Verschiebung der Machtbalance
Eine Studie des Global Future Forums gibt interessante Einblicke in die Denkweise der einflussreichsten Topmanager.
Manager planen zu wenig für die Zukunft, sind nicht sehr erfolgreich darin, mit Wandel umzugehen und trauen ihren Kollegen und Unternehmen nicht zu, sich in Zukunft ethischer zu verhalten. Alles Klischees? Nein. Ergebnisse einer Studie, für die unter anderem die Führungsriegen der 500 weltweit größten Unternehmen befragt wurden.
Das Global Future Forum - auf Initiative und mit Unterstützung von Unisys gegründet - ist eine unabhängige Vereinigung von Zukunftsforschern, Akademikern und Wirtschaftsexperten. Ziel des Forums ist es, Unternehmen bei der Planung ihrer Zukunft zu unterstützen. Dr. Karlheinz Steinmüller ist Wissenschaftlicher Direktor der Z_punkt GmbH, Büro für Zukunftsforschung, und Mitglied des Global Future Forums.
Ihre Studie hat ergeben, dass die meisten Unternehmen mit
grundlegendem Wandel und mit Veränderungen an sich ineffektiv
umgehen. Wird denn das Management irgendwelche Konsequenzen aus
dieser Erkenntnis ziehen?
Immerhin haben die befragten Top-Manager selbst
festgestellt, dass es diese Defizite bei der Bewältigung des
Wandels gibt und dass die Unternehmen nicht hinreichend für die
Zukunft gerüstet sind. Doch bei der Frage, mit welchen
Veränderungen sie reagieren wollen, werden die klassischen
Optionen aufgezählt: Ja, wir werden uns ändern, wir werden weiter
reorganisieren, wir werden weiter Fusionen und Allianzen
eingehen. Das klingt sehr nach
business as usual. Zumal wenn man bedenkt, dass die
meisten Reorganisationen schon bald von der nächsten überholt
werden und Fusionen und Allianzen zu großen Teilen gescheitert
sind. Es zeigt sich also kein richtiger Lerneffekt.
Die Ergebnisse der Studie lassen allerdings einen
Hoffnungsschimmer: Viele Führungskräfte haben geantwortet: "An
meiner Position wird sich nichts ändern." Andererseits haben sie
bei Fragen der Kompetenzverteilung im Unternehmen gesagt, dass
die Führungskräfte, die hierarchisch eine Stufe unter ihnen
stehen, in Zukunft mehr Verantwortung übernehmen werden. Tritt
das tatsächlich ein, dann wäre das ja nicht nur eine Veränderung
in der Machtbalance, sondern es wäre fast eine kulturelle
Revolution für viele Großunternehmen. Dann könnte ich mir
vorstellen, dass sie sich tatsächlich besser auf die Zukunft
einstellen können.
Und was ist mit den ganzen Skandalen? Haben die Unternehmen
wenigstens daraus etwas gelernt? Ihre Studie zeigt, dass beim
ethischen Verhalten keine großen Veränderungen erwartet
werden.
Die Skandale - von ENRON bis Haffa - haben natürlich ihre
Spuren hinterlassen. Man erwartet, dass das Management stärker
von den Aktionären und den Aufsichtsräten kontrolliert wird,
strengere Vorschriften und Verhaltensrichtlinien erlassen werden.
Doch bei der Frage, woran sie sich orientieren, haben die Manager
hauptsächlich das finanzielle Ergebnis genannt, ethische
Verhaltensregeln für Unternehmen rangieren ganz hinten. Aber
immerhin ist Shareholder Value auch ganz weit abgerutscht.
Durch was wird es denn ersetzt?
Zum Beispiel durch bessere Kundenbeziehung, das Zugehen auf
den Verbraucher. Keine schlechte Taktik: Unsere
Experten-Befragung hat ergeben, dass ethische Fragestellungen -
obwohl sie bislang noch eine geringe Rolle spielen - vermutlich
in Zukunft eine erhöhte Bedeutung bekommen. Insbesondere wird
ethische Führungskompetenz als Verkaufsargument wichtiger; man
muss zeigen, dass man sich als Unternehmen auch um Nachhaltigkeit
kümmert. Im Moment haben wir eine sehr starke Preisorientierung
bei den Kunden, doch möglicherweise haben wir schon die Talsohle
dieses polemisch gesagt "reinen Geizkragenverhaltens"
erreicht.
Die Unternehmen wollen also auf den Verbraucher zugehen. Will
der Verbraucher das überhaupt? Viele beschweren sich darüber,
dass sie mit Werbung zugemüllt werden.
Das Bild, das sich in unserer Untersuchung vom Verbraucher
ergibt, ist auf eine ganz interessante Weise gespalten. Es wohnen
quasi zwei Seelen in seiner Brust. Einerseits will der
Verbraucher vom Unternehmen persönlich angesprochen werden und
auf ihn zugeschnittene Angebote bekommen. Anderseits ist er aber
nicht bereit, persönliche Daten weiterzugeben. Interessanterweise
ist das Verhalten der Menschen in den USA und in Europa ganz
ähnlich bewertet worden. Ich hätte eigentlich gedacht, dass die
Europäer eher auf Datenschutz achten und die Amerikaner sich von
Werbung zuballern lassen bis zum Geht-nicht-mehr. Aber das ist
wohl nur ein Klischee.
Entwickelt sich da eine neue Konsumentenwelt?
