Managen, nicht verwalten
Ein Interview mit Rüdiger Wörster über Projektmanagement heute.
Projekte managen will gelernt sein. Nicht nur dürfen Dauer und Kosten nicht aus dem Ruder laufen, es gilt auch, das Team zu entwickeln und Verträge zu überwachen.
Rüdiger Wörster leitet bei Siemens Business Services eine Gruppe, die sich mit Prozess-Consulting beschäftigt - also von Strategie-Workshops auf Managementebene für einen Geschäftsbereich bis hin zur Umsetzung und der technischen Implementierung. Besonders häufig geht es um kundenspezifische Lösungen zum Thema Projektmanagement.
Hat mittlerweile jedes Unternehmen Erfahrung mit
Projektmanagement gesammelt?
Es ist sehr weit verbreitet und ich behaupte jetzt einfach
mal, dass jedes Unternehmen in mindestens einem seiner Bereiche
Projektmanagement praktiziert. Technisch orientierte Unternehmen
sind sehr davon durchdrungen, aber auch andere Firmen, zum
Beispiel Banken, packen Themen immer häufiger in Form von
Projekten an.
Für mich ist ganz klar - die Bedeutung von professionellem
Projektmanagement steigt. Das hat ganz einfache Gründe: Viele
Projekte dauern zu lange, das heißt die Zeitschätzungen stimmen
nicht. Oft haben sie auch nicht die Qualität, die der Kunde sich
vorgestellt hatte, es gibt also Differenzen. Zudem läuft ein
großer Teil der Projekte aus dem budgetierten Rahmen. Gutes
Projektmanagement heißt, dass man Zeit, Qualität und Kosten genau
kontrolliert und unter Kontrolle hält.
Klingt einfach - ist vermutlich aber eine schwierige Aufgabe
für den Projektleiter.
Das schon, aber es ist eine Frage der Qualifikation. Wir
unterscheiden bei Projektleitern vier Stufen: Auf der ersten
Stufe stehen Mitarbeiter, die ein Projekt niederer Größenordnung
innerhalb eines Bereichs durchführen. Auf der vierten Stufe
Manager, die internationale Projekte leiten und entsprechende
multikulturelle Fähigkeiten besitzen sollten. Um die Leute bis zu
dieser vierten Stufe hin zu fördern, gibt es in unseren
Ausbildungsmaßnahmen entsprechende Trainingsmaßnahmen. Sie
beinhalten jedes Mal eine Bewertung des Mitarbeiters - denn man
muss natürlich wissen, ob er überhaupt fähig ist, eine höhere
Stufe zu erreichen.
Bedeutet es einen kulturellen Wandel im Unternehmen,
Projektmanagement einzuführen?
Ja, natürlich. Projektmanagement ist eine sehr flexible
Organisationsform und verändert das gesamte Unternehmen. Für die
einzelnen Mitarbeiter bedeutet es unter anderem, dass sie anders
und zielgerichteter als früher kommunizieren sollten. Sie müssen
zum Beispiel Informationen, die über das Projekt entstehen, in
einer bestimmten Art und Weise hinterlegen, so dass andere
Mitarbeiter darauf zugreifen können und die Information für sie
verständlich ist. Man braucht also ein bestimmtes Vokabular und
bestimmte Kommunikationsformen; das geht bis hin zur
Dateiablagestruktur in IT-Systemen.
Auf der Projektleiterebene bedeutet die Einführung von
Projektmanagement sehr viel Eigenverantwortlichkeit. Man hat viel
Entscheidungsspielraum, muss aber auch genau entscheiden können,
ab wann man Pannen nach oben kommuniziert, ab welchem Risiko das
Projekt gefährdet ist. Zum Beispiel, wenn Mitarbeiter krank
werden und ersetzt werden müssen.
Was muss das Management beachten? Man hört beispielsweise oft
von Konflikten zwischen Linie und Projekt.
Das stimmt, solche Probleme gibt es häufig. Wir empfehlen
Unternehmen daher, ein Control Board auf Management-Ebene
einzuführen, in der zum Beispiel solche Ressourcenprobleme
geklärt werden. Natürlich werden dort keine kleineren Sachen
besprochen, sondern nur Dinge, die das Projekt gefährden. Wenn
zum Beispiel ein Mitarbeiter aus einem Projekt abgezogen und in
ein anderes gesteckt werden soll, was aber das erste Projekt
deutlich verzögern würde. Das Control Board klärt in diesem Fall,
wer für wie lange auf den Mitarbeiter zugreifen kann und was für
Auswirkungen das hat. Solche Entscheidungen lassen sich nicht auf
Projektmanager-Ebene regeln, das führt nur zu einem Tauziehen
zwischen den verschiedenen Projekten. Das Management wird also in
einer Projektorganisation stärker in die Pflicht genommen,
Entscheidungen zu fällen und Projekte mit hoher Risikostufe zu
begleiten. Ideal ist, wenn in vierwöchigem Rhythmus ein Bericht
ans Management geht, in dem deutlich wird, ob das Projekt "im
Korridor läuft" oder nicht.
Wo sind generell die Probleme und Defizite des
Projektmanagements? Wo muss noch etwas getan werden?
