Wer geht vor was
Wenn im Unternehmen etwas nicht richtig läuft, liegt es meist am Wer, nicht am Was: Nur mit den richtigen Leuten am richtigen Platz ist Hochleistung möglich. Entscheidend ist damit die unterste Führungsebene. Die Führungskraft dort steht im direkten Kontakt mit den Menschen. Sie bekommt Leistung aber nicht ohne Menschlichkeit.
Frank Breckwoldt gründete Mitte der 1980er-Jahre mit seinen beiden Brüdern das Friseurfilialunternehmen Ryf Coiffeur. Das Unternehmen, das heute von Breckwoldt geführt wird, betreibt circa 100 Salons in Deutschland und der Schweiz mit gut 1.000 Mitarbeitern. Seit 1998 arbeitet Breckwoldt zudem als Trainer für Unternehmen wie Media Markt, Otto-Versand, Rossmann Drogeriemärkte und Bacardi Deutschland.
Herr Breckwoldt, als Geschäftsführer von Ryf haben Sie eine durchaus turbulente Zeit hinter sich, woran lag’s?
Beim Aufbau des Unternehmens habe ich unternehmerisch fast keinen Fehler ausgelassen. Wir hätten beinahe auch alles verloren. Es war der klassische Fehler: zu schnell wachsen wollen. Nicht regional verdichtungsmäßig vorzugehen, sondern gleich überall anfangen zu wollen.
Anscheinend haben Sie die Kurve dann doch noch gekriegt. Heute betreibt Ryf 100 Salons in Deutschland und der Schweiz.
Sagen wir so, wir haben viel Lehrgeld bezahlt und unsere Hausaufgaben gemacht.
Sie sind Unternehmer und gleichzeitig Trainer, eine sehr seltene Kombination. Und jetzt haben Sie auch noch ein Buch geschrieben. Was können andere Unternehmen von Ihnen lernen?
Ja, seit 1998 läuft die Kombination Unternehmer/Trainer. Dieses Wandern zwischen den Welten macht mir viel Spaß und sorgt für totale Pragmatik in meinen Seminaren. Ich habe insbesondere durch meine Erfahrungen bei Ryf fast alles erlebt, was führungsmäßig geht und was nicht geht. Das habe ich in sehr kompakter Form zusammengestellt. Und davon können andere Unternehmen und Führungskräfte profitieren. Meine Trainingszeit ist aber begrenzt - die Hälfte meiner Zeit stehe ich nach wie vor für Ryf zur Verfügung. Deswegen das Buch. Es fasst alle meine Erfahrungen zusammen - die guten wie die schlechten.
Es geht aber nicht um die Geschichte von Ryf ...
... nein, es geht um das Thema Führung! Darüber zu sprechen ist immens wichtig. Der Arbeitsmarkt hat sich radikal verändert. Die letzten 20 Jahre hatten wir überwiegend einen "Arbeitgebermarkt", das heißt relativ gute Verfügbarkeit von Mitarbeitern. Das ist inzwischen gekippt. Angefangen hat es 2010 auf dem Ausbildungsmarkt; erstmals seit vielen Jahren gab es mehr angebotene Ausbildungsplätze als Bewerber. Das setzt sich inzwischen auch im allgemeinen Arbeitsmarkt fort. Dieser Wechsel zum "Arbeitnehmermarkt" stellt hohe, neue Ansprüche an die Unternehmen. Erstklassige Führungsarbeit und der Ruf des Unternehmens am Arbeitsmarkt werden mehr und mehr zur Schlüsselfrage für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen.
Was ist Ihre wichtigste Erkenntnis?
Im Grunde fängt alles mit einer unternehmerischen Entscheidung an: In welcher Leistungsliga will ich mit meinem Unternehmen spielen? Die meisten wollen natürlich ganz vorne mit dabei sein, in der Champions League spielen. Doch nur wenige schaffen dafür die Voraussetzungen. Das ist nämlich anstrengend, dahin zu kommen, und dann auch anstrengend, dauerhaft ein solches Niveau zu halten. Und da hört dann in vielen Unternehmen der Spaß auch schon auf.
Was kommt nach der Standortbestimmung?
