Glühbirnen, Sandwiches und gebügelte Hemden
Eine 40-teilige Reportage über die Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke. | Folge 38 |
Wenn die scheinbar banalen Dinge des Alltags nicht geregelt sind, geht gar nichts. Die internen Dienstleister, die dafür sorgen, dass die Organisationsmaschine gut geölt läuft, stehen im Mittelpunkt auch dieser Folge. Heute geht es um die Vielzahl von organisatorischen Aufgaben, die geregelt sein müssen, damit das Unternehmen funktioniert und die Mitarbeiter ihrer Arbeit nachgehen können.
Da ist zum Beispiel das Briefpapier. Jede Kanzlei ist gesetzlich verpflichtet, alle dort arbeitenden Anwälte auf dem Briefpapier aufzuführen. Bei größeren Kanzleien wie Osborne Clarke, wo regelmäßig neue Juristen das Team verstärken, wären gedruckte Briefbögen schnell Makulatur. Aus der Druckerei kommt deshalb nur die Vorderseite mit Adresse und orangem Panther, die Rückseite mit der aktuellen Liste der Anwälte - die, nebenbei erwähnt, alphabetisch und nicht nach Rang sortiert ist - wird jeweils für den Bedarf von zwei, drei Tagen per Laserdrucker aufgedruckt. Und darum muss sich jemand kümmern.
Please come back tomorrow!
In Köln macht das Junganwalt Nikolas Gabrysch, in Frankfurt Roseanne McConville, die als Assistentin für den Partner Peter Bert arbeitet und nebenbei so etwas ist wie die Office Managerin, eine Funktion, die es offiziell gar nicht gibt. Aber jemand muss da sein, der sich um die organisatorischen Dinge kümmert, vom Wechseln kaputter Glühbirnen bis zur Einarbeitung neuer Leute. Und das ist McConville. Eigentlich hatte die Irin, die seit sieben Jahren in Deutschland lebt, nicht mehr für eine Anwaltskanzlei arbeiten wollen. Doch dann kam die orangefarbene Stellenannonce - und Roseanne ließ sich überzeugen. Bereut hat sie den Entschluss nicht. Warum? "Weil mein Chef jeden Abend sagt: �Please come back tomorrow'", schmunzelt McConville, die mit ihrer zupackenden Art von Anfang an zu einer der Schlüsselpersonen des Büros geworden ist. So hat sie bei der Gründung die 25 Bürolampen für die Mitarbeiter zusammengebaut - und was das bedeutet, kann nur nachvollziehen, wer weiß, dass die Lampen von IKEA stammen - und mit der Schlagbohrmaschine die Türschilder angedübelt. Und wenn irgendwo das Licht ausgeht, heißt es: "Roseanne, die Glühbirne ist kaputt!" Schließlich kümmert sich McConville um den so genannten New-Joiner-Process, das ist die organisatorische Prozedur, die mit der Einstellung neuer Leute verbunden ist - beginnend bei der Einrichtung von Arbeitsplatz, Telefon und E-Mail über die Einbuchung in das EDV-System bis hin zum Porträtfoto für die Website und dem Druck der Visitenkarte.
Administrative Schaltzentrale.
In Köln ist dafür Michaela Fischer zuständig, die Assistentin und rechte Hand von Stefan Rizor. Sie ist eine Art administrativer Schaltzentrale im Kölner Büro. Bei ihr laufen zahlreiche Fäden zusammen, von der Organisation der Inhouse-Seminare über die administrative Betreuung von Praktikanten, Referendaren und neuen Mitarbeitern bis hin zur Buchung von Hotels und Tickets. Nicht zuletzt ist die studierte Geisteswissenschaftlerin für die Außendarstellung des Büros verantwortlich. Sie lektoriert Texte, koordiniert Druckaufträge, schaltet Stellenannoncen, organisiert Messeauftritte und achtet darauf, dass die Corporate Identity der Kanzlei eingehalten wird. Der Osborne-Clarke-Panther in rosarot käme über den Schreibtisch von Michaela Fischer nicht hinaus. "Schließlich bin ich natürlich das Mädchen für alle offenen Fragen, die sich in einer Kanzlei wie dieser des Öfteren auftun", sagt Michaela Fischer. Denn es muss sich auch jemand um all die Dinge kümmern, die durch das Raster formell geregelter Zuständigkeiten fallen.
Mädchen für alle offenen Fragen.
In diese Kategorie fallen auch
Feuerwehraktionen, wie jene kurz vor der
Fußballweltmeisterschaft. Damals hatte ein englischer Pubbesitzer
gegen die Sperrstundenregelung Klage eingereicht. Er wollte
erzwingen, dass seine Gäste auch nach 23 Uhr die WM-Spiele
ansehen konnten. Wie das denn in anderen europäischen Ländern
geregelt sei, wollte der Richter wissen. Da konnten die
Osborne-Clarke-Anwälte die Stärke einer internationalen Allianz
ausspielen und baten die europäischen Büros um Unterstützung. Die
Anfrage landete auf dem Tisch von Michaela Fischer, die binnen
drei Stunden das Ergebnis nach England mailen konnte. Der Prozess
wurde gewonnen - und die Pub-Gäste konnten das Aus für das
englische Team live miterleben.
