Die Seele des Verkäufers
Der entscheidende Punkt bei der Kaltakquise ist der kalte Schweiß des Akquisiteurs. Dieser Ratgeber mogelt sich nicht mit flotten Sprüchen über diese Einsicht hinweg, sondern stellt sich diesem Thema: der Angst vor dem Kunden. Sie zu überwinden ist der erste Schritt zum Erfolg. Die Botschaft: Akquisition kann man lernen.
Es mangelt ja nicht an Büchern zum Thema Akquise, schon gar nicht zu deren höchster und zugleich gefürchtetster Form, der Kaltakquise. Amazon.de listet über 2.000 lieferbare Titel zum Thema auf. Die Krux: Zu viele dieser Werke erschöpfen sich in akademischen Betrachtungen zu Themen wie „Dem Kunden Vertrauen verkaufen“, ohne zu sagen, wie das denn genau gehen soll. Andere wiederum referieren im schmissigen Dealer-Ton Altbekanntes und verbreiten jene „Tricks und Kniffe für das Kundengespräch“, die einem dann als aufgesagte Sprüchlein ungeschickter oder wenig berufener Verkäufer begegnen. Wer öfters versucht, einfach nur ein Paket auf der Post aufzugeben, weiß, was gemeint ist.
Was all diesen Büchern fehlt, ist die Behandlung des großen Generaltabus, das so vielen Akquisiteuren das Leben schwer macht: Angst. Der ganze Psychokram. Die Tatsache, dass es einfach schrecklich ist, wildfremden Menschen etwas verkaufen zu müssen.
Da hebt sich Carmen Schöns Buch wohltuend von der Masse ab. Die Ex-Moderatorin und Ex-Firmengründerin (freenet.de) arbeitet seit einigen Jahren als „Erfolgscoach“ und geht gleich zu Beginn ihres Buches Kaltakquise – der direkte Weg zum Kunden in die Vollen. Sie schreibt: „Tatsache ist, dass es für viele Menschen eine größere Hürde darstellt, auf potenzielle Kunden zuzugehen, die sie noch nie gesehen oder gesprochen haben.“
Akquisition kann jeder erlernen
Für sie ist klar, dass vor aller Kaltakquise diese Wahrheit ausgesprochen – und dann zügig angegangen werden muss. Denn bei aller Aufgeschlossenheit gegenüber langen „Psychoausführungen“, wie sie selbst es nennt, mangelt es ihr nicht an der typischen fröhlich-positiven Machbarkeitsorientierung erfolgreicher Selbstständiger: „Akquisition kann jeder erlernen. Voraussetzung sind der Wille, es können zu wollen, und ein starkes Durchhaltevermögen.“ Dem zukünftigen Starakquisiteur, ob selbständig oder angestellter Vertriebsmitarbeiter, stellt sie eine fünfsprossige Leiter hin, die – und darauf legt sie Wert – konsequent von der ersten bis zur letzten Stufe erklommen werden soll.
Die erste dieser Sprossen der Akquisitionsleiter ist für Schön die richtige Vorbereitung. Hier geht es nicht um die üblichen wertvollen Empfehlungen, potenzielle Kunden vor dem ersten Cold Call erst einmal gründlich zu recherchieren, Papier und Bleistift bereitzuhalten und sich ansonsten aufrecht hinzusetzen. Nein, zunächst einmal ist Psychologie angesagt. Denn zur Vorbereitung gehört für Carmen Schön zum Beispiel, die inneren Einstellungen zu überprüfen.
„Sträuben Sie sich unbewusst dagegen, Kunden kalt anzusprechen, dann werden Sie immer Mittel und Wege finden, nicht zu handeln.“ Da helfen auch die tollsten Verkaufsinstrumente nichts. Wer würde hier widersprechen? Seltsam, dass dennoch so wenige Ratgeber auf dieses Problem eingehen. Carmen Schön lässt uns dagegen erst einmal an unseren Einstellungen arbeiten, sie nennt sie Glaubenssätze. Zum Beispiel: „Kaltakquisition ist nur etwas für Menschen, die nichts zu bieten haben“. Solch einen Glaubenssatz gilt es zu hinterfragen, sprich an der Wirklichkeit zu überprüfen, und ihn dann zu ändern. Außerdem macht Schön klar: Solche Glaubenssätze sollen uns schützen – vor der Ablehnung durch den garstigen Kunden zum Beispiel. Dann muss man sich eben „positive“ Glaubenssätze suchen, die den gleichen Schutz bieten und uns zugleich zur Akquise animieren – zum Beispiel: „Manche Kunden brauchen eben etwas länger, um zu kapieren, dass ich tolle Sachen anbiete. Weitermachen!“
Praxis im Blick
Das mag etwas simpel klingen, liest sich aber überzeugend und flott, ohne oberflächlich zu wirken. Carmen Schöns Buch gehört zu den Ratgebern, die entweder ein gutes Lektorat genossen haben oder schlicht von berufener Hand geschrieben wurden. Oder beides. Vielleicht liegt es ja auch an Carmen Schöns Erfahrung als Moderatorin.
Aber natürlich kommt die Praxis nicht zu kurz. Nachdem auf Sprosse zwei „Klärung des Selbstverständnisses als Anbieter“ die Frage erörtert wird, inwieweit der Verkaufsadept wirklich hinter seinem Produkt steht, und auf Sprosse drei „Auswahl der Kunden“ einiges zum Thema Zielgruppe gesagt wird, wartet das Buch mit Sprosse vier „Einsatz professioneller Akquisitionswerkzeuge“ mit dem auf, was sich hoffnungsvolle Topvertriebler von einem Ratgeber wünschen. Vom Handzettel bis zum Fachmagazinbeitrag, vom Messebesuch bis zum Kundenseminar werden alle klassischen Akquiseinstrumente beleuchtet und mit einer Fülle an Detailtipps dargestellt und bewertet.
Wie in den anderen Kapiteln auch folgen alle paar Seiten Checklisten, Kästen und Aufgaben zum Selbstlernen. Das Kapitel bildet den größten Teil des Buches, und wer sich traut, kann auch gleich dorthin blättern. Die Autorin weist allerdings recht überzeugend darauf hin, dass man die drei vorhergehenden Schritte tunlichst ebenfalls beachten solle.
Vor dem Erfolg kommt die psychische Stabilisierung
Und die fünfte Sprosse? Der Erfolg, möchte man meinen. Doch nein. Vor den hat nicht nur der Herrgott den Schweiß gesetzt, sondern die Autorin auch etwas, das sie „Psychische Stabilisierung“ nennt. Dahinter steckt nichts anderes als der Umgang mit Absagen und unfreundlichen Gesprächspartnern – und das Lernen aus Situationen, die zunächst wie Niederlagen aussehen. Dass Carmen Schön auch dieses Thema nicht ausklammert und es zugleich schafft, das sprachliche und inhaltliche Niveau zu halten, ist ein weiterer Pluspunkt ihres Buches – und definitiv ein Grund, sich ihren Leitfaden auf den Schreibtisch zu legen.
Denn: Akquisition kann jeder erlernen. Wenn er es denn richtig angeht.
changeX 05.07.2010. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Carmen Schön: Kaltakquise. Der direkte Weg zum Kunden. GABAL Verlag, Offenbach 2010, 160 Seiten, ISBN 978-3-86936-067-6
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Jost BurgerJost Burger ist freier Journalist in Berlin. Er schreibt als freier Mitarbeiter für changeX.