Auf der Suche nach dem Wirkstoff
Ein neuer Biochip von Infineon beschleunigt die Entwicklung von Medikamenten.
Es gibt reichlich unerforschte Substanzen, aus denen man revolutionäre Medikamente machen könnte. Nur leider muss man hunderttausende von Stoffen testen, um herauszufinden, was wogegen wirksam ist. Der neue Chip erledigt das im Eiltempo - mit Hilfe einer Million winziger Poren.
Trotz der rasanten
Fortschritte der Medizin sind noch immer zwei Drittel der 30.000
bekannten Krankheiten nicht heilbar. Nicht nur das, immer wieder
tauchen neue Seuchen auf, versetzen wie gerade SARS ganze Länder in
Angst und Schrecken. Kurz, es bleibt wichtig, ständig neue
Medikamente zu entwickeln. Doch bis ein neues Arzneimittel
schließlich in den Apotheken steht, vergehen bisher etwa zwölf bis
15 Jahre, bei einem Entwicklungsaufwand von rund 800 Millionen
Euro. Bis dahin heißt es für die Kranken ausharren und hoffen. Aber
auch die Pharmaunternehmen bangen - nämlich, ob das Medikament sich
bewährt und die enormen Kosten wieder einspielt. Wird das neue
Produkt ein Verkaufsschlager, hat sich das Risiko gelohnt, dann
kann das Medikament einen Jahresumsatz von 500 Millionen Euro
erwirtschaften.
Bei dieser aufwendigen Entwicklungsarbeit spielt die
Biotechnologie in Zukunft eine wichtige Rolle. Zum Beispiel durch
Analysemethoden, mit denen sich neue Substanzen auf ihre
Heilwirkung testen lassen - "Screening" wird das genannt. Infineon
arbeitet schon seit Jahren daran, die Halbleiter- mit der
Biotechnologie zu verschmelzen - und kann jetzt einen
eindrucksvollen Erfolg vorweisen: eine weltweit einzigartige
Systemlösung, welche die Entwicklung von Medikamenten erheblich
beschleunigen soll. "Wir gehen davon aus, dass neue
Forschungsmethoden, wie sie unser Flow-Thru-Chip-System ermöglicht,
die Arbeit in Pharmalabors in einem ähnlichen Maß verändern werden
wie der PC vor zwei Jahrzehnten die Computerlandschaft: Alles wird
kleiner, schneller, kostengünstiger", erklärt Dr. Thomas Klaue,
Vice President Business Development von Infineon Technologies
AG.
Wertvoller Zeitvorsprung.
Herzstück des neuen
Systems, das mit allen Komponenten pro Stück 60.000 Euro kostet,
ist ein so genannter Flow-Thru-Biochip, auf dem ein ganzes "Labor
in Miniaturformat" untergebracht wurde. Optisch analysiert er auf
nur einem Quadratzentimeter zeitgleich die Reaktion von bis zu
400 bekannten Genen auf einen bestimmten Wirkstoff. Mit seiner
Hilfe kann die Wirkung von Substanzen binnen weniger Stunden
analysiert werden, sechsmal schneller als mit bisherigen
Testverfahren. Da sehr viele Stoffe auf ihre Wirksamkeit geprüft
werden müssen, bis ein potenzielles neues Medikament entdeckt
ist, kann der neue Chip den gesamten Entwicklungsprozess um etwa
ein bis zwei Jahre verkürzen. Ein Zeitvorsprung, der schnellere
Heilung für die Betroffenen bedeutet und - wenn das neue Produkt
sich gut verkauft - ein sattes Umsatzplus für das
Pharmaunternehmen. Auch für den Hersteller der neuen Chips lohnt
sich die Sache: Infineon wagt sich mit seinem Biochip, der in
Kooperation mit der US-Firma MetriGenix entwickelt wurde, auf
einen ganz neuen Markt. Einen sehr angenehmen. Denn während sich
beim Geschäft mit Speicherchips Boom und Flaute auf
nervenzerfetzende Art abwechseln, wächst der Markt der Diagnostik
und Medikamentenentwicklung beruhigend stabil.
Bei der Entwicklung des neuen Systems ergänzten sich die
Kompetenzen der beiden beteiligten Unternehmen perfekt: Auf
Infineons Chip, entwickelt mit der langjährigen
Halbleiter-Erfahrung der Münchner Hightech-Firma, bringt
MetriGenix, der amerikanische Partner aus der Biotech-Branche,
die jeweiligen Gen-Abschnitte auf, umhüllt den Chip mit einem
speziellen Plastik-Gehäuse und stellt die Messapparatur her.