Das Frankfurter Pendant zu Michaela Fischer ist Tanja
Engel, die Assistentin von Managing Partner Adrian Taylor. Weil
der viel unterwegs ist, spielt Tanja Engel die Rolle der
administrativen Schaltzentrale im Büro - ähnlich wie Michaela
Fischer in Köln. Die beiden Frauen arbeiten eng in Marketing und
Öffentlichkeitsarbeit zusammen. Beide sitzen in der
"International Practice Co-ordinators Group", in der die
Marketingaktivitäten der internationalen Kanzlei-Allianz
koordiniert werden. Gemeinsam sind sie auch für die deutschen
Internetseiten von Osborne Clarke zuständig. Ein Teil des
Webauftritts wird in Deutschland gestaltet; diesen Part hat Tanja
Engel übernommen. Der größte Teil der Internetseiten wird jedoch
von England aus betreut, die deutschen Büros liefern dabei nur
die deutschen Texte. Auch Tanja Engel kümmert sich um die offenen
Fragen, die durch das Zuständigkeitsraster fallen. Sie springt in
der Mittagspause schon mal am Empfang ein oder hilft Roseanne
McConville beim Auswechseln einer Glühbirne, was der
hochgewachsenen Deutschen mitunter leichter fällt als ihrer zwei
Köpfe kleineren Kollegin aus Irland.
Umschlagplatz für Informationen.
Auch der Empfang spielt eine Schlüsselrolle unter den Basisdienstleistungen. Im Frankfurter Büro erledigt diese Aufgabe eine Assistentin nebenbei. In Köln dagegen gibt es ein dreiköpfiges Team, das neben dem Job hinter dem Empfangsdesk noch zahlreiche Support-Aufgaben für das ganze Büro erledigt. Michaela Flohs und Stepanka Stepanek sitzen tagsüber hinter der Theke, am Abend ihre Kollegin Caroline Ortelbach. In erster Linie sind sie für die Telefonzentrale zuständig, ein Job, der viel Feingefühl für die Wünsche und Nöte der Mandanten verlangt. "Der Empfang ist der Umschlagplatz für Informationen", sagt Stepanka Stepanek, "und wir sind dafür zuständig, dass die Informationen weiterfließen." Das reicht von den Faxen, die in der Zentrale einlaufen oder dem Mandanten, der sofort und absolut dringlich seinen Anwalt sprechen muss, bis hin zu der Meldung, dass der Lieferservice mit den Mittagssandwiches eingetroffen ist. "Wir schicken dann eine Mail an alle, und wer Hunger hat, der holt sich was", erläutert Stepanek diesen kleinen Service für die Mitarbeiter.
Zuständig für Beamer und Businesshemden.
Über die Funktion der
Informationszentrale hinaus sind die freundlichen Damen vom
Empfang auch für die Besprechungsräume und die Versorgung von
Gästen mit Getränken zuständig. Sie sorgen dafür, dass alles
tipptopp ist, wenn Gäste kommen, vom Block und Bleistift bis zu
Gläsern und Kaffeetassen, den einsatzfähigen Beamer nicht zu
vergessen.
Und noch ein Sonderservice für die Mitarbeiter läuft über
die Zentrale: Jeden Mittwoch fährt ein Kölner
Wäschereiunternehmer mit seinem Kleintransporter vor, schleppt
einen Stapel frisch gebügelter Businesshemden zum Lift und weiter
in die zehnte Etage zu Osborne Clarke. Auf der Fahrt nach unten
nimmt er im Austausch einen Schwung benutzter Hemden mit zur
Reinigung. Ein Service, den die Kanzlei für ihre viel
beschäftigten Anwälte organisiert hat. 1,50 Euro kostet der
Reinigungsservice je Hemd. Anders als in manchen Start-ups in den
Boomzeiten der New Economy zahlen die Anwälte diesen Service
selbst. Die Kasse aber verwalten Michaela Flohs und Stepanka
Stepanek.
Bliebe noch die organisatorische Kardinalfrage offen: Um
das Toilettenpapier kümmert sich in beiden Büros der
Reinigungsdienst. Und der ist outgesourct.
Bild oben: Roseanne McConville (links) wechselt im
Frankfurter Büro die Glühbirnen aus - und Tanja Engel (rechts)
hilft, wenn sie nicht hochkommt. Ansonsten sind die beiden
zuständig für Büromanagement und Marketing.
Bild Mitte: Die administrative Schaltzentrale im Kölner
Büro ist Michaela Fischer.
Bild unten: Umschlagplatz für Informationen - den Empfang
betreuen Michaela Flohs (links) und Stepanka Stepanek
(rechts).
Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.
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Autor
Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.