Anhand solcher einfachen Beispiele erklärt Covey die Ökonomie des Vertrauens: Dort, wo Vertrauen wächst, steigt die Geschwindigkeit und die Kosten sinken. Das leuchtet ein. Nur, was wäre die Alternative gewesen? Hätte die Luftfahrtbranche "blind" darauf vertrauen sollen, dass es keine weiteren Anschläge gibt? Darauf gibt der Autor keine Antwort. Er macht mit diesem Beispiel aber eines deutlich: Vertrauen ist ein messbarer ökonomischer Faktor. Und nicht bloß eine soziale Tugend. Das Beispiel zeigt, dass zwischen Vertrauen, Kosten und Handlungsschnelligkeit ein unmittelbarer Zusammenhang besteht: Vertrauen ist viel Geld wert und darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Das ist Coveys Botschaft. In welchem Verhältnis Vertrauen allerdings zu Misstrauen und "blindem Vertrauen" steht, thematisiert Covey nur auf wenigen Buchseiten.
Charakter und Kompetenz.
Der Schwerpunkt seines Buches liegt
woanders. Auf mehr als drei Vierteln der Buchseiten schildert der
Autor ebenso differenziert wie detailliert, wie Vertrauen
überhaupt entsteht: Vertrauen zu sich selbst (Selbstvertrauen),
Vertrauen zum anderen Menschen (Beziehungsvertrauen), zum
Unternehmen (Organisationsvertrauen), zum Markt (Marktvertrauen)
sowie zur Gesellschaft (Gesellschaftsvertrauen). Diese fünf
Ebenen strukturieren gleichzeitig das Buch. Und sie sind Metapher
dafür, wie Vertrauen in unserem Leben funktioniert, sagt Covey:
"Es beginnt bei jedem von uns persönlich, setzt sich in allen
unseren Beziehungen fort, dehnt sich dann auf unser Unternehmen
und unsere Beziehungen im Markt aus und umfasst schließlich
unsere gesamte globale Gesellschaft." Daher der logische Schluss:
Wenn wir bei anderen Vertrauen aufbauen wollen, müssen wir
zunächst bei uns selbst anfangen.
Und das heißt zuallererst, glaubwürdig zu sein, sagt der
Autor. Darüber bestimmen vier Faktoren, von denen zwei dem
Charakter zuzuschreiben sind, Integrität und Absicht, zwei
unseren Kompetenzen, Fähigkeit und Ergebnis. Diese vier Faktoren
bestimmen darüber, wie wir uns selbst wahrnehmen beziehungsweise
die anderen. Und sie durchdringen auch die übrigen
Vertrauensebenen. Sie reichen also vom Ich bis zur Gesellschaft.
Die erste Grundlage von Glaubwürdigkeit ist
Integrität. Sie bedeutet, dass "zwischen den Worten und
dem Handeln Übereinstimmung besteht". Zudem wächst Vertrauen,
wenn "unsere
Absichten ehrlich sind und auf dem festen Willen beruhen,
allen Beteiligten Vorteile zu beschaffen". Dazu gehört aber auch,
über
Fähigkeiten zu verfügen, die vertrauenserweckend sind:
unsere Talente, Einstellungen und Fertigkeiten sowie unser
Wissen. Letztendlich sind diese aber nutzlos, wenn nicht die
Ergebnisse unseres Handelns positiv ausfallen. Daran lässt
Covey keinen Zweifel: Es bedarf aller vier Faktoren, um
glaubwürdig und damit vertrauensvoll zu sein. Denn wenn jemand
"nur" integer ist, "aber nicht die anderen drei Grundlagen
besitzt, mag er zwar ein 'netter Kerl' und grundehrlicher Mensch
sein, aber man wird ihm nicht zutrauen, dass er Außergewöhnliches
leisten kann".
Vertrauen erarbeiten.
Gleichzeitig räumt Covey damit mit der Vorstellung auf, dass man Vertrauen hat oder eben nicht. Denn jeder der Faktoren ist beeinflussbar und damit veränderbar. Vertrauen kann man sich erarbeiten und verdienen, wenn man an den richtigen Schrauben dreht. Welche das sind, skizziert der Autor deutlich und gibt dem Leser auf jeder Ebene Regeln mit an die Hand. Beispielsweise: "Erst zuhören", "Transparenz schaffen" oder "ehrlich sein". Zudem veranschaulicht er jeden seiner Gedanken mit persönlichen Erlebnissen und Anekdoten. Das ist typisch amerikanisch, wirkt bei Covey aber nicht aufgesetzt. Zudem ist das Buch mit Zitaten von Persönlichkeiten gespickt wie Warren Buffett, Jack Welch, Tom Peters, Peter F. Drucker, Albert Einstein oder Bill Gates. Und sogar Kapitän Jack Sparrow aus Fluch der Karibik kommt darin zu Wort, um auf humorvolle Weise zu erklären, was Vertrauen ausmacht: "Ich bin unehrlich und bei unehrlichen Menschen kann man sich immer darauf verlassen, dass sie unehrlich sind ... ehrlich!" Fazit: Trotz mancher Untiefen ein lesenswertes Buch.
Florian Michl ist freier Mitarbeiter bei changeX.
Stephen M. R. Covey mit Rebecca R. Merrill:
Schnelligkeit durch Vertrauen.
Die unterschätzte ökonomische Macht.
Gabal Verlag, Offenbach 2009,
376 Seiten, 29.90 Euro.
ISBN 978-3-89749-908-9
www.gabal-verlag.de
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