"Wir wollen zu den Top 5 gehören"

Mit einem ambitionierten Programm versucht Financial Times Prentice Hall sein Profil zu schärfen.

Fundierte, aber unterhaltsame Wirtschaftsbücher auf den Markt zu bringen - das hat sich der junge Wirtschaftsverlag Financial Times Prentice Hall zum Ziel gesetzt. Mit dem Erfolg des ersten Programms ist man sehr zufrieden; das zweite soll den Sprung auf die Wirtschaftswoche-Bestsellerliste schaffen. Nachdem die ersten Titel vor allem Übersetzungen waren, sollen jetzt zunehmend auch deutsche Autoren zum Zuge kommen.

Enrik Lauer, früher bei Econ, ist heute Programmleiter von Financial Times Prentice Hall. Gemeinsam mit ihm gestaltet Lektor Michael Schickerling, der von Campus kommt, das Profil des neuen Verlages.

Die alteingesessenen Verlage haben schon einen beachtlichen Ausstoß an Wirtschaftsbüchern. Was soll an Ihren Titeln neu oder anders sein?
Lauer: Wir wollen innovative Themen besetzen, die sich an der Schnittstelle von Wirtschaft, Technologie und Medien bewegen. Doch am ewigen Ausrufen neuer Trends wollen wir uns nicht beteiligen. Uns geht es eher darum, wie man sich auf die neuen Realitäten nicht nur theoretisch einstellt, sondern praktisch damit arbeitet. Wir wollen Profi-Bücher machen, die man lesen kann, ohne dass man sich gleich eine akademische Staublunge zuzieht. Damit grenzen wir uns gegen Traditionsverlage ab, die Bücher mit tollem Know-how machen, aber auch mit einem gewissen Schnarchfaktor. Andererseits beteiligen wir uns nicht am marktschreierischen Wettlauf der Pseudostrategien, wie man mit einer Mark möglichst schnell Millionär wird. Solche leeren Versprechungen werden von den Börsen gegenwärtig zu Recht Lügen gestraft.

Hat ein neuer Verlag überhaupt noch Chancen, sich zu etablieren? Ist der Markt für Wirtschaftsbücher nicht zu hart umkämpft?
Lauer: Mit Sicherheit ist der Kampf härter geworden. Früher hatten die üblichen Verdächtigen diesen Markt im Wesentlichen unter sich aufgeteilt, es gab keine großen Rangeleien um internationale Rechte und alles in allem war das eine eher gemütliche Veranstaltung. Dass sich das geändert hat, verdankt sich natürlich der erheblich gewachsenen Popularität von Wirtschaftsthemen: So sprießen etwa im Bereich Börsenratgeber die Produkte wie Pilze aus dem Boden.
Ich glaube aber, dass der Markt für Wirtschaftsliteratur ähnlich wie die Wirtschaft selbst, immer noch ein vergleichsweise gesundes Innovationsklima hat. Während bei den Gesundheitsratgebern nun wirklich das 28. Öl eingerieben worden und in der Unterhaltungsbelletristik der 195. freche Frauenkrimi präsentiert worden ist, entstehen in der Wirtschaft immer neue Themen, neue Probleme, neue Fragen. Wer da gründlich nachdenkt, Kompetenz beweist und nicht nur einfach kopiert, hat, glaube ich, in diesem Markt gute Chancen.

Was für Ziel verfolgen Sie bei Ihrer Vermarktungsstrategie?
Lauer: Wirtschaftsinteressierte Leser haben relativ klare Vorstellungen, was sie von der Financial Times Deutschland erwarten - Professionalität und Qualität, Internationalität und Kompetenz, vor allem auch Börsenkompetenz. Wir machen durch unsere Vermarktungsstrategie klar, dass wir in einem Medienverbund mit der Tageszeitung und dem umfangreichen und sehr gut angenommenen Online-Angebot von ftd.de stehen. Mit unseren Büchern sind wir, wenn man so will, die Abteilung Grundlagenforschung: Wir liefern Analysen, Strategien und vertieftes Know-how, die über das tagesaktuelle Wirtschaftsgeschehen hinausreichen.