Allen Beteiligten, Führungskräften und Mitarbeitern, muss klar sein und immer wieder klargemacht werden, was ein solcher Spitzenleistungsanspruch bedeutet. Was können Führungskräfte und Mitarbeiter in einem solchen Fall von ihrem Unternehmen erwarten? Was muss dann aber auch das Unternehmen von ihnen erwarten? Heute gewinnt keiner mehr auf Dauer zulasten des anderen. Kein Unternehmen gewinnt auf Dauer zulasten seiner Mitarbeiter. Aber auch kein Mitarbeiter gewinnt auf Dauer zulasten seines Unternehmens.
In Ihrem Buch schreiben Sie, dass Führungskräfte dafür sorgen müssen, "dass um sie herum handverlesen die richtige Mannschaft spielt". Wie passt das mit Ihrer Analyse des Arbeitsmarktes zusammen? Viele Betriebe sind froh, überhaupt jemanden zu bekommen.
Mein Leitsatz ist: "Wer geht vor was." Nur mit den richtigen Leuten am richtigen Platz ist dauerhaftes Spitzenspiel möglich. Es gibt richtige Leute am falschen Platz. Dann ist es unsere Aufgabe als Führungskraft, dafür zu sorgen, dass sie auf den richtigen Platz kommen. Denn richtige Leute sind knapper geworden. Aber es gibt auch falsche Leute. Und falsche Leute sind an jeder Stelle des Unternehmens fehl am Platze. Auch Personalknappheit darf nicht dazu führen, die Anforderungen zu senken. Denn dann verabschieden Sie sich vom Spitzenleistungsanspruch. Für mich gilt: Lieber unterbesetzt als fehlbesetzt. Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht: Wenn es an irgendeiner Stelle des Unternehmens immer wieder nicht läuft, wenn immer wieder Ziele nicht erreicht werden, dann sind es in aller Regel Wer-Fragen, die angegangen werden müssen, und keine Was-Fragen. Also kein neuer Arbeitskreis, keine neue Projektgruppe, sondern Auseinandersetzung mit der handelnden Person. Diese manchmal unangenehme und unbequeme Auseinandersetzung ist Teil guter Führungsarbeit.
Warum ist für Sie gerade die unterste Führungsebene, die Sie als Basis-Führungsebene bezeichnen, so wichtig?
Weil auf dieser Ebene in allen Unternehmen rund 90 Prozent aller Mitarbeiter geführt werden. Die Mitarbeiter erleben jeden Tag aufs Neue ihre direkte Führungskraft - nicht den Vorstandsvorsitzenden - und registrieren tagtäglich: Hier wird gut mit uns umgegangen, hier werde ich gut geführt - oder eben nicht. So haben meine Salonleitungen einen viel stärkeren Einfluss auf die Mitarbeiter in ihrem Salon, als ich selbst es jemals haben könnte! Ich kann dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen im Unternehmen stimmen, dass auch auf der vorgesetzten Führungsebene geeignete Leute agieren, und ich kann die Führungsqualität meiner Salonleitungen durch Trainings fördern. Aber die tägliche Führungsarbeit und alles, was daraus auf die Mitarbeiter ausstrahlt, das leisten die Salonleitungen selbst.
Wer bei Ihnen Salonleiter werden will, bekommt erst einmal einen befristeten Vertrag, stimmt das?
Ja, das ist richtig. Egal, ob der Bewerber von extern oder intern kommt. Denn erst im Job selbst zeigt sich, ob die Person für diese anspruchsvolle Aufgabe wirklich geeignet ist. Kann sie den Schalter im Kopf umlegen von Arbeitnehmer auf Arbeitgeber? Als Führungskraft bin ich nicht Sprecher meiner Mannschaft. Das ist ein krasses Missverständnis! Ich bin auch nicht Mannschaftsführer! Ich bin Teil des Managements meines Unternehmens! Mit dieser Gewissheit erledigt sich übrigens auch das Problem der viel beklagten Sandwich-Position - diese Position gibt es nicht. Du bist entweder Teil der Mannschaft oder Teil des Managements, dazwischen gibt es nichts. Im Übrigen habe ich größten Respekt, wenn mir jemand sagt: "Nein, das ist doch nichts für mich, ich möchte lieber Teil der Mannschaft bleiben."
Was steht im Zentrum Ihrer Führungskräftetrainings?