Beide Unternehmen teilen sich auch den Vertrieb des Systems:
Infineon ist in Europa tätig, MetriGenix in den USA. Infineon
beginnt damit die Umsetzung seines Strategie-Programms "Agenda
5-to-1", um sich in den kommenden fünf Jahren im Lösungsgeschäft
der Halbleiterindustrie als Nummer eins zu positionieren.
Neue Medikamente und schnellere Diagnose.
Ab sofort erhältlich sind Biochips
zur Untersuchung von Entzündungen, von verschiedenen Krebsarten
wie Lungen- und Brustkrebs sowie für neurologische Erkrankungen
wie Alzheimer, Parkinson und Multiple Sklerose. Darüber hinaus
können auf dem Flow-Thru-Chip individuell Gene aufgetragen
werden. Damit könnte man ihn auch auf anderen Gebieten einsetzen
- in der Lebensmittelforschung, Vaterschaftsanalyse, Forensik und
Prädispositionsdiagnostik zum Beispiel. Infineon plant, das
Flow-Thru-Chip-System für diagnostische Zwecke
weiterzuentwickeln. Damit könnte ein Arzt in seiner Praxis in
Minutenschnelle die individuelle Medikation für einen Patienten
ermitteln: Aus einer Blutprobe könnte man Informationen darüber
gewinnen, wie der Kranke auf bestimmte Medikamente anspricht -
vor allem auch wie schnell - und welche Nebenwirkungen bei ihm
auftreten könnten. Besonders bei der Behandlung von Krankheiten
wie Depressionen oder Bluthochdruck wäre das ein Fortschritt,
weil dabei die Dauer bis zur einsetzenden Wirkung eines
Medikaments extrem wichtig ist.
Auch für die "Resistenzanalyse" in Krankenhäusern könnte
man den Chip einsetzen. Krankenhauskeime bedeuten für Patienten,
besonders auf der Intensivstation, ein zusätzliches Risiko: Die
Erreger können bei bereits geschwächtem Immunsystem zu
Lungenentzündung, Wund- oder Harntraktinfektionen führen und sind
gegen zahlreiche bekannte Antibiotika resistent. Auf der
Oberfläche des Flow-Thru-Chips kann innerhalb weniger Stunden das
Resistenzmuster eines Keimes sichtbar gemacht werden - damit kann
man schnell das Antibiotikum ermitteln, das gegen ihn noch
wirksam ist.
Eine Million winziger Poren.
Doch was genau sind eigentlich Biochips? Es sind kleine Probenträger aus Glas, Kunststoff oder Silizium. Auf ihnen können gleichzeitig Hunderte bis Tausende biochemischer Reaktionen ablaufen und (optisch oder elektronisch, je nach Chiptyp) ausgewertet werden. Der neue Flow-Thru-Chip besteht aus Silizium und sieht mit seinen rund eine Million Poren in der Vergrößerung aus wie ein Schwamm. Ein von Infineon entwickeltes spezielles Fertigungsverfahren ätzt auf nur einem Quadratzentimeter Fläche etwa eine Million Löcher mit einem Durchmesser von einem Zehntel eines menschlichen Haares. Diese Poren werden mit bekannten Genabschnitten bestückt, zum Beispiel mit solchen, die bei Brustkrebs ihre Genaktivität verändern. Diese setzen sich dicht an dicht an den Wänden der Poren ab. Die zu untersuchenden Proben werden mit einem Wirkstoffkandidaten behandelt und dann im so genannten Flow-Thru-Verfahren mehrmals in den Poren hin und her gepumpt. Nur die passenden Gene der Probe docken bei diesem Vorgang an die Genabschnitte der Porenwand an (Schlüssel-Schloss-Prinzip). Ausschließlich an diese bindet sich der in einem weiteren Schritt zugegebene Farbstoff und gibt dabei ein Licht ab. Von einer Kamera erfasst und an einen Rechner weitergegeben, kann das Lichtmuster auf dem Bildschirm ausgewertet werden. Die Analyse, ob eine Substanz wirkt oder nicht, ist einfach und schnell. Verglichen wird dabei das Lichtmuster der gesunden Probe mit dem der behandelten Probe. Stimmen sie überein, hat der Wirkstoff angeschlagen. Kurz: Der Flow-Thru-Chip bringt die Gene zum Leuchten!
Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.
www.infineon.com
www.campeon.de
Informationen zu Infineons Biochip-Aktivitäten unter www.infineon.com/bioscience.
© changeX Partnerforum [02.04.2003] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
changeX 02.04.2003. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
Artikeltags
Infineon Technologies AG
Weitere Artikel dieses Partners
Innovative Entwicklungen von Infineon könnten die Medizin revolutionieren. zum Report
Mit Hilfe von Trend- und Zukunftsforschung bereitet sich Infineon auf zukünftige Herausforderungen vor. zum Report
Neurochips sind eine spannende neue Technologie. zum Report