Cluster der Zukunft
Hightech-Brennpunkte sind ein Beispiel dafür, wie Zusammenarbeit funktionieren kann.
Wenn man seine Kräfte bündelt, kann man viel erreichen. Die Wirtschaft hat den Wert von Allianzen und Kooperationen inzwischen verstanden - doch die Gesellschaft hinkt noch hinterher.
Was entscheidet über das
Zukunftswohl unserer Gesellschaft? An erster Stelle Bildung und
Ausbildung. Aber wir brauchen auch eine Bündelung der besten
Kräfte.
Der Wettbewerb in den Schlüsselindustrien findet nicht, wie
viele glauben, zwischen Staaten statt, sondern zwischen
spezialisierten regionalen Netzwerken. Innerhalb der einzelnen
Netzwerke kommt es zu vielen Synergien in Forschung und
Entwicklung, Zulieferung, unternehmens- und produktnahen
Dienstleistungen - damit wird ein hohes Innovations- und
Wachstumstempo möglich. Beispiel Autostandort Detroit: Dort sind
Forschung und Entwicklung in unterschiedlichen Organisationen
eine Symbiose eingegangen. Sie haben ihre Fähigkeiten und Kräfte
gebündelt, so genannte "Cluster" gebildet, Hightech-Brennpunkte.
Silicon Valley zum Beispiel ist ein solcher Cluster. Im
Radius einer Autostunde hat sich hier eine Vielzahl hochkarätiger
Firmen mit ähnlichen Schwerpunkten zusammengefunden. Warum
eigentlich? Weil alle davon profitieren. Die räumliche Nähe
fördert den Austausch von Ideen und Erfahrungen, die Anbahnung
von Geschäftskontakten, die Bildung effizienter und flexibler
Wertschöpfungsnetze sowie die wirksame Verknüpfung von Wissen,
Talenten, Kapital und Wettbewerb.
Solche Cluster bilden sich oft spontan. Zu den wichtigsten
Faktoren zählen niedrige Steuern, Venture Capital, ein Pool von
verfügbaren Fachleuten, die Möglichkeit, schnell an die Börse zu
gehen, eine Kultur der Innovation und des Unternehmertums sowie
Gesetze, die zum Beispiel Spin-offs aus Universitäten
erleichtern. Ein weniger greifbares, aber noch wichtigeres
Element des Erfolgsrezepts ist dagegen das Networking. In Silicon
Valley haben die Firmen sich gezielt miteinander, mit
Venture-Capital-Gebern und Universitäten vernetzt. Damit diese
Vernetzung stattfinden kann, braucht man physische Nähe, eine
geographisch kompakte Einheit, damit man seine Geschäfte
persönlich besprechen kann - auch in Zeiten des Internets.
Deshalb sind solche geographischen Brennpunkte überhaupt
entstanden.
All das ist eine Chance, die Deutschland heute ebenfalls
ergreifen muss. Auch Deutschland muss durch eine gezielte
Ansiedlung von Clustern in den Zukunftsindustrien IuK-Industrien,
Biotechnologie zum besten Innovationsstandort weltweit
werden.
Kooperationen und Allianzen.
Innovative Unternehmen verfügen
über ähnliche Eigenschaften wie Cluster. Technologien wie
Biotechnologie und Pharma, Maschinen- und Automobilbau und
Computer, Telekommunikation und Mikroelektronik verschmelzen zu
neuen Innovationen oder werden am Markt als Systemtechnologien
mit entsprechender Systemkompetenz angeboten. Durch das
Zusammenwachsen vieler Märkte und Technologien können sich
Unternehmen vor allem in einer Allianz ihre Systemkompetenz am
Markt sichern, obwohl sie ihre Kernkompetenz nur auf einige
wenige Spezialgebiete konzentriert haben.
Ein Unternehmen kann versuchen, diese Situation alleine im
Wettbewerb zu meistern. Sinnvoller ist es allerdings, durch die
Aufnahme von Beziehungen unterschiedlicher Art, externe Synergien
zu schaffen - durch Kooperation, Allianzen oder sogar, wie es in
der Industrie immer häufiger vorkommt, durch Fusionen. Regionale
Cluster sind dann ein Standortvorteil für den dahinter stehenden
Staat.
