik um eine weitere Sicherheitskomponente", erklärt Reiner Schoenrock. "Im Segment der Reifendrucksensoren sind wir damit weltweit Marktführer. Zudem haben wir feste mehrjährige Verträge mit führenden Automobilherstellern."

Fünf Prozent weniger Spritverbrauch.


Für Autofahrer bedeuten das neue Reifendruck-Kontrollsystem ein Plus an Sicherheit und Fahrkomfort: Sie müssen den Luftdruck nicht mehr regelmäßig an der Tankstelle prüfen, da kritische Veränderungen automatisch als Warnhinweis auf ein Display übertragen werden. Der richtige Luftdruck führt zu optimalem Rollwiderstand, geringerem Kraftstoffverbrauch und weniger Reifenverschleiß. Laut Angaben von TÜV-Nord erhöht ein halbes Bar zu wenig Luftdruck den Spritverbrauch um fünf Prozent. Doch das ist gar nicht einmal das Schlimmste: Ein falscher Reifenfülldruck verursacht auch veränderte Fahreigenschaften, die Lenkung wird schwerer zu kontrollieren und der Bremsweg verlängert sich. Durch den steigenden Rollwiderstand bei zu geringem Luftdruck werden die Reifen stärker durchgewalkt, sie erhitzen sich, halten der Belastung nicht mehr stand und können platzen. Lastkraftwagenreifen können sogar Feuer fangen.

In Zukunft serienmäßig?


"Künftig sollen die Informationen der Sensoren nicht nur als Warnhinweis übertragen, sondern zusätzlich in die Steuerung anderer Fahrsicherheitssysteme wie ESP oder ABS eingespeist werden", kündigt Reiner Schoenrock an. "In den USA sind ab November dieses Jahres Reifendruck-Kontrollsysteme sogar per Gesetz Vorschrift: Bis zum Jahresende 2006 müssen dort alle Neufahrzeuge mit einem solchen System ausgestattet sein." Neben den Sensoren besteht das Kontrollsystem pro Reifen aus einem Mikrocontroller, der die Daten verarbeitet, und einer Sendeeinheit, welche die Informationen über Radio Frequency (RF) zur Steuereinheit im Motorraum funkt. In zwei bis drei Jahren will Infineon diese Einzelkomponenten zu einem einzigen Bauteil integrieren und auf den Markt bringen. "Bis zum Ende des Jahrzehnts sind sogar Systeme denkbar, die ohne Batterie auskommen", meint Schoenrock. Derzeit sind Reifendruck-Kontrollsysteme für 200 bis 400 Euro zur Nachrüstung im Handel erhältlich. Immer mehr Hersteller bieten sie für Personenwagen schon im Mittelklasse-Segment serienmäßig an. Wahrscheinlich wird es einer neuen Generation von Fahrern ganz schön altmodisch vorkommen, an der Tankstelle mit dem Druckmessgerät zu hantieren. So, wie es einem schon ziemlich archaisch vorkommt, einen Brief in einen Umschlag zu tun, eine Marke draufzukleben und ihn in den Kasten zu werfen. Vermissen wird das sicher kaum einer.

Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.

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