Ökonomie des Vertrauens
Schnelligkeit durch Vertrauen. Das neue Buch von Stephen M. R. Covey.
Von Florian Michl
Wie wichtig Vertrauen ist, merkt man oft erst, wenn es zerbrochen ist. Und plötzlich Störungen in eingespielten Prozessen auftreten. Zwischen Vertrauen, Kosten und Handlungsschnelligkeit besteht ein unmittelbarer Zusammenhang, sagt ein amerikanischer Bestsellerautor. In seinem Buch zeigt er, wie man Vertrauen aufbaut - von der persönlichen bis zur globalen Ebene. / 02.07.09
M. R. Covey CoverDie Terroranschläge vom 11. September 2001 haben die Welt verändert. Auch unsere Einstellung zu Flugreisen: Danach galt Fliegen als riskant, Sicherheitsvorkehrungen galten als unzureichend. Die Folge dieses Vertrauensverlustes: "Um die Sicherheit und das Vertrauen zum Fliegen zu vergrößern, wurden die Kontrollen erheblich verschärft. Das hatte zwar den gewünschten Effekt, doch heute dauern meine Flugreisen wesentlich länger und kosten deutlich mehr. Mit anderen Worten: Als das Vertrauen abnahm, sank die Schnelligkeit und die Kosten stiegen." Sagt der amerikanische Autor und Berater Stephen M. R. Covey in seinem Buch Schnelligkeit durch Vertrauen, das bereits 2006 unter dem Titel The Speed of Trust in Amerika erschienen ist und dort ein Bestseller ist. Nun liegt es in einer ausgezeichneten Übersetzung von Ingrid Proß-Gill vor.
Anhand solcher einfachen Beispiele erklärt Covey die Ökonomie des Vertrauens: Dort, wo Vertrauen wächst, steigt die Geschwindigkeit und die Kosten sinken. Das leuchtet ein. Nur, was wäre die Alternative gewesen? Hätte die Luftfahrtbranche "blind" darauf vertrauen sollen, dass es keine weiteren Anschläge gibt? Darauf gibt der Autor keine Antwort. Er macht mit diesem Beispiel aber eines deutlich: Vertrauen ist ein messbarer ökonomischer Faktor. Und nicht bloß eine soziale Tugend. Das Beispiel zeigt, dass zwischen Vertrauen, Kosten und Handlungsschnelligkeit ein unmittelbarer Zusammenhang besteht: Vertrauen ist viel Geld wert und darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Das ist Coveys Botschaft. In welchem Verhältnis Vertrauen allerdings zu Misstrauen und "blindem Vertrauen" steht, thematisiert Covey nur auf wenigen Buchseiten.

Charakter und Kompetenz.


Der Schwerpunkt seines Buches liegt woanders. Auf mehr als drei Vierteln der Buchseiten schildert der Autor ebenso differenziert wie detailliert, wie Vertrauen überhaupt entsteht: Vertrauen zu sich selbst (Selbstvertrauen), Vertrauen zum anderen Menschen (Beziehungsvertrauen), zum Unternehmen (Organisationsvertrauen), zum Markt (Marktvertrauen) sowie zur Gesellschaft (Gesellschaftsvertrauen). Diese fünf Ebenen strukturieren gleichzeitig das Buch. Und sie sind Metapher dafür, wie Vertrauen in unserem Leben funktioniert, sagt Covey: "Es beginnt bei jedem von uns persönlich, setzt sich in allen unseren Beziehungen fort, dehnt sich dann auf unser Unternehmen und unsere Beziehungen im Markt aus und umfasst schließlich unsere gesamte globale Gesellschaft." Daher der logische Schluss: Wenn wir bei anderen Vertrauen aufbauen wollen, müssen wir zunächst bei uns selbst anfangen.
Und das heißt zuallererst, glaubwürdig zu sein, sagt der Autor. Darüber bestimmen vier Faktoren, von denen zwei dem Charakter zuzuschreiben sind, Integrität und Absicht, zwei unseren Kompetenzen, Fähigkeit und Ergebnis. Diese vier Faktoren bestimmen darüber, wie wir uns selbst wahrnehmen beziehungsweise die anderen. Und sie durchdringen auch die übrigen Vertrauensebenen. Sie reichen also vom Ich bis zur Gesellschaft. Die erste Grundlage von Glaubwürdigkeit ist Integrität. Sie bedeutet, dass "zwischen den Worten und dem Handeln Übereinstimmung besteht". Zudem wächst Vertrauen, wenn "unsere Absichten ehrlich sind und auf dem festen Willen beruhen, allen Beteiligten Vorteile zu beschaffen". Dazu gehört aber auch, über Fähigkeiten zu verfügen, die vertrauenserweckend sind: unsere Talente, Einstellungen und Fertigkeiten sowie unser Wissen. Letztendlich sind diese aber nutzlos, wenn nicht die Ergebnisse unseres Handelns positiv ausfallen. Daran lässt Covey keinen Zweifel: Es bedarf aller vier Faktoren, um glaubwürdig und damit vertrauensvoll zu sein. Denn wenn jemand "nur" integer ist, "aber nicht die anderen drei Grundlagen besitzt, mag er zwar ein 'netter Kerl' und grundehrlicher Mensch sein, aber man wird ihm nicht zutrauen, dass er Außergewöhnliches leisten kann".

Vertrauen erarbeiten.


Gleichzeitig räumt Covey damit mit der Vorstellung auf, dass man Vertrauen hat oder eben nicht. Denn jeder der Faktoren ist beeinflussbar und damit veränderbar. Vertrauen kann man sich erarbeiten und verdienen, wenn man an den richtigen Schrauben dreht. Welche das sind, skizziert der Autor deutlich und gibt dem Leser auf jeder Ebene Regeln mit an die Hand. Beispielsweise: "Erst zuhören", "Transparenz schaffen" oder "ehrlich sein". Zudem veranschaulicht er jeden seiner Gedanken mit persönlichen Erlebnissen und Anekdoten. Das ist typisch amerikanisch, wirkt bei Covey aber nicht aufgesetzt. Zudem ist das Buch mit Zitaten von Persönlichkeiten gespickt wie Warren Buffett, Jack Welch, Tom Peters, Peter F. Drucker, Albert Einstein oder Bill Gates. Und sogar Kapitän Jack Sparrow aus Fluch der Karibik kommt darin zu Wort, um auf humorvolle Weise zu erklären, was Vertrauen ausmacht: "Ich bin unehrlich und bei unehrlichen Menschen kann man sich immer darauf verlassen, dass sie unehrlich sind ... ehrlich!" Fazit: Trotz mancher Untiefen ein lesenswertes Buch.

Florian Michl ist freier Mitarbeiter bei changeX.

Stephen M. R. Covey mit Rebecca R. Merrill:
Schnelligkeit durch Vertrauen.
Die unterschätzte ökonomische Macht.

Gabal Verlag, Offenbach 2009,
376 Seiten, 29.90 Euro.
ISBN 978-3-89749-908-9
www.gabal-verlag.de

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: Schnelligkeit durch Vertrauen. Die unterschätzte ökonomische Macht.. GABAL Verlag, Offenbach 2009, 376 Seiten, ISBN 978-3-89749-908-9

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Florian Michl schreibt als freier Autor für changeX.

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