Welchen Marktanteil möchten Sie erreichen?
Lauer: In zwei bis drei Jahren wollen wir zu den Top 5 unter den Wirtschaftsverlagen gehören, die ein breiteres Publikum ansprechen. Das heißt, wir wollen zum Beispiel angemessen mit unseren Büchern auf den einschlägigen Bestsellerlisten vertreten sein.

Ihr Slogan ist "Business-Bücher für Querdenker". Geschäftsleute sind aber nicht unbedingt dafür bekannt, dass sie quer denken. Wen soll der Slogan erreichen?
Lauer: Ich weiß nicht, ob das so stimmt. Dass Deutschland stellenweise Innovationsdefizite auch in der Durchlüftung der Schädel seiner Führungskräfte hat, ist unbestritten. Ich glaube aber, dass eine neue Generation von Fach- und Führungskräften heranwächst, die für originellere Sichtweisen aufgeschlossen und in der Lage ist, um die Ecke zu denken. Denken Sie nur an die wachsende Zahl von Quereinsteigern aus den Geisteswissenschaften oder die Menschen in den Kommunikationsberufen. Dass sich ein Buch wie Funky Business so eminent gut verkauft - und das mehr oder weniger auf der Basis von Mundpropaganda -, das zeigt, dass ich nicht völlig danebenliegen kann.

Welche Rolle spielen Verlage wie Prentice Hall und Pearson Education im Ausland, und was für Vorteil ergeben sich daraus für Sie?
Lauer: In England sind die Pearson-Verlage, die Wirtschaftsbücher und wirtschaftswissenschaftliche Lehrbücher machen, Marktführer. Wenn Sie in London in eine normale Buchhandlung gehen und sich da die Wirtschaftsabteilung anschauen, dann stellen Sie fest, dass jedes dritte oder vierte Buch von Pearson kommt. Aus dieser Größe kann man Vorteile ziehen. Prentice Hall ist im Lehrbuchsektor in den USA führend und hat entsprechend gute Verbindungen zu Autoren und die Hand am Puls des Marktes, davon kann man schon extrem profitieren. Natürlich haben wir dadurch auch Zugriff auf interessante Lizenzen, wobei wir nicht blindwütig alles übersetzen, was uns in die Finger kommt, sondern genau schauen, was für den deutschen Markt geeignet ist. Schließlich können wir umgekehrt unseren deutschen Autoren die Möglichkeit der internationalen Vermarktung ihrer Bücher eröffnen.

Wieviel Titel sind geplant pro Halbjahr?
Schickerling: 20 bis 30. Wir sind allerdings einer der ersten Verlage, die von dem klassischen Halbjahresrhythmus abweichen. In unserem Verlagsverbund haben wir die Möglichkeit, monatlich unsere Bücher in den Markt zu bringen. Das bringt uns eine viel, viel höhere Reaktionsgeschwindigkeit. Für deutsche Autoren macht uns das natürlich sehr attraktiv, weil wir Trendthemen, Projekte, Autoren einfach nicht lange "liegen lassen".

Planen sie vorwiegend Übersetzungen oder wollen Sie Bücher deutscher Autoren produzieren?
Schickerling: Wir haben natürlich im ersten Jahr, also 2000, einen extrem hohen Anteil an Übersetzungen gehabt, werden den aber kontinuierlich zurückfahren. Vieles haben wir mit Übersetzungen angeschoben, das wird zum Beispiel auch bei der Reihe "Börsenpraxis" der Fall sein, aber unsere Reihen sollen, neben Einzeltiteln, sämtlich auch mit deutschen Autoren weitergeführt werden.

