Intelligenz am laufenden Meter
Forscher der Infineon Technologies AG haben einen Weg gefunden, Chips in großflächige Textilien wie Teppichböden oder Zeltdächer einzubauen.
Schon in wenigen Jahren könnte unsere Umgebung anfangen, mitzudenken. Intelligente Teppiche, die jede Bewegung "spüren", und Chips in tragenden Mauern, die Risse oder Beschädigungen melden, sind in greifbare Nähe gerückt. Da sie mit Hilfe eines selbstorganisierenden Netzwerks funktionieren, "überleben" die intelligenten Materialien Beschädigungen.
Stellen Sie sich vor,
Sie betreiben einen Laden für Computerzubehör. Eines Tages bricht
jemand bei Ihnen ein. Ein Profi, der die Alarmanlage an der Tür
ohne Probleme außer Gefecht gesetzt hat. Draußen parkt schon der
Laster, um teure Hightech aus Ihrem Laden abzutransportieren. Doch
diesmal hat sich der Einbrecher verkalkuliert. Denn in Ihren Räumen
kann er keinen Schritt machen, ohne dass er bemerkt wird - der
intelligente Teppich hat schon Alarm geschlagen. Innerhalb von
Minuten ist die Polizei vor Ort.
Noch ist das eine Zukunftsvision. Aber keine Zauberei. Erste
Prototypen des schlauen Teppichs hat Infineon vor kurzem der
Öffentlichkeit vorgestellt. In Stoffe eingewoben, wacht ein sich
selbst organisierendes Netzwerk aus robusten Chips bei Bedarf über
Temperatur, Druck oder Vibrationen. Der "intelligente" Stoff könnte
zum Beispiel als Bewegungs- oder Feuermelder eingesetzt werden oder
Alarm- und Klimaanlagen steuern. Neben den Sensorfunktionen dient
der Stoff über eingewobene winzige Leuchtdioden auch als Wegweiser
oder Werbeträger. "Durch die kleinen Lichter kann der Fußboden aber
auch zum Leitsystem werden, um etwa Besucherströme in öffentlichen
Gebäuden zu steuern oder bei einer Gefahrensituation auf
Notausgänge hinzuweisen", meint Reiner Schönrock, Pressesprecher
von Infineon. In nur zwei Jahren soll die Erfindung einsatzreif
sein: Infineon will das Konzept mit Kooperationspartnern aus der
Textilindustrie zu funktionsfähigen und großflächigen
"intelligenten" Geweben weiterentwickeln.
Selbstorganisierend und fehlertolerant.
Die Mikroelektronikmodule des
ungewöhnlichen Bodenbelags sind schachbrettartig in die textile
Struktur integriert. Jeder Chip ist mit seinen vier angrenzenden
"Nachbarn" durch elektrisch leitfähige Fäden verbunden (die
gleichzeitig als Sensoren fungieren), so dass ein Netzwerk für
den Informationsfluss entsteht. Die Informationen werden von
einem Chip zum nächsten weitergegeben und können über eine
Datenschnittstelle an verschiedene Systeme wie Brandmelder,
Alarm- oder Klimaanlagen übertragen werden: So kann ein
"intelligenter" Teppichboden melden, wo sich eine Person in einem
Raum aufhält oder in welche Richtung sie geht. Für solche
Anwendungen reicht ein Chip pro Quadratmeter.
Aber was ist, wenn der Stoff oder Teppich zugeschnitten
werden muss? Gar nichts. Der Teppich funktioniert weiter, auch
wenn ein paar seiner Schaltkreise beim Zuschneiden den Geist
aufgeben. "Jeder Chip stellt in Bruchteilen von Sekunden nach der
Inbetriebnahme seine Position innerhalb des Netzwerkes selbst
fest", erklärt Schönrock. "Fällt ein Chip oder ein Leitfaden aus,
so erkennt das Netzwerk diese Schwachstelle automatisch und
organisiert sich blitzschnell selbst neu. Es findet innerhalb des
Gesamtsystems über die benachbarten Chips einen neuen Weg, um den
Informationsfluss aufrechtzuerhalten." So entsteht ein
selbstorganisierendes Netzwerk, das sogar fehlertolerant ist.
Damit kann der "intelligente" Teppichboden ohne Beschädigung der
elektronischen Netzwerkfunktion auf nahezu beliebige Formen und
Flächen zugeschnitten werden. Die Abstände der Chips zueinander
lassen sich beliebig wählen, doch je dichter sie in die
Textilstruktur eingewoben sind, desto genauer arbeiten
sie.
Nie wieder Einsturzgefahr.
Die neue Grundlagen-Technologie
kann auch bei der Herstellung von Zeppelinen, Ballonhüllen und
Zeltplanen eingesetzt werden. Da freut sich die Werbeindustrie:
Einzeln steuerbare Leuchtdioden in Ballonhüllen, Fahnen und
Zeltwänden machen diese Flächen zu neuen potenziellen
Werbeträgern. Aber auch Behördenhinweise lassen sich einblenden.
Noch wesentlich wichtiger könnte die Anwendung des
Infineon-Konzepts im Baugewerbe sein. Die wasser- und
hitzebeständigen Chips können als Sensoren in verschiedene
tragende Bauelemente, wie Säulen oder Wände, integriert werden.
So manche Katastrophe hätte sich verhindern lassen, wenn
Bauschäden rechtzeitig erkannt worden wären. Mit den neuen Chips
ist das möglich: Sie können Informationen über den Zustand und
die Belastung von Materialien sammeln und erlauben so die
Früherkennung von fehlerhaften Stellen, Brüchen oder Rissen in
Baustoffen oder Geweben. "Dies erhöht die Sicherheit, da Mängel
nicht erst bei individuell veranlassten Einzelüberprüfungen
erkannt werden können", erklärt Reiner Schönrock. "Die Auswertung
der Informationen erfolgt über spezielle Software."
Chips in den Wänden, intelligente Teppichböden ... kein
Zweifel, in Zukunft denkt die Umgebung mit.
Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.
© changeX Partnerforum [11.06.2003] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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