Mit dem Kunden verbunden

Vertrieb geht heute anders - das neue Buch von Andreas Buhr
Text: Jost Burger

Vertrieb? Sind das nicht die Leute, die einem Sachen andrehen wollen, die man eigentlich nicht will? Vertriebsprofi Andreas Buhr packt die Profession bei ihrem verstaubten Image. Holt die Vertriebler ab, wo sie festgewurzelt stehen. Und macht deutlich, wo die Herausforderungen liegen: Der Kunde will mitreden, mitgestalten und verbunden sein.

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Das Internetzeitalter hat uns nicht nur E-Mail, YouTube-Stars und Social Media bis zum Abwinken beschert. Es gab uns auch Begriffe mit Versionsnummern. Esther Dyson fing mit ihrem Buch Release 2.0 an. Mittlerweile soll es auch Leute geben, die ihre ständig wechselnden Liebschaften mit Versionsnummern belegen. Die Nomenklatur der IT findet Anwendung in der echten Welt. Und jetzt also der "Kunde 3.0". So nennt Andreas Buhr den von dem Internetzeitalter geprägten neuen Kunden. Er heißt nach dem Internet, dort lebt er auch. Aber nicht nur - es geht vom Netz in die echte Welt.  

Andreas Buhr gilt als einer der großen "Vertriebspäpste" in Deutschland. Anders als der Kollege in Rom verschließt er aber nicht die Augen vor den sich ändernden Zeitläuften. Vertrieb geht heute anders. Wie Sie den Kunden 3.0 begeistern handelt gewissermaßen von einem neuen Zeitalter des Vertriebs. Der ist, wie es im Geleitwort von Hermann Simon heißt, so alt wie die Menschheit - aber, um auf die Versionsnummern zurückzukommen, es gibt ein neues Release.


Zukunft des Vertriebs


Das Schöne an diesem Buch: Es erweckt in Titel und Gestaltung zunächst den Eindruck, man habe es hier mit einer Anleitung zu tun, wie den Digital Natives Dinge anzudrehen seien. Immerhin kann der Leser per QR-Code-Scanner-App "weiterführende Informationen" in der Marginalspalte abrufen.  

Aber das ist eben nur der erste Eindruck. "Es geht um die Zukunft des Vertriebs", schreibt Buhr, und wer das Buch liest, dem wird klar: Diese Zukunft wird nicht durch Menschen bestimmt, die ständig mit dem Smartphone in der Hand auf Schnäppchenjagd sind. "Das Web 2.0 ist kein Allheilmittel, sondern ein ergänzendes Hilfsmittel für Ihre Kundenansprache", schreibt Buhr. Die Zukunft des Vertriebs wird bestimmt von jenem Typus Mensch, der als Vorstellung schon seit vielen Jahren durch Vertriebsseminare geistert, dem man aber erst jetzt eine Existenz zuspricht: der König Kunde.  

Informierten Zeitgenossen ist schon länger klar, dass potenzielle Kunden keine Dummköpfe sind, denen man etwas aufschwätzen kann; dass Kunden beim Betreten eines Autohauses sofort Aufmerksamkeit wünschen; dass sich rasend schnell herumspricht, wenn ein Service oder ein Produkt nichts taugt; dass Schnäppchenjagd nicht die Zukunft ist; dass Unternehmen dem Untergang geweiht sind, die ihre Kunden nicht ernst nehmen. Und dass überhaupt dieser "Kunde der Zukunft" nicht lebt, um zu shoppen, sondern kauft, um zu leben - um sich auszudrücken. Buhr beschreibt, wie wichtig die Mitwirkung der Kunden an der Produktgestaltung ist, wie sehr es darauf ankommt, zufriedene Kunden als Markenbotschafter zu gewinnen, und wie durchdigitalisiert und immer online die "Welt 3.0" ist und sich deshalb in eine 24/7-Welt für den Vertrieb wandelt. Doch: Kommen da nicht lauter Selbstverständlichkeiten zur Sprache?


Das müsstet ihr langsam kapiert haben!


Nun ja. Haben Sie in letzter Zeit einmal versucht, Ihren Telefon- und Internetprovider zu wechseln? Hegen Sie seitdem noch warme Gefühle sowohl für den alten als auch für den neuen Dienstleister? Nein? Sehen Sie, deshalb sollten alle Vertriebsleute dieser Welt Buhrs Buch lesen - um endlich zu verstehen, dass man so mit dem Kunden der Zukunft einfach nicht mehr umspringen kann. Buhr setzt an bei der real existierenden Vertriebswelt. Und macht klar: Das müsstet ihr langsam kapiert haben! 

Zum Beispiel: Schauen wir uns doch einmal die ehrwürdige deutsche Marke Märklin an. Buhr erwähnt sie als Beispiel für ein Opfer überholter Vertriebsmodelle. Wie viele Firmen fuhren vor die Wand, weil sie sich auf jahrzehntelang bewährte Vertriebsstrukturen verließen? Weil sie nicht merkten, dass ihre Produkte keinen Markt mehr fanden und sie nicht mit der Welt auf Augenhöhe kommunizierten? Kurz gesagt: Es hat keinen Sinn, auf den unterwürfigen Käufer zu setzen, der brav darauf wartet, welche tolle neue Lok demnächst gnädig unters Volk gebracht wird. Gefragt wäre die Einbindung der technikbegeisterten Community in die Produktentwicklung, das Schaffen einer echten Fanbase, die die interne und externe Kommunikation auf einer Plattform vereinigt - so wie das Märklin heute versucht, allerdings der Entwicklung schon wieder hinterherhinkt.  

Buhr zeigt, wo die Herausforderung liegt: Wie schnell in diesen Tagen Unternehmen die Möglichkeit nutzen, Teile ihres Firmenauftritts nach Facebook und Google+ zu verlegen, das zeigt, welche Vertriebsmöglichkeiten, welche Verbindungsmöglichkeiten mit dem Kunden möglich sind - und wie sehr sie gewünscht sind, unabhängig von der Plattform ihrer Realisierung. Sie müssen nicht unbedingt online laufen.


Mit dem Kunden verbunden sein


Aber Buhr macht klar, dass es hier um ein Prinzip geht: Mit dem Kunden verbunden zu sein. Ein Prinzip, das schon lange in der Welt ist, das aber anscheinend immer noch nicht alle verstanden haben. Die Stärke seines Buches ist, dass er es noch einmal für alle und zum Mitschreiben, aber auf hohem Niveau formuliert. Wer sein Buch liest und dann immer noch glaubt, es sei langfristig eine gute Idee, Kunden - nur so als Beispiel - fragwürdige Lebensversicherungen aufzuschwatzen, dem ist nicht zu helfen. Also lesen bitte! 


changeX 10.11.2011. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Zum Buch

: Vertrieb geht heute anders. Wie Sie den Kunden 3.0 begeistern. GABAL Verlag, Offenbach 2011, 256 Seiten, 29.90 Euro, ISBN 978-3-86936-230-4

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Jost Burger
Burger

Jost Burger ist freier Journalist in Berlin. Er schreibt als freier Mitarbeiter für changeX.

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