Die Wahrheit beginnt zu zweit

Kommunikation als Lebenskunst - das neue Buch von Bernhard Pörksen und Friedemann Schulz von Thun
Rezension: Lena Bulczak

Zwei Kommunikationskoryphäen tauchen ein in einen lockeren Dialog über die Kunst des Zuhörens, die Normalität des Missverständnisses und die Macht der Situation. Heraus kommen nicht etwa Fertigrezepte der Lebenskunst, sondern faszinierende Denkfiguren, die auf der Suche nach einer stimmigen Lebensführung helfen können.

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Friedemann Schulz von Thun hat geschafft, was nur wenigen deutschen Wissenschaftlern gelingt: Mit der Kommunikationspsychologie erfand der 70-jährige Psychologieprofessor nicht nur sein eigenes Fachgebiet und verkaufte Fachbücher in Bestsellerauflage, seine lebenspraktischen Modelle sind heute auch Standard in Schulunterricht und Managementweiterbildung. Nun präsentiert er in Kommunikation als Lebenskunst. Philosophie und Praxis des Miteinander-Redens die Quintessenz seiner Erkenntnisse in lockerer Frage-Antwort-Form.  

Aber ist nicht alles längst hinlänglich bekannt? Mag sein. Und tatsächlich hat Miteinander reden: Fragen und Antworten aus dem Jahr 2007 ein ähnliches Konzept. Doch dort befragt Schulz von Thun sich selbst. In Kommunikation als Lebenskunst hingegen treten mit Bernhard Pörksen und Schulz von Thun zwei Kommunikationskoryphäen in den Dialog über die Kunst des Zuhörens, die Normalität des Missverständnisses und die Macht der Situation. So entsteht eine Atmosphäre, in der der Leser sich dabei ertappen wird, wie er hin und wieder selbst das Wort ergreifen und in Streitfragen Position beziehen will. Die neue Form ist spannend.


Dialog im Dreischnitt


Der Dialog entfaltet sich als Dreischnitt: Zu Anfang geht es um die "großen Fragen", die zentralen Modelle der Kommunikationspsychologie. Bei den "konkreten Fragen" wird die Übertragung der Modelle auf einzelne Anwendungsfelder diskutiert. Führungskräftecoaching, Pädagogik oder interkulturelle Kommunikation. Der Band schließt mit den "letzten Fragen", wie: "Was will ich vom Leben und was will das Leben von mir?"  

Dabei grenzen sich die Gesprächspartner bewusst ab von den "zahllosen Glücks- und Simplify-Ratgebern". Sie wollen keine "Fertigrezepte der Lebenskunst" verkünden, sondern ein "gedankliches Geländer" bieten "für eine sinnvolle eigene, unvermeidliche Suchbewegung, die die Kommunikation mit sich selbst, den eigenen inneren Stimmen und die Kommunikation mit anderen zur Lebenskunst reifen lassen kann." Wer sich auf diesen Dialog einlässt, findet in diesem Buch mehr als in jedem Ratgeber. Die präsentierten Modelle sind letztlich "wie eine Taucherausrüstung", um mit langem Atem nach eigenen Antworten auf die großen Lebensfragen zu fahnden. Über ihnen steht stets das Meta-Ideal der Stimmigkeit: "Es geht um die Ermutigung zu einer Lebensführung, die für mich und in meiner besonderen Situation wesensgemäß und schicksalsgerecht ist."


Persönliche Einblicke


Die Professoren nehmen die Leser mit auf eine amüsante Zeitreise durch Schulz von Thuns Wirken bis hin zu seinen frühen Mentoren und Ideengebern wie Paul Watzlawick, der den bekennenden Eklektiker samt Kollegen einst warnte: "Macht kein Gulasch!" Persönliche Einblicke eingeschlossen, wie das Geständnis, dass Schulz von Thun vor allem deshalb so gerne Zeichnungen nutzt, weil er einen "Dummie" in sich hat, "ein zwölf Jahre altes Kind, dem es mitunter schwerfällt zu folgen" und der deshalb in der Schule auch schon einmal sitzen geblieben ist. Vor allem aber ist das Buch eine Hommage an gelungene Kommunikation, eine energetische Verbindung, "die etwas entstehen lässt, das man alleine gar nicht zustande bringen könnte". Damit stehen die Autoren bewusst im dialogischen Credo Nietzsches, nämlich dass die Wahrheit zu zweit beginnt.  


Zitate


"Statt fertiger Antworten haben wir eine Heuristik zu bieten, im Sinne einer Kunst des Herausfindens." Bernhard Pörksen, Friedemann Schulz von Thun: Kommunikation als Lebenskunst

"Wenn ich dieses Gespräch auf eine einzige Schlussfolgerung reduzieren müsste, dann würde ich sagen: Friedemann Schulz von Thun wirbt in seinem Denken und in seiner Kommunikationsphilosophie um Versöhnung." Bernhard Pörksen, in: Bernhard Pörksen, Friedemann Schulz von Thun: Kommunikation als Lebenskunst

"Wer sich selbst versteht, kommuniziert besser." Bernhard Pörksen, Friedemann Schulz von Thun: Kommunikation als Lebenskunst

"Wer das Stimmigkeitsprinzip ernst nimmt, kann keine Verhaltensschablonen mehr empfehlen - und wenn man doch einmal ein Rezept präsentiert, so bleibt dies der Selbsterarbeitung überlassen." Bernhard Pörksen, Friedemann Schulz von Thun: Kommunikation als Lebenskunst

 

changeX 02.10.2014. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Zum Buch

: Kommunikation als Lebenskunst. Philosophie und Praxis des Miteinander-Redens. Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2014, 217 Seiten, 24.95 Euro, ISBN 978-3-8497-0049-2

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Autorin

Lena Bulczak
Bulczak

Lena Bulczak ist freie Journalistin in Berlin. Sie schreibt als freie Mitarbeiterin für changeX.

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