Dabeisein
Die Aufnahme und Integration zahlreicher Geflüchteter verlangt neue Ideen, neue Lösungen und neue Wege. Kurz: soziale Innovationen. changeX trägt die besten Ideen zusammen. Folge 23: Die Gutschein-Plattform HiMate vermittelt kostenlose Kultur- und Freizeitangebote.
Das Problem: Viele Menschen können sich kulturelle Aktivitäten wie Theater-, Konzert- und Kinobesuche nicht leisten und nehmen somit nur eingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teil. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite wären viele Unternehmen und Organisationen wie Kinos, Theater oder Sportvereine bereit, Gutscheine und Tickets für einkommensschwache Gruppen bereitzustellen, sie wissen aber oft nicht, wie sie diese Menschen einfach und schnell erreichen können. Zudem erschweren bürokratische Hürden eine unkomplizierte Vermittlung von Hilfsleistungen.
Die Idee: HiMate will diese beiden Seiten zusammenbringen: Unternehmen und Organisationen, die Gutscheine und kostenlose Tickets für einkommensschwache Gruppen bereitstellen, und potenzielle Nutzer, die mit diesen Angeboten an kulturellen Aktivitäten teilhaben können. Über die Gutschein-Plattform von HiMate spenden Unternehmen Eintrittskarten für Kino, Theater, Konzert oder für Sportveranstaltungen, die dort dann online reserviert und anschließend vor Ort eingelöst werden können.
Konzept und Umsetzung: Integration ist ein abstrakter Begriff. Wann ist jemand integriert? Und was setzt das voraus? Integration lässt sich aber auch sehr konkret verstehen: als unmittelbare Möglichkeit, an einer gesellschaftlichen Aktivität teilzuhaben. Dabei zu sein. An einem Abend, für ein paar Stunden, im Kino, im Konzert, bei einem Fußballspiel. Das ist es, was HiMate unter Integration versteht.
Entstanden ist die Initiative, als im Sommer 2015 mehr und mehr Geflüchtete in Deutschland eintrafen. Auf einem Refugee Hackathon entstand die Idee, Geflüchteten konkrete Angebote von Unternehmen zu vermitteln und ihnen so das Ankommen in Deutschland zu erleichtern. Mit Unterstützung des Investors Project A und der Digitalagentur delodi, die der Initiative Mitarbeiter und Büroräume zur Verfügung stellten, wurden eine Website und eine Smartphone-App entwickelt. Auf der Gutschein-Plattform stellen Unternehmen Gutscheine und kostenlose Eintrittskarten für Kino, Theater, Konzert oder für Sportveranstaltungen zur Verfügung, die dann von Geflüchteten oder deren Betreuern online reserviert und anschließend vor Ort selbst eingelöst werden können. Auch weitergehende Integrationsangebote werden angeboten: Kochkurse, Sprachkurse, Kunstworkshops oder Ausbildungsangebote. "Menschen mit begrenzten finanziellen Möglichkeiten erhalten so die Möglichkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben", sagt Geschäftsführer Thomas Noppen, der seit März 2016 Vollzeit für die Initiative arbeitet.
"Wir bringen das Angebot genau zu den Menschen, denen es bei der Integration am meisten hilft", so Noppen. Die vorhandene, ungenutzte Hilfsbereitschaft aktivieren, darum geht es HiMate. "Unternehmen können so unkompliziert mit ihren Produkten und Leistungen helfen - ohne viel Zeitaufwand und kostengünstig." Bei der Verteilung der Angebote stützt sich die Initiative auf Multiplikatoren, meist Flüchtlingshelfer, die für die von ihnen betreuten Geflüchteten Tickets ordern.
Hinter der Initiative steht ein Team von 25 bis 30 ehrenamtlichen Unternehmern, Young Professionals und Experten aus unterschiedlichen Bereichen. Darüber hinaus arbeiten ehrenamtlich rund zehn Geflüchtete mit, die bei der Übersetzung von Angeboten und deren Verbreitung unter Geflüchteten helfen und Feedback einholen. Um ihre Aktivitäten sichern und ausbauen zu können, startete die Initiative Mitte Oktober 2016 eine Crowdfundingkampagne auf Startnext, die im Dezember erfolgreich abgeschlossen wurde. Die Fundingschwelle von 15.000 Euro wurde deutlich (149 Prozent) überschritten; die Initiative konnte letztlich 22.311 Euro einsammeln. Verwendet werden soll das Geld für eine weitere Vollzeitstelle.
Im ersten Jahr, seit die Plattform online ist, hat sich die Arbeit von HiMate auch inhaltlich verändert. Waren zu Beginn auch Gutscheine etwa für kostenloses Haareschneiden im Angebot, setzt die Plattform heute ausschließlich auf kulturelle Angebote. Gewandelt hat sich auch die Art und Weise, die Angebote an den Mann zu bringen. So hat sich gezeigt, dass die App nicht in dem Maße genutzt wird, wie man das erwartet hatte. Als wichtiger erwies sich der direkte Kontakt zu Anbietern und Multiplikatoren wie Geflüchteten. "Wir haben festgestellt, dass wir sehr viel mehr persönlichen Kontakt brauchen", sagt Thomas Noppen. Gelernt hat man auch, dass neue Anbieter gezielt angesprochen werden müssen. So steht man beispielsweise in Kontakt mit Zoos, um deren Angebot auf die Plattform zu bringen.
Potenzial und Perspektiven: "Das Projekt hat sich im ersten Jahr sehr gut entwickelt und wird von Geflüchteten und Unternehmen sehr gut angenommen", sagt Thomas Noppen. Zwei Dinge aber sind entscheidend für die Weiterentwicklung der Plattform. Zum einen versteht sich HiMate heute nicht mehr als Flüchtlingsprojekt, sondern als Plattform für Integration. "Integration einfach machen", lautet der Claim. "Was mit Geflüchteten schon funktioniert, wollen wir jetzt auch anderen Menschen anbieten, um sie bei der Integration zu unterstützen", erläutert Noppen. Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien sind die nächste Zielgruppe, um die sich die Initiative mit Integrationsangeboten kümmern will.
Zum anderen will HiMate seine Aktivitäten auf andere Städte ausdehnen. Das ist der Schwerpunkt der Aktivitäten im Jahr 2017. Geplant ist zunächst eine Testphase in einer Stadt, um bei deren erfolgreichem Abschluss in weitere Städte zu expandieren. Um das zu realisieren, hat das Sozialunternehmen bereits eine weitere Finanzierungskampagne, dieses Mal auf betterplace, gestartet, um so die Anschlussfinanzierung an das Crowdfunding zu sichern. Noch in der ersten Jahreshälfte will die Initiative mit der Ausweitung ihrer Aktivitäten starten.
changeX 17.03.2017. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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