Zwischen den Zeilen

Josef W. Seifert: Moderation und Konfliktklärung.
Text: Florian Michl

Dass Menschen nicht immer einer Meinung sind, ist normal. Ein Konflikt beginnt, wenn eine Beziehung diese Differenz nicht aushält. Ein Ratgeber zeigt, wie man solche Kommunikationsblockaden aufbricht.

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Sie stehen im Mittelpunkt dieses Buches: emotionale Kratzer, Narben und Wunden. Wo es schmerzt, dort beginnt der Konflikt: „Wo die Beziehung Differenzen nicht aushält.“ Das ist der Unterschied zur bloßen Meinungsverschiedenheit.
Sagt der Autor Josef W. Seifert, der sich seit seinem Soziologie- und Psychologiestudium mit Konflikt- und Moderationstechniken auseinandersetzt, Bücher darüber veröffentlicht und als Coach Führungskräfte unterstützt. Er gilt zu Recht als Experte auf diesem Gebiet. In seinem neuen Buch Moderation und Konfliktklärung führt er nun auch den Laien in dieses sensible Handwerk ein, operiert es doch überwiegend auf einer Gefühls- oder Beziehungsebene und weniger auf einer Sach- oder Inhaltsebene. Denn im Mittelpunkt steht nicht das, was der Mensch über eine Sache sagt, sondern „wie er das, was er sagt, verstanden haben möchte“. Das erfordert Empathie. Tonfall, Lautstärke, Modulation, Körperhaltung und Blick beschreiben das unausgesprochene Wort: das, was zwischen den Zeilen steht und die Beziehung der beteiligten Personen definiert. Aufgabe des Moderators ist es, einen „Heilungsraum“ für verletzte Beziehungen zur Verfügung zu stellen, sagt Seifert.
Das Wissen, das dazu notwendig ist, findet der Leser in diesem gut strukturierten und gut durchdachten Buch. Vorkenntnisse setzt Seifert nicht voraus: Er liefert die Basics der Konfliktführung, räumt mit typischen Denkfehlern auf (nach einem Konflikt ist es so, wie es einmal war), erklärt den Moderationszyklus und gibt dem Leser verbale und visuelle Kommunikationsmethoden mit auf den Weg. Deren wichtigste: „Fragen“, um zu verstehen, wie die Dinge zusammenhängen. Der Moderator „muss die Balance halten zwischen Aktivieren und Mäßigen, zwischen Wissenwollen, worum es genau geht, was da läuft, dahintersteckt, stört, blockiert ... und penetrantem Nachbohren – ohne dadurch Verhörcharakter und Widerstand zu erzeugen“.


Es könnte auch anders sein


Wenig hilfreich bis kontraproduktiv ist dabei die Frage „Warum?“, erklärt Seifert. Denn: „Warum?“ fragt nach einer kausalen Erklärung für ein Phänomen, einer (Aus-)Wirkung. „Warum?“ fordere ein „Weil!“. Und nimmt damit den Blick dafür, dass etwas auch ganz anders sein könnte als vermutet. Auf der Strecke bleibt dann, worauf es laut Seifert in der Moderation ankommt: den Zwischentönen und Nuancen. Hinzu komme, dass es in multikausalen sozialen Systemen grundsätzlich nicht möglich sei, Ereignisse und auf ihnen basierende Folgeereignisse als Ursache-Wirkungs-Prinzipien zu definieren. Zumindest nicht zweifelsfrei. Was die fünf Buchstaben des „Warum“ allerdings suggerieren, ist, dass ein Schuldiger, ein Sündenbock gesucht wird – der dann Widerstand gegen die gestellte Frage entwickelt. Zu Recht, meint der Autor.
Eine andere Methode, die Zusammenhänge sichtbar zu machen und die emotionalen Narben und Wunden aufzudecken, ist das „Doppeln“ – sinnvoll vor allem dann, wenn die Aussagen der Konfliktparteien sachlich und distanziert ausfallen. „Doppeln“ emotionalisiert. Der Moderator nimmt für eine Partei Stellung und spricht dabei das aus, was seiner Meinung nach gesagt hätte werden müssen. Sei es erklärend, provozierend, selbstreflektierend oder selbstanklagend. Aber Vorsicht: Das Gedoppelte ist lediglich ein Angebot und muss auf seine Richtigkeit überprüft werden, warnt Seifert. Weiterhin geht er auf die Feedback-Technik ein, die Kennzeichen aktiven Zuhörens sowie die verschiedenen Visualisierungsmethoden, sei es die Zwei-Felder-Tafel oder das Problem-Analyse-Schema.
Gleichzeitig beschreibt Seifert Beispiele aus dem Unternehmensalltag, um so die Probleme und Chancen von Konflikten weiter zu verdeutlichen. Zudem geht er in einem umfassenden Kapitel auf jene Theorien ein, die seinen eigenen Gedanken zugrunde liegen beziehungsweise erklären, warum ein Mensch so argumentiert, wie er eben argumentiert. Angefangen bei Widmers Kern-Schalen-Modell, Riemanns Grundformen der Angst und Freuds Abwehr bis hin zu Watzlawicks Axiomen. Damit schafft Seifert ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Praxis und Theorie. Mehr noch: einen Leitfaden, der Heilung verspricht.


changeX 01.02.2010. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Zum Buch

: Moderation und Konfliktklärung. Leitfaden zur Konfliktmoderation. GABAL Verlag, Offenbach 2009, 158 Seiten, ISBN 978-3-86936-011-9

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Autor

Florian Michl
Michl

Florian Michl schreibt als freier Autor für changeX.

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