X mal x
X mal x - das heißt so viel wie: X Teilnehmer arbeiten an x Themen. Gemeinsam, im Dialog. Mit definierten Aufgaben und klaren Strukturen gewinnen sie neue Perspektiven auf ihre wesentlichen Fragen. Martin Herrmann im Interview über die Besonderheiten dieses Kursformats.
Dr. Martin Herrmann ist Leiter der Beratergruppe Herrmann & Associates. Er hat das Kursformat "ChallengeX" entwickelt. Im Interview erläutert er dessen Besonderheiten.
Herr Herrmann, um was geht es bei ChallengeX?
ChallengeX ist eine Methode, die Menschen die Möglichkeit gibt, anhand von Themen, die im Moment wesentlich für sie sind, in einen intensiven Austausch mit anderen Menschen zu treten. ChallengeX basiert auf der Erfahrung, dass Entwicklung immer dann stattfindet, wenn wir uns ernsthaft den Themen stellen, bei denen etwas auf dem Spiel steht.
Ein Beispiel: Ich bin seit vielen Jahren Dozent an der Akademie für Palliativmedizin und unterrichte dort Kommunikation. In der Palliativmedizin geht es um die letzte Lebensphase, wenn eine heilende Behandlung nicht mehr möglich ist und die Erhaltung der Lebensqualität in den Vordergrund tritt. Wenn man in diesem Bereich arbeitet, fällt einem auf, dass für Patienten, aber auch für deren Umfeld wesentliche Lebensthemen in den Vordergrund treten und vieles von dem, womit wir uns Tag für Tag beschäftigen, in den Hintergrund tritt. Wenn Angehörige und Patienten sich dieser Situation stellen, können ganz neue Dinge zwischen den Personen entstehen und besprochen werden.
Diese Beobachtung gilt aber nicht nur in der Palliativmedizin, ähnliche Beobachtungen haben wir auch in der Betreuung sehr komplexer Veränderungsprojekte in Firmen gemacht. Die beobachteten Phänomene tauchen auf, wenn wir uns mit etwas auseinandersetzen, bei dem es wirklich um etwas geht.
Und der Name steht wofür?
Challenge ist das englische Wort für Herausforderung. Es geht um die konkreten und immer auch zu einem Teil komplexen Herausforderungen, die wir als Menschen haben, im Beruf, im Privatleben und in unserem Engagement in der Welt. Das X steht für das Konkrete dieser Herausforderungen und soll darauf hinweisen, dass wir immer mit einigen X beschäftigt sind, die sich aber natürlich über die Zeit verändern.
Als Platzhalter steht das "X" für eine beliebige Herausforderung? Teilnehmen kann also prinzipiell jede(r)?
Ja, aber am meisten profitieren Menschen, die voll im Leben stehen und damit aus Erfahrung wissen, dass es für viele Themen keine einfachen Antworten gibt.
Wie sollte man sich als Teilnehmer auf den Kurs vorbereiten?
Man sollte sich zwei Fragen stellen: Erstens, ob man bereit ist, an einem Seminar teilzunehmen, bei dem man aktiv gefragt ist - nicht als Konsument, sondern als Mitwirkender. Und zweitens, ob man aktuelle, relevante Themen hat, also konkrete komplexe Herausforderungen, an denen man arbeiten möchte. Wenn man die hat, wenn es Dinge gibt, die einen gewissen Blutdruck verursachen, und gleichzeitig die Bereitschaft da ist, statt fertige Rezepte geliefert zu bekommen, etwas gemeinsam mit anderen Teilnehmern zu entwickeln, dann ist man vorbereitet.
Wie kam es zur Entwicklung von ChallengeX?
ChallengeX entstand aus einem Auftrag mit einer der führenden und innovativsten deutschen Firmen. Sie kamen mit einer sehr interessanten Frage: "Wir führen jedes Jahr Hunderte von Trainings für unsere Mitarbeiter durch. Wir machen das so, wie das die anderen Firmen auch machen, und unsere Mitarbeiter sind zufrieden damit. Trotzdem haben wir das Gefühl, dass sich unser Angebot nicht genug unterscheidet. Wir spüren, dass sehr viel mehr möglich wäre. Wir wissen nicht so genau, was wir anders machen wollen, aber wir würden es gerne herausfinden."
