Angebote für Wissensdurstige
Eine 40-teilige Reportage über die Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke. | Folge 35 |
In einer international tätigen Kanzlei mit englischem Namen gehören Englischkenntnisse für alle Mitarbeiter zum Basiswissen. Deshalb hat Osborne Clarke einen freiberuflichen Trainer engagiert, der an zwei Tagen die Sprachkenntnisse der Mitarbeiter aufpoliert. Um Wissensvermittlung und Wissensmanagement in der Kanzlei geht es in dieser und in der nächsten Folge.
"I know him since five years."
Falsch. "Two mistakes", erläutert der Lehrer. Einmal geht es um
einen Zeitraum, und da verwendet der Engländer "for". Und dann
die Sache mit dem Present Perfect - ein Vorgang hat in der
Vergangenheit begonnen und dauert bis in die Gegenwart an: "I
have known him for five years", muss es heißen. Der Schauplatz
der Lektion ist nicht das Gymnasium nebenan, sondern Osborne
Clarke in Köln. Auf der "Schulbank" sitzt einer der jungen
Rechtsanwälte der Kanzlei. Das Ambiente ist gepflegt: Gepaukt
wird am Konferenztisch, auf dem Tisch stehen Kaffee und Wasser
und als Tafel dient ein Flipchart. Nur der Stoff ist der gleiche:
englische Grammatik.
Im Gegensatz zur Schule sind die Englischstunden bei
Osborne Clarke freiwillig - ein Angebot an alle Mitarbeiter, ihre
Sprachkenntnisse aufzufrischen. Die Resonanz ist groß: 44 von 62
Anwälten und Mitarbeitern der Kanzlei haben sich angemeldet und
nehmen sich einmal die Woche Zeit für die Lektionen.
Eine Organisation lernt Englisch.
Für die Englischstunden hat die
Kanzlei einen freiberuflichen Trainer engagiert, der an zwei
Tagen die Woche von morgens bis abends die Sprachkenntnisse der
Mitarbeiter auf Vordermann bringt. Für die Anwälte gibt es
Einzelunterricht, die Mitarbeiter lernen in kleinen Gruppen. Das
Programm orientiert sich an den Erfordernissen des
Arbeitsalltags. Telefontraining und E-Mail-Verkehr stehen bei den
Mitarbeiterinnen im Vordergrund, Verträge und Briefe bei den
Anwälten. Die bringen auch gerne Beispiele aus ihrer aktuellen
Arbeit mit in die Stunde, um gemeinsam mit dem Trainer an einem
Text zu feilen. Zusätzlich gibt es für jene, die bereits
hervorragendes Englisch sprechen und Nachhilfestunden nicht mehr
nötig haben, eine abendliche Konversationsstunde, in der man sich
in gewähltem Small Talk üben kann. Zwischen fünf und neun Anwälte
nutzen dieses Angebot.
"Bei einer Kanzlei mit englischem Namen, die international
tätig ist, versteht es sich von selbst, dass jeder Anwalt
ausreichend qualifiziert ist, in englischer Sprache zu
kommunizieren", betont Kanzleimanager Stefan Rizor. Und was für
die Anwälte gilt, das gilt auch für deren Assistentinnen. Auch
sie müssen in der Lage sein, einen Anruf in englischer Sprache
entgegenzunehmen oder eine E-Mail zu beantworten. Weil davon die
Qualität der Dienstleistung abhängt, investiert die Kanzlei in
die Ausbildung der Mitarbeiter - "invest in people", wie es im
englischen Mutterhaus der Kanzlei heißt. Es macht Sinn, auch die
Weiterbildung der Mitarbeiter als Teil des Wissensmanagements zu
betrachten. Dazu gehört der Englischunterricht ebenso wie die
fachliche Weiterbildung in Form der Inhouse-Seminare
(siehe Folge 22).
Der Herr der Bücher.
Um Wissen ganz anderer Art kümmert
sich Carsten Schneider. Neben der Ausbildung der Referendare
betreut der junge Anwalt auch die Bibliothek der Kölner Kanzlei.
"Viel Handwerkszeug brauchen wir nicht, aber Bücher gehören
dazu