Die Methodik professionellen Projektmanagements ist voll
und ganz beschrieben, diese Informationen stehen jedem
Mitarbeiter zur Verfügung. Aber es wird noch nicht
hundertprozentig danach gehandelt. Hier bedarf es noch des
Anschubs. Nur ein Beispiel: Zum Arbeiten im Projekt gehört es
dazu, dass man Informationen teilt und nicht für sich behält, um
sich wichtig und unentbehrlich zu fühlen. Sie weiterzugeben ist
schwierig, aber gelebtes Knowledge Management.
Was meinen Sie mit der Methodik? Sind Abläufe und Verfahren
des Projektmanagements in den meisten Unternehmen
standardisiert?
Ja, das ist festgelegt - und das ist auch notwendig. So
kann ein Projektmanager, wenn er in ein anderes Projekt kommt,
nach denselben Verfahren arbeiten. Und neue Mitarbeiter müssen
dann nicht wieder neue Abläufe lernen, sondern sie wissen, wie es
geht und haben ihre Aufgaben gleich im Griff.
Die meisten Unternehmen setzen in diesen Standards ihre
eigenen Schwerpunkte. Manche Firmen legen sehr viel Wert auf die
Weitergabe von Informationen und vergeben Mitarbeitern, die das
besonders gut machen, Pluspunkte. Andere bewerten mehr, ob das
Projekt im vorgegebenen Budgetrahmen geblieben ist und solche
Dinge.
Was ist denn eigentlich für Sie ein guter Projektmanager?
Ich persönlich entscheide immer zwischen Personen, die ein
Projekt verwalten, und solchen, die es wirklich managen.
Diejenigen, die es verwalten, achten darauf, ob alles im Rahmen
liegt, alle anstehenden Aktivitäten erledigt worden sind und so
weiter. Ein wirklich guter Projektleiter tut das ebenfalls, er
informiert seine Mitarbeiter aber auch immer wieder über Sinn und
Zweck des Projekts, er motiviert sie und sorgt dafür, dass das
Team harmonisch zusammenarbeitet. Er sollte aber auch aktiv
Veränderungen auf Kundenseite aufnehmen und ins Projekt
zurückspiegeln. Er prüft also ständig, ob die Entwicklungen für
sein Projekt relevant sind und ob er darauf reagieren muss, ob
sie Auswirkungen haben sollten.
Aha, es steckt also doch mehr dahinter, als nur Zeit, Kosten
und Qualität im Auge zu behalten.
Genau. Wichtig sind, wie eben schon angedeutet, auch das
Contract, Claims und Risk Management. Beispiel Contract und
Claims Management: Jedes Projekt ist durch einen Vertrag
abgesichert. Ändern sich nun Kundenwünsche oder ergeben sich
Änderungen, muss sauber geregelt werden, ob das außerhalb des
Vertrags liegt und in welcher Form sich dann die Bedingungen
ändern. Da der Projektmanager im Thema "drin" ist, muss er
bewerten, welche Leistungen vertragsgemäß zum Projekt gehören,
was außerhalb des Vertrags ist und wie das Ganze innerhalb des
Budgets bleibt.
Zum Risk Management: Bei uns wird ein Projekt schon in der
Anfangsphase eingestuft, wir entscheiden, wie viel Risiko es für
uns hat. Mit dieser Bewertung sind natürlich auch die
Qualifikation des Projektleiters und das Controlling verbunden -
je höher das Risiko, desto schärfer das Controlling. Kurz, es
wird alles getan, um dieses Projekt möglichst ohne große Probleme
durchführen zu können. Im Idealfall sollte schon im Vorfeld
geprüft werden, wo könnten die Ecken und Haken sein und wie
könnte man sie ausgleichen. Denn Nacharbeiten sind meist teuer
und unbefriedigend.
Wie ist es mit Software für das Projektmanagement?
Das ist ein heiß diskutiertes Thema. Es gibt große
Anwendungen, die aber kompliziert sind und sich nur für sehr
große Projekte nutzbringend einsetzen lassen. Für kleinere
Projekte reicht Microsoft Project aus. Es kann natürlich sein,
dass der Kunde eine entsprechende Software zur Verfügung stellt
und damit gearbeitet werden soll, weil sie bei ihm im Hause
Standard ist. Wir müssen so flexibel sein und uns in diese
Programme einarbeiten.
Wie könnte die Zukunft des Projektmanagements aussehen?
Was wir brauchen, ist auf jeden Fall eine größere
Tool-Unterstützung. Zur Zeit beruht noch vieles auf
Erfahrungswerten des Projektmanagers. Solches Wissen kann man
natürlich kaum weitergeben - wenn der Mitarbeiter geht, ist es
für das Unternehmen verloren. Es wird versucht, das über die
Schulungen und das Coaching auszugleichen. Dennoch benötigen wir
Verfahren, die das integrieren und anderen Mitarbeitern, die
nicht das geniale Händchen für solche Projektplanung habe, zur
Verfügung gestellt werden können.
Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.
Kontakt:
Solutions/Prozess-Consulting:
Rüdiger Wörster
ruediger.woerster@siemens.com
Projektmanagement-Ausbildung:
Alf Mittelstaedt
alf.mittelstaedt@siemens.com
© changeX Partnerforum [27.03.2003] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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