Machen, was zu einem passt
Businessplan, Kredit, Wachstum. Ein Dreisprung, der nicht selten zur Landung im Aus führt. Das schnell wachsende Start-up-Unternehmen ist ein Gründungsklischee. Ein falsches Leitbild. Die meisten Gründer sind Selbständige, die in erster Linie unabhängig arbeiten wollen. Und individuell wachsen. Svenja Hofert zeigt, wie.
Businessplan erstellt, Bankkredit erhalten, die Hälfte davon ins Marketing gesteckt, den Rest ins teure Büro - und am Ende des ersten Jahres ist die Gründung gescheitert. Das passiert vielen Gründern, die sich an die gängige Gründerliteratur oder an die Empfehlungen von Gründerprogrammen von Verbänden und der öffentlichen Hand halten. Zumindest nach Erfahrungen der Gründungsberaterin Svenja Hofert. Sie hält diesen Institutionen vor, ein falsches Bild vom Existenzgründer als rastlosem, wachstumsorientiertem Entrepreneur zu promoten.
Sie setzt das Credo des modernen Gründers dagegen, der statistisch gesehen in der ganz großen Mehrzahl der Fälle einfach ein Selbständiger ist. Einer, der nicht der Nachwelt ein Firmenimperium hinterlassen will, sondern einfach in relativer Unabhängigkeit "sein Ding" machen möchte (und natürlich auch Geld verdienen will).
Hofert gießt ihren Ansatz folgerichtig in die "9 Slow-Grow-Regeln". Die setzen darauf, persönliches Wachstum mit unternehmerischem Wachstum in Einklang zu bringen. Schon die Kapitelüberschriften warten mit zahlreichen "Regelverstößen" auf. Zum Beispiel Regel Nummer eins: "Sie müssen keine Unternehmerpersönlichkeit sein! Sondern: Die Art der Selbständigkeit muss zu Ihnen passen." Oder, wie die Autorin weiter schreibt: "Sie müssen weder 60 Stunden pro Woche arbeiten noch BWL studieren noch Führung lernen. Machen Sie einfach, was zu Ihnen passt."
Woraufhin sie dem geneigten Gründungsinteressierten ein Vierfaktorenmodell an die Hand gibt, mit dem sich recht überzeugend das eigene Persönlichkeitsprofil möglichen Tätigkeitsfeldern zuordnen lässt. So sind bei Beratern Persönlichkeit und Kompetenz wichtig, Innovationen dagegen weniger. Letztere braucht es dann, wenn ein Internetportal sich am Markt behaupten soll.
Weitere Regeln sind nicht minder lehrreich. "Falsch: Sie müssen planen. Richtig: Probieren Sie es erst einmal aus." Oder: "Falsch: Sie müssen Bestleistungen bringen. Richtig: Werden Sie immer besser." Vielleicht die wichtigste Regel ist die neunte: "Falsch: Sie müssen wachsen. Richtig: Verändern Sie sich." Dieses Kapitel mündet in Ratschläge, wie man aus der sogenannten Hamsterradphase heraus- und in eine dem Streben nach Unabhängigkeit entsprechende "Veränderungsphase" kommt. Der Ausstieg aus einer solchen Phase kann dann für eine erfolgreiche "Wir machen alles"-Werbeagentur zum Beispiel bedeuten, bestimmte Teile wie Texten oder Webdesign nach außen zu vergeben und selbst nur noch Werbefilme zu machen - und damit richtig zufrieden zu sein.
Hoferts Buch ist keine Beruhigungspille für Leute, die ohne Anstrengung selbständig ihr Geld verdienen wollen. Auf bald jeder Seite betont die Autorin, dass es ohne Arbeit, Fleiß und Disziplin nicht geht. Doch Hofert macht auch klar: Diese Tugenden sind eben kein Selbstzweck. Sie sind Vehikel auf dem Weg zu einer zufriedenen, eigenständigen Existenz. Vorausgesetzt, sie werden klug eingesetzt, und der Gründer folgt keinen Stereotypen und Klischees. Wie dem des notwendigerweise schnell wachsenden Start-up-Unternehmens. Sondern macht sein eigenes Ding.
changeX 27.10.2011. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Svenja Hofert: Das Slow-Grow-Prinzip. Lieber langsam wachsen als schnell untergehen. GABAL Verlag, Offenbach 2011, 280 Seiten, 24.90 Euro, ISBN 978-3-86936-236-6
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Jost BurgerJost Burger ist freier Journalist in Berlin. Er schreibt als freier Mitarbeiter für changeX.
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