Unsere Wirs
Mit dem Ende des Hyper-Ich-Zeitalters dürfte das "Wir" eine Renaissance erleben. Im Wechselspiel mit unseren Beziehungen formen sich unsere sozial-individualistischen We-dentities - unscharf, unzählig, kontextabhängig, kaum kontrollierbar.
Mit den "We-dentities" beschäftigt sich das renommierte Wissensmagazin GDI Impuls in seiner aktuellen Ausgabe. Denn mit dem Ende des "Hyper-Ich"-Zeitalters dürfte das "Wir" eine Renaissance erleben. Nicht von oben verordnet wie im Staatskommunismus, sondern von unten wachsend - aus den sozialen Beziehungen des Individuums. Nach einem jahrhundertelangen Konflikt zwischen den gesellschaftlichen Konzepten von "Ich" (egoistisch, individuell, libertär) und "Wir" (solidarisch, paternalistisch, sozial) könnte gerade eine Synthese entstehen: Das Ich entscheidet über seine eigenen Wirs, die Gesellschaft legt allenfalls einen Rahmen fest, in dem diese sich bewegen sollten.
Als Beispiel hierfür entwickelt Impuls-Chefredakteur Detlef Gürtler das Modell eines "sozialen Grundeinkommens": "2.000 Franken im Monat für 1.000 Stunden gemeinnützige Arbeit im Jahr, das könnte ein fairer Deal sein. Was genau man dafür leisten muss, legt der Staat dabei nicht fest - er definiert lediglich Kriterien, was als gemeinnützig gilt." Diese sozial-individualistischen We-dentities könnten in der Lage sein, die Gesellschaft auch dann noch zusammenzuhalten, wenn die Bindekräfte des Nationalstaats der Moderne erschlaffen.
In seinem Beitrag entwickelt Gürtler ausgehend von dem unscharfen Begriff des "Wir" ein Panorama an sozial-individualistischen We-dentities: "50 Shades of We". Und er unterstreicht die maximale Vielfalt, die entsteht: "50 ,Shades of We‘ multipliziert mit sieben Milliarden Menschen, ergeben 350 Milliarden verschiedene Wirs."
Alternative: nichts zu tun
Die Schweiz als weltweites Vorbild für die Gestaltung der Beziehungen zwischen Bürger und Staat sieht Joachim Behnke, Politikprofessor an der Zeppelin Universität Friedrichshafen. "Die Tendenz ist eindeutig: hin zu mehr direktdemokratischen Elementen", sagt Behnke im Interview mit GDI Impuls. Und "die Schweiz ist für jeden, der sich mit direkter Demokratie beschäftigt, ein Referenzmodell". Auch die in der Schweiz relativ lose Bindung der Bürger an die Parteien liege im weltweiten Trend: "In der Politik wie in der Partnerschaft verliert der Bund fürs Leben an Boden. Es geht um Lebensabschnittsgefährten."
Eine radikale Antwort auf die Überwachungsskandale rund um Prism und Tempora gibt der Hamburger Künstler Hans-Christian Dany in einem Beitrag für das Magazin: Nebel statt Cloud. "Auch jeder Versuch, gezielt gegen die Kontrollgesellschaft aktiv zu werden, spielt dieser in die Hände", schreibt Dany, "weil für diese jede Art von Aktion kalkulierbar ist oder werden wird. Die Alternative dazu wäre es, nichts zu tun: nicht das Signal, sondern das Rauschen zu verstärken und im Nebel den Fühlern der Kontrolle zu entgleiten."
GDI Impuls ist zu beziehen über das GDI Gottlieb Duttweiler Institute. Auskunft: Daniela Fässler daniela.faessler@gdi.ch, Telefon +41 44 724 61 11
changeX 26.09.2013. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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