Meine spontane Reaktion war: genau. Sie sagen das, was ich seit langer Zeit empfinde, wenn ich mir die Trainingsangebote von Firmen anschaue: Diese Angebote sind gut. Sie sind hilfreich, aber sie kommen nicht wirklich auf den Punkt. Sie greifen nicht die wirklichen Fragen auf. Und sie nutzen das Wissen und die Erfahrung der Teilnehmer nur ungenügend.
Danach ging es eher leicht. Wir schlugen ein Vorgehen vor, das akzeptiert wurde. Das gab uns dann die Gelegenheit, die Ideen zu formulieren, die sich über die Jahre in komplexen Veränderungsprojekten und Fortbildungen angesammelt hatten. Die Pilotierung, Evaluierung und Feinabstimmung hat dann aber doch insgesamt eineinhalb Jahre gedauert.
Mit welchen Ergebnissen kann man rechnen?
Von dem, was wir bisher gesehen haben, ist bei den meisten Menschen sehr viel in Bewegung gekommen. Bei manchen ist es so, dass sich die Themen relativ schnell ganz gelöst haben. Andere haben neue Facetten ihrer Themen erfahren. Wieder bei anderen hat sich bei den Themen, die sie mitgebracht haben, nicht viel getan, aber sie haben gemerkt, dass andere Themen viel wichtiger sind, und dann hat sich dort etwas getan. Wichtig ist auch, dass die Teilnehmer eine Menge darüber lernen, welche Themen andere Menschen haben und wie unterschiedlich sie damit umgehen.
Ein Kunde hat eine Evaluierung durch eine externe Firma durchgeführt. Dort hat sich als wesentliche Veränderungen für die Teilnehmer Folgendes gezeigt: zielgerichteteres Handeln, größere Gelassenheit, wachsende Selbstsicherheit, größere Weitsicht, stärkere Konzentration auf das Wesentliche, mehr Mut, Probleme direkt anzugehen. Diese Veränderungen sind bezogen auf die komplexen Herausforderungen, denen sich die Teilnehmer gegenwärtig gegenübersehen.
Was unterscheidet ChallengeX von anderen Trainings?
Das typische Vorgehen im Personalbereich ist, dass man bei den Mitarbeitern definiert, wo Entwicklungsbedarf besteht. Also man sagt: "Gut, der Mitarbeiter X hat ein Problem im Umgang mit Konflikten, jetzt schicken wir ihn in ein Konfliktmanagementtraining, dann wird er lernen, wie er damit besser umgeht und bessere Ergebnisse bringt." Dieser Ansatz geht letztlich auf die Systemtheorie zurück.
Wir dagegen sagen: Menschen haben sehr reale Herausforderungen, die miteinander verknüpft sind. Das können berufliche Aufgaben sein, das können aber auch sehr persönliche Themen sein. Wenn sie die Möglichkeit haben zu reflektieren, was in diesen Themen passiert - mit anderen Menschen, auf einem hohen Niveau -, dann bewegt sich etwas. Was sich bewegt und wohin es sich bewegt, ist nicht vorhersagbar.
Und Sie verzichten auch darauf, Lösungen anzubieten?
Für komplexe Themen Lösungen anbieten zu wollen, ist eher arrogant. Natürlich geht es am Ende auch um Lösungen, aber die entstehen in und zwischen den Menschen, manchmal natürlich auch im Austausch mit den Kursleitern.
Der Kurs aktiviert also Wissen, das in den Beziehungen steckt?
Für die politische Philosophin Hannah Arendt entsteht wirkliche Macht zwischen den Menschen, wenn sie sich gemeinsam auf die Handlungsebene begeben, also zum Handeln kommen. Dieser Gedanke ist ein Schlüssel für das Verständnis von ChallengeX.
Welche Motivation haben Firmen, ihren Mitarbeitern ChallengeX anzubieten?
Die Fähigkeit der Mitarbeiter, Ereignisse zu reflektieren und ins Ungewisse hinein zu handeln, ist entscheidend dafür, wie sie mit komplexen Herausforderungen umgehen. Wer reflektieren kann, was in seinem Alltag passiert und was fragwürdig ist, wird auch die Lösungsfähigkeit weniger nach außen delegieren und mehr in sich selber und unter seinen Kollegen wiederfinden. Mit einher geht auch die Chance, neue, innovative Antworten zu finden. Für alle Unternehmen, die in wirklichem Wettbewerb stehen, ist das ein Schlüsselfaktor zum wirtschaftlichen Erfolg.
changeX 19.11.2010. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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