Das Waage-Prinzip. Exzellente Führung setzt sich immer aus den beiden Elementen Hochleistung und Menschlichkeit zusammen. Das bedeutet konkret: Eine Führungskraft muss in der Lage sein, von ihren Mitarbeitern hohe Leistung, hohe Ziele zu verlangen und diese auch erfüllt zu bekommen. Das hat durchaus etwas mit Druck, Auseinandersetzung, Fordern und Ansporn zu tun. Das ist die harte Seite der Führungsarbeit, ohne die dauerhafter Erfolg nicht möglich ist. Aber die gleiche Führungskraft muss ebenfalls in der Lage sein, für ein gutes Arbeitsklima zu sorgen und anständig mit den Mitarbeitern umzugehen, Wertschätzung zu vermitteln. Das ist die weiche Seite der Führungsarbeit.
Was bedeutet "anständig" konkret?
Fair, ehrlich, verbindlich, authentisch, berechenbar. Einklang von Denken, Reden und Handeln.
Woran mangelt es mehr, an Hochleistung oder an Menschlichkeit in der Führung?
Das ist nicht so leicht zu sagen. Tendenziell glaube ich, dass eine Mehrheit von Führungskräften, gerade an der Basis, eher Schwierigkeiten damit hat, konsequent gute Leistung einzufordern. Da geht es dann doch eher darum, für gute Stimmung zu sorgen, es soll ja auch nichts wehtun. Nur leider gilt, dass gute Stimmung alleine - so wichtig sie auch ist - für dauerhafte Spitzenleistung nicht ausreicht, weil in einer solchen Atmosphäre der Leistungsgedanke sehr schnell in den Hintergrund tritt. So schön, wie das wäre, Menschlichkeit ohne Hochleistung funktioniert eben auch nicht und ist Sozialromantik. Neulich habe ich dafür den Begriff "Meerschweinchenkultur" gehört: Alle haben sich lieb, aber kein Schwein bewegt sich. Führungskräfte brauchen Mumm, sie müssen den Mut haben, Leistung zu fordern, Grenzen zu setzen.
Grundsätzlich ist Führen für Sie trainierbar, gilt das für alle Führungskräfte?
Ja, wenn die Bereitschaft zur Führung, das richtige Rollenverständnis als Führungskraft vorhanden ist, dann ist Führung trainierbar. Führungsfähigkeit ist nicht angeboren, wie manche glauben. Das ist völliger Quatsch! Es steht nicht von Geburt an fest, wer führen kann und wer geführt werden muss. Es gibt aber zwei Typen von Führungskräften, die für mich untrainierbar sind: Das sind auf der einen Seite "Menschenfresser", also Führungskräfte mit negativem Menschenbild. Und zum anderen die Anhänger der Meerschweinchenkultur, die es immer nur kuschlig und harmonisch haben wollen, aber jedem Konflikt aus dem Weg gehen. Auch die bekomme ich nicht bewegt.
Zitate
"Wenn es an irgendeiner Stelle des Unternehmens immer wieder nicht läuft, wenn immer wieder Ziele nicht erreicht werden, dann sind es in aller Regel Wer-Fragen, die angegangen werden müssen, und keine Was-Fragen. Also kein neuer Arbeitskreis, keine neue Projektgruppe, sondern Auseinandersetzung mit der handelnden Person. Diese manchmal unangenehme und unbequeme Auseinandersetzung ist Teil guter Führungsarbeit." Frank Breckwoldt: Wer geht vor was
"Die letzten 20 Jahre hatten wir überwiegend einen ,Arbeitgebermarkt‘, das heißt relativ gute Verfügbarkeit von Mitarbeitern. Das ist inzwischen gekippt. (...) Dieser Wechsel zum ,Arbeitnehmermarkt‘ stellt hohe, neue Ansprüche an die Unternehmen. Erstklassige Führungsarbeit und der Ruf des Unternehmens am Arbeitsmarkt werden mehr und mehr zur Schlüsselfrage für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen." Frank Breckwoldt: Wer geht vor was
"Exzellente Führung setzt sich immer aus den beiden Elementen Hochleistung und Menschlichkeit zusammen." Frank Breckwoldt: Wer geht vor was
changeX 07.05.2013. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Heike LittgerHeike Littger ist selbständige Journalistin und wohnt in Mountain View, Kalifornien. Sie schreibt als freie Autorin für changeX.