Sind Sie zufrieden, wie das letzte Programm verkauft und rezensiert worden ist?
Lauer: Gemessen daran, dass wir von Null angefangen haben, sind wir überaus zufrieden. Damit, dass sich die ersten 16 Bücher alle ganz ordentlich verkauft haben und wir einen veritablen Bestseller hinbekommen haben, liegen wir im Vergleich mit dem Wettbewerb gut in der Quote.

Was werden so die Spitzentitel im nächsten Programm sein?
Schickerling: Wir werden im April einen ganz prominenten Autor haben, einen bisher auf dem deutschen Buchmarkt nicht in Erscheinung getretenen Fernseh-Börsenpapst. Ganz massiv werden wir mit unserem neuen Geld-und-Börse-Programm auftreten. Außerdem planen wir eine Reihe, die sich an eine ganz junge Zielgruppe richten wird, die zum ersten Mal eigenständig mit Geld umgeht. Diese jungen Leute von 16 bis 17 Jahren aufwärts, eigentlich die Fach- und Führungskräfte von morgen, werden von den traditionellen Verlagen sträflich vernachlässigt. Das ist eine Sache, von der wir uns eine gewisse Profilierung versprechen.

Lauer: Wir haben uns, wie ich denke, zwei sehr gute Bücher gesichert, die vielleicht noch Ende diesen, spätestens aber Anfang nächsten Jahres kommen werden. Das eine ist das neue Buch von Larry Downes. Wir sehen darin das wichtigste Buch zum Thema der so genannten New Economy - Downes ist da mal wieder einen Schritt weiter und geht mehr in die Richtung "One Economy". Sein letztes Buch hat sich in Amerika sechsstellig verkauft. Ein wahres Kultbuch ist gegenwärtig das Cluetrain Manifest - wir haben uns den Nachfolgetitel der Autoren gesichert. Außerdem werden wir mit crash.com des Topjournalisten Michael Mandel von Business Week das erste Buch zum Crash der Technologiewerte haben; kein schnell zusammengenageltes Pamphlet, sondern eine fundierte, brillante Hintergrundanalyse dessen, was zur Zeit an den Börsen passiert und wie sich dieser Sektor in Zukunft entwickeln wird.

Welche Themen sehen Sie zur Zeit als besonders spannend an?
Lauer: Das sind zum Beispiel die so genannten "Talent Wars": Wo kriegt man die jungen selbstbewussten Mitarbeiter mit hohem Potential her, die viel schwieriger als früher und längst nicht nur mit Geld ans Unternehmen zu binden sind. Auch das Thema "Entrepreneurship" finde ich spannend - nicht nur im Sinne von Existenzgründung, sondern eher als die Frage, wie Wirtschaft funktionieren könnte, wenn jeder versucht, seinen persönlichen Verantwortungsbereich unternehmerisch anzupacken. Auch die Frage nach der Zukunft des globalen Kapitalismus halte ich nach wie vor für eine sehr spannende, überhaupt nicht ausgestandene Diskussion.

Ist es nicht gefährlich, so stark auf New Economy und die Börse zu setzen - gerade zur Zeit?
Lauer: Wenn die Aktien in Amerika schlecht stehen, heißt das ja nicht, dass Amerika plötzlich aus der Aktie flüchtet. Die Bedeutung der Börse wird bestehen bleiben und sich in Europa, wo es immer noch großen Nachholbedarf bei der Kapitalisierung der Börsen gibt, eher weiterentwickeln. Ich glaube, die New Economy brauchte diesen Hype und sie brauchte ebenso den Absturz. Es wird in Zukunft keine New Economy geben - man muss wohl nur den Begriff irgendwann zärtlich verabschieden - sondern eher eine One Economy. Doch diese wird zu großen Teilen digital sein, und sie wird neuen Regeln gehorchen, ohne alle vertrauten Regeln des Wirtschaftens außer Kraft zu setzen.

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