Infineon hat sich mittlerweile in Dresden angesiedelt, weil
dieser Standort über überdurchschnittlich qualifizierte
Mitarbeiter verfügt und wir den Zugriff auf eine sehr gute
Forschungslandschaft haben - ein IT-Cluster ersten Ranges.
Überdies sind wir natürlich am Standort München zentriert, weil
wir dort in das süddeutsche Hightech-Netzwerk eingebunden sind -
ein Top-Cluster, wenn auch nicht ganz mit einem Silicon Valley
und der intellektuellen Keimzelle Stanford University oder mit
dem Raum Boston mit Keimzelle Massachusetts Institute of
Technology (MIT) vergleichbar.
Standort Deutschland stärken.
Es gibt viele Gründe dafür, warum
Deutschland auf Hightech-Cluster nicht verzichten kann. Der
Industriestandort Deutschland verfügt selbst über keine
nennenswerten Rohstoffe. Er kann sich im internationalen
Wettbewerb also nur behaupten, wenn er mit Hilfe von Innovationen
erfolgreich bleibt, gute Fachkräfte hervorbringt und die Faktoren
für Wirtschaft, Gründungen und Clusterbildung stimmen.
Kurz: Wir brauchen Spitzenprodukte, Spitzenkräfte und
Spitzeninnovationen. Das sind die Bedingung für wirtschaftlichen
Fortschritt. Dafür brauchen wir eine kritische Masse an
Know-how-Potenzial, geeignete Fach- und Führungskräfte und ein
passendes Entwicklungs-, Vermarktungs- und
Dienstleistungspotential. Es gilt, sowohl deutsche
Forschungseinrichtungen und Unternehmen auf ihrem Weg in eine
globalisierte Wirtschaft zu unterstützen als auch ausländische
Forschungseinrichtungen und Unternehmen für den Standort
Deutschland zu gewinnen, um am Standort wirksam werdende
Synergie- und Spill-over-Effekte zu erreichen.
Besonders die Rahmenbedingungen spielen eine wichtige
Rolle. Zum Beispiel Spielräume für befristete Arbeitsverhältnisse
durch angepasste Kündigungsschutzregeln. Ein großer und weiter
wachsender Teil der Wertschöpfung gerade in der Informations- und
Kommunikationstechnologie wird in Projektteams geschaffen, die in
wechselnder Zusammensetzung für begrenzte Zeiträume
bedarfsgerecht zusammengeholt werden. Darüber hinaus muss sich
die Lohnentwicklung im Hochlohnland Deutschland am
Produktivitätszuwachs orientieren. Wenn sie gering ist, führt
eine Lohnerhöhung zur Vernichtung von Arbeitsplätzen. Für wichtig
halten wir aber auch mehr Wettbewerb, um Spitzenkräfte zu
bekommen und langfristig in Deutschland zu halten. Und natürlich
ein hohes Ausbildungsniveau und lebenslanges Lernen, um
Deutschland zu einer führenden Know-how-Nation zu machen.
Lernen von der Wirtschaft.
Wichtig ist, dass auch Staat und Gesellschaft von Netzwerken wie den Hightech-Clustern lernen. Die Wirtschaft arbeitet schon längst mit strategischen Allianzen. Doch Deutschland hat es noch nicht geschafft, strategische Allianzen zwischen den staatlichen Institutionen, zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen, zwischen Schulen, Krankenhäusern und Unternehmen aufzubauen. Unsere Gesellschaft ist noch nach einem Säulenmodell organisiert, das wir in der Wirtschaft schnellstmöglich aufzulösen versuchen. Und zwischen den einzelnen Bereichen gibt es viel zu wenig Kommunikation und Zusammenarbeit. Für Unternehmen kann das zur Existenzbedrohung werden. Wir müssen auch in Deutschland vernetzt denken - das ist ein Dienst, den Deutschland auch seinen Unternehmen gegenüber leisten muss und den wir als Unternehmer Deutschland gegenüber erbringen müssen.
Susanne Eyrich ist Senior Manager Public Affairs bei der Infineon Technologies AG.
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