Besser als Spenden
Eine Studie zeigt: Soziale Projekte können sich nicht nur selber tragen, sondern auch Erlöse erwirtschaften. Die Zukunft des Sozialen liegt nicht in Spenden. Sondern in der Investition in nachhaltige Projekte.
Social Entrepreneurs haben es nicht leicht in der Gesellschaft. Ihre Denkweise ist vielen zu unkonventionell, ihr Anliegen zu idealistisch und ihr Konzept finanziell und in der Wirkung zu unsicher. Tatsächlich fällt es vielen Social Entrepreneurs und überhaupt vielen gesellschaftlichen Projekten schwer, ihren Nutzwert in Daten und Fakten darzustellen. Alles Gründe dafür, warum es für viele schwierig ist, eine Anschubfinanzierung oder auch dauerhafte Unterstützung von privaten Akteuren oder Wirtschaftsunternehmen zu bekommen. In Fachkreisen wird daher schon länger darüber diskutiert, ob und wie man einen einheitlichen Reportingstandard – also eine Methodik der Berichterstattung und Wirkungsmessung – für Social Entrepreneurs entwickeln kann. Damit ihre Leistungen auch in der Wirtschaftssprache sichtbar werden.
Genau das haben nun Experten von Ashoka, der TU München und der Universität Hamburg in Zusammenarbeit mit BonVenture und der Schwab Foundation for Social Entrepreneurship gemacht: Sie haben einen Reportingstandard entworfen, der in Kooperation mit Auridis und PricewaterhouseCoopers zu einem internationalen Standard ausgebaut werden soll. In der Studie Wissen, was wirkt kann man diesen Reportingstandard schon „in Aktion“ erleben. Dort ist nachzulesen, wie die Projekte von 34 Fellows von Ashoka und der Schwab Foundation in die Gesellschaft wirken – also welchen Gewinn Gesellschaft und Wirtschaft davon haben. Durchgeführt wurden die einzelnen Wirkungsanalysen vom deutschen Ashoka-Team in Zusammenarbeit mit McKinsey-Beratern.
Social Franchise.
Da ist zum Beispiel „Dialog im Dunkeln“. Das Konzept: Blinde führen Ausstellungsbesucher durch komplett verdunkelte Räume, die szenisch inszeniert sind. Durch diesen „Rollentausch“ erleben Sehende, wie es ist, in der Wahrnehmung eingeschränkt zu sein. Gleichzeitig nehmen sie die Kompetenz ihrer blinden Führer wahr und bauen so Vorurteile ab. Gründer Andreas Heinecke möchte auf diese Weise die weltweite gesellschaftliche Benachteiligung Blinder und behinderter Menschen abbauen und auf ihr Potenzial aufmerksam machen. In Deutschland beispielsweise haben nur 15 Prozent aller behinderten Menschen Arbeit. Um den Wirkungskreis seines Konzepts zu erhöhen, skaliert er es durch einen Social-Franchise-Ansatz.
Das erste Ausstellungsprojekt „Dialog im Dunkeln“ wurde 1988 in Hamburg gegründet. Seit 2005 gibt es auch in Frankfurt ein Dialogmuseum als Tochterunternehmen. Bis heute gab es in 130 Städten in 21 Ländern Ausstellungen, die fünf Millionen Besucher erreicht haben. 6.000 Blinde sind mittlerweile bei Partnern angestellt. Der Umsatz hat sich kontinuierlich in die Höhe entwickelt: von knapp 1,6 Millionen Euro 2005 auf gut 4,5 Millionen Euro 2009. Der Anteil der Zuschüsse bei der Finanzierung ist im gleichen Zeitraum von 27 auf zehn Prozent gesunken, wobei er 2009 wieder leicht höher liegt als 2008. Die Zahl der eigenen Mitarbeiter stieg von 82 auf 124 – davon sind 59 fest angestellt. Nachweislich gewinnen durch „Dialog im Dunkeln“ nicht nur Blinde Beschäftigung und Selbstbewusstsein – auch die sehenden Besucher profitieren, indem sie sich mit der eigenen Wahrnehmung beschäftigen und die Fähigkeiten blinder Mitbürger zur Kenntnis nehmen. Für die Zukunft ist als weiteres Standbein ein Führungskräftetraining für die Personalentwicklung von Unternehmen geplant.
Ein weiteres Beispiel: das Violence Prevention Network von Ashoka Fellow Judy Korn und ihren Mitstreitern Helmut Heitmann und Thomas Mücke. Das Violence Prevention Network entwickelte mit der Verantwortungspädagogik einen Rehabilitierungsansatz für jugendliche Gewalttäter mit ideologischer Motivation. Der Ansatz beruht darauf, dass die Jugendlichen Empathie lernen. Gemeinsam mit einem Trainer arbeiten sie im Gefängnis ihre Tat in der Gruppe auf und leisten Biografiearbeit. Nach der Entlassung werden sie noch bis zu einem Jahr lang begleitet und betreut, damit sie nicht dem Gruppenzwang durch ihre alten Cliquen nachgeben. Weniger als 30 Prozent der vom Netzwerk Betreuten werden rückfällig – während es bei Jugendlichen in staatlichen Maßnahmen 78 Prozent sind. Der soziale Nutzwert, der sich allein im Jahr 2008 daraus ergibt, beträgt laut Wirkungsanalyse 1,8 Millionen Euro.
Investieren in nachhaltige Projekte.
Das sind eindrucksvolle Zahlen. Sie zeigen, wie sehr die Gesellschaft von der Arbeit einzelner Social Entrepreneurs profitiert. Natürlich – die Social Entrepreneurs dieser Studie sind als Fellows von Schwab und Ashoka aus Hunderten von Bewerbern ausgewählt worden. Sie haben also bewiesen, dass ihr Ansatz nachhaltig ist und sie selbst Durchhaltevermögen haben. Außerdem werden sie von einem Netz an Beratern und Förderern konzeptionell und finanziell unterstützt. Diese Unterstützung lohnt sich: 94 Prozent der Ashoka Fellows können sich und ihre Organisation nach den drei Förderjahren nachhaltig selbst finanzieren.
Andere können von solcher Förderung allerdings nur träumen – von ihnen kann man nicht so hohe Leistungen erwarten. Insofern zeigt die Studie vor allem, wie sehr Wirtschaft und Gesellschaft von Social Entrepreneurs profitieren könnten, wenn sie sie stärker fördern würden. Die Botschaft dieser Studie ist: Die Zukunft des Sozialen liegt nicht in Spenden. Es geht darum, in Soziales zu investieren. Intensiv und nachhaltig.
Die Studie Wissen, was wirkt kann als PDF bei Ashoka Deutschland bezogen werden:
Ashoka Deutschland gGmbH
Felix Oldenburg, Hauptgeschäftsführer
Tel.: 069 7162-5588
E-Mail: foldenburg@ashoka.org
www.ashoka.org/de
Zitate
"Die Zukunft des Sozialen liegt nicht in Spenden. Es geht darum, in Soziales zu investieren. Intensiv und nachhaltig." Annegret Nill "Besser als Spenden"
changeX 02.11.2009. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Annegret NillAnnegret Nill arbeitet als freie Journalistin, Autorin und Moderatorin in Berlin. Sie schreibt als freie Autorin für changeX.
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