Eine Sache Europas

Rettet den Euro! - das neue Buch von Martin Hüfner
Text: Jost Burger

Hätten wir die D-Mark doch wieder! Nostalgische Anwandlungen wie diese haben durchaus Chancen im politischen Diskurs. Ein Volkswirt bringt nun Klarheit ins Euro-Durcheinander: Wir brauchen den Euro. Vor allem aber brauchen wir Europa - endlich als echte Union!

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Martin Hüfner ist ein Mann der klaren Worte. Nur weil elf Millionen Griechen sich nicht an die Regeln gehalten haben, kommt eine bis dahin gut funktionierende Währung ins Straucheln? "Das ist ungefähr so, wie wenn die D-Mark gekippt wäre, nur weil Bremen mehr Geld gebraucht hätte", schreibt er im Vorwort seines Buches Rettet den Euro! Klingt tatsächlich verrückt. Und den Durchblick in der aktuellen Euro-Krise dürften viele Zeitgenossen schon längst verloren haben.  

Auch Hüfner, der frühere Chefvolkswirt von Bayerischer Vereinsbank und HypoVereinsbank, jetzt bei der Assenagon-Gruppe, schreibt: "Dieses Buch entstand, weil ich den Euro nicht mehr verstand. Jeder sagt etwas anderes. Wie soll man sich da noch zurechtfinden?"  

Sagen die einen den baldigen Absturz der Gemeinschaftswährung voraus, sehen die anderen den Euro als bald zweitwichtigste Geldreserve in einem globalen multipolaren Währungssystem. Manche sagen, es gehe bei der Euro-Krise nur um drei kleine, relativ unbedeutende Länder, "aber gleichzeitig wenden die Regierungen und Zentralbanken die unvorstellbare Summe von 1.000 Milliarden auf, um den Euro zu retten".


Die nicht ganz so heile D-Mark-Welt


So geht das nicht weiter, findet Hüfner, und bringt Licht ins Dunkel. Detail- und kenntnisreich beschreibt er den Weg zum Euro, sehr kritisch den Weg in die aktuelle Krise. Ausgewogen und unaufgeregt spielt er Szenarien durch, die in letzter Zeit wieder en vogue sind.
Zum Beispiel: Hätte Deutschland doch die D-Mark behalten! ... na ja, so heil war die D-Mark-Welt auch nicht; die Teuerungsrate etwa lag deutlich über der der Euro-Zeit, und die Bundesbank war vor 1999 schon abhängig vom Europäischen Währungssystem.
Zum Beispiel: Hätten wir die D-Mark doch wieder! ... gar nicht gut: Riesiger Aufwand, Aufwertung gegenüber anderen Währungen, und überhaupt gehört Gemeinschaftswährungen die Zukunft.  

Ein blinder Verfechter des Euros ist Hüfner dennoch nicht. Mit ökonomischen Argumenten legt er ebenso überzeugend dar, dass sich unsere Exportwirtschaft ohne Euro genauso positiv entwickelt hätte - aus einem einfachen Grund: Exportiert wird dorthin, wo am meisten Gewinn gemacht wird. Und das ist zunehmend außerhalb Europas, nämlich in China, Umrechnungsverluste in andere Währungen hin oder her.  

Klar wird: Hüfner ist für den Euro. Aber nicht in der jetzigen Form. Seine Argumentation ist klar und einfach: Wir brauchen den Euro. Erstens, weil es uns ohne ihn nicht besser, sondern eher schlechter geht. Zweitens, weil er das Einzige ist, was Europa noch zusammenhält. Europa wiederum brauchen wir, weil die Zeit der Nationalstaaten vorbei ist: politisch, da weder China noch die USA einen zersplitterten europäischen Kontinent ernst nehmen, wirtschaftlich angesichts einer globalen Wirtschaft, die von einem multipolaren System weniger großer Währungen geprägt sein dürfte.


Nicht ohne gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik


In seiner jetzigen Form aber klappt es nicht mit Europa und dem Euro. Nationalismen prägen die europäische Diskussion. Der Euro wird schlechtgeredet. Aber vor allem: Eine Währungsunion ohne gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik kann nicht funktionieren. Was wir brauchen, ist eine Fiskalunion.  

Was das bedeutet - und zwar vor allem für die Souveränität der europäischen Staaten -, daran erinnert Hüfner sehr deutlich. Denn es ist klar, dass eine europäische Wirtschaftsregierung in die Arbeitsmärkte der Staaten eingreifen muss. Es braucht natürlich einen Mechanismus, der zu große Lohnsteigerungen in einzelnen Regionen verhindert, weil das die Geldwertstabilität im gesamten Raum gefährdet. Natürlich muss eine Bankenaufsicht gesamteuropäisch handeln. Und natürlich muss es eine zentrale Institution geben, die Immobilienblasen wie in Spanien durch Interventionen, etwa in die Zinspolitik, verhindert.  

Deshalb ist dies ein wichtiges Buch zur rechten Zeit: ein Buch, das inmitten schäumender Debatten ruhig, pragmatisch und klar die Wahrheit ausspricht. Das klug, abwägend, ohne die Augen vor Problemen zu verschließen, sagt: "Das wirkliche Problem ist: Der Euro und Europa passen nicht zusammen." Der Euro sei die Währung der Vereinigten Staaten von Europa, nicht die "einer Horde wildgewordener Nationalstaaten, die möglichst wenig miteinander zu tun haben wollen". Deshalb ist dies ein Buch nicht nur über den Euro, sondern vor allem über Europa.  

Hüfner, der Volkswirt, erinnert daran, dass es bei der Idee Europa längst um mehr als um eine Wirtschaftsunion geht. Er zitiert Sarkozy und sein Plädoyer für die EU als Friedensstifter und Wohlstandswahrer. Gerade weil sie das sei, gelte: "Die Rettung des Euros ist nicht nur eine Sache der Ökonomen und der Geldpolitiker. Sie ist eine Sache aller Menschen. Sie ist eine Sache Europas." Und im Übrigen: "Wir haben A zum Euro gesagt. Jetzt müssen wir auch B zu Europa sagen. Man kann nicht eine europäische Währung haben, aber weiterhin in einem Nationalstaat leben wollen. Das passt nicht."


Europa wird zu einer echten Union - oder es scheitert


Damit führt Hüfner die Diskussion wieder ins Essenzielle, dahin, wo sie schon einmal war - bevor die Idee einer europäischen Verfassung an den Egoismen einzelner Staaten (und deren Bürger!) scheiterte. Er erinnert daran, dass der Euro nicht automatisch mit noch einem und noch einem Rettungsschirm gerettet wird. Dass ein bisschen Fiskalunion nicht geht. Daran, dass sich die Frage nach den Vereinigten Staaten von Europa eigentlich gar nicht mehr stellen dürfte. Entweder wird Europa zu einer echten Union - oder es scheitert. Daran würde man die europäischen Staatenlenker, aber auch Euro-Kritiker wie Olaf Henkel, in diesen Tagen gerne erinnern.  



changeX 08.09.2011. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Zum Buch

: Rettet den Euro!. Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen. Murmann Verlag, Hamburg 2011, 280 Seiten, 21.90 Euro, ISBN 978-3-86774-149-1

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Jost Burger
Burger

Jost Burger ist freier Journalist in Berlin. Er schreibt als freier Mitarbeiter für changeX.

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