Es scheint tatsächlich so. Es ist eine Welt der höheren
Verbrauchersouveränität - aus der Sicht mancher Unternehmen ist
es eher negativ gesehen ein dramatisches Einbrechen der
Kundenloyalität.
Fast durchweg gingen die befragten Experten zudem davon
aus, dass die Unternehmen ihre Produktpalette erweitern werden,
um dadurch stärker auf ihre Kunden zugehen zu können. Dass
beispielsweise ein Immobilienmakler gleichzeitig eine
Finanzierung und obendrauf vielleicht eine Versicherung
vermittelt. Er wildert sozusagen in benachbarten Marktsegmenten.
Viele Experten gehen davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzt.
Zudem wird man in Zukunft kleinere Kundensegmente mit gezielteren
Angeboten bedenken, sogar mit dynamisch festgesetzten
Preisen.
Wird das denn akzeptiert? Dynamische Preise sind gleichzeitig
sehr undurchsichtige Preise.
Das stimmt. Ich bin davon überzeugt, dass sich dieses
System nicht überall in der gleichen Weise durchsetzt. Wir haben
ja erlebt, dass die Kunden beispielsweise bei der
Verbraucher-Elektronik überfordert waren und ganze
(Produkt-)Generationen übersprungen haben. Ein ähnliches
Verhalten ist bei einer "informationellen Überforderung" durch
dynamische Preise sicher auch zu erwarten. Genau solche Dinge
diskutieren wir im Global Future Forum. Wir versuchen damit ein
Podium zu schaffen, in dem wir uns grundsätzlich darüber
austauschen können, wie der Verbraucher der Zukunft
aussieht.
Nochmals zurück zu den CEOs und dem Umgang mit dem Wandel. Wie
erklärt sich denn der Mangel an Interesse an der Zukunft des
Unternehmens?
Viele der CEOs sind nur für wenige Jahre an der Spitze
eines Unternehmens, dann gehen sie zu einer anderen Firma. Das
heißt: Warum sollten Sie sich langfristig für ein Unternehmen
einsetzen, wenn die persönliche Zukunft nicht eng mit der des
Unternehmens gekoppelt ist? Es genügt ja, wenn die Firma während
ihrer "Amtszeit" gut dasteht. Das ist natürlich eine Entwicklung,
die man seitens der Aufsichtsräte, der Aktionäre und der
Strukturen in den Unternehmen kontern muss. Eine Maßnahme wäre
wie erwähnt, die Verantwortung auf mehr Schultern zu
verteilen.
Andererseits ist der Mann an der Spitze dann aber noch
schlechter zu packen, wenn etwas schief gelaufen ist.
Die Frage ist tatsächlich, wie sich das rechtliche Umfeld
entwickelt. Noch sind die neuen Strukturen nicht geschaffen. Die
Öffentlichkeit kann sich aufregen - doch wenn sich das nicht in
Gerichtsverfahren niederschlägt, kann jemand mit einem dicken
Fell die Vorwürfe einfach abschütteln.
Also wird der Zynismus der Konsumenten voraussichtlich noch
weiter zunehmen. Denn sie erleben ja noch immer mit, dass
Topmanager, die versagt haben, mit goldenen Fallschirmen
verabschiedet werden.
Genau. Dieser Zynismus der Verbraucher gegenüber den großen
Unternehmen trägt seinen Teil zur sinkenden Markenloyalität bei.
Übrigens ist das ein Phänomen, das überall auftritt - unsere
Studie beschäftigte sich ja mit Unternehmen und Verbrauchern
weltweit. Es gibt gewisse nationale Unterschiede, die sind jedoch
generell geringer ausgefallen, als ich gedacht habe.
Zurück zum Global Future Forum. Was bedeutet diese
Zusammenarbeit für Z_punkt, das Büro für Zukunftsforschung?
Als wir vor ungefähr zwei Jahren angesprochen worden sind,
ob wir in einem Global Future Forum mitmachen wollen, waren wir
dafür Feuer und Flamme. Denn in Deutschland ist die
Zukunftsforschung nicht so weit entwickelt wie in anderen
Ländern, uns fehlen Möglichkeiten für einen geistigen Austausch.
Wir kennen punktuell Kollegen befreundeter Institutionen im
Ausland, aber hier haben wir wirklich eine über den Atlantik
reichende Basis für den Gedankenaustausch. Auch an erste
gemeinsame Projekte wird gedacht. Wir können beim GFF von einer
breiten Erfahrungsbasis zehren und natürlich unsere Forschungen
in diese Kooperation einspeisen.
Aber es stehen auch ganz konkrete Ziele dahinter ...
Das Global Future Forum selbst möchte natürlich auch
kommerziell funktionieren; in der Startphase wird es ganz
wesentlich gestützt von Unisys, dem IT-Dienstleister. Unisys
bringt sehr viel Management-Kompetenz ein und verspricht sich im
Gegenzug vom GFF Orientierungswissen über die Zukunft. Allerdings
wird Unisys das GFF nicht ewig in demselben Maße unterstützen.
Deshalb strebt das Global Future Forum an, eine Membership
Organization zu werden, also ein Unternehmens- Netzwerk
aufzubauen. Wer Mitglied ist, bekommt Informationen entweder
früher oder exklusiv und kann Studien zu Spezial-Konditionen in
Auftrag geben.
© changeX Partnerforum [25.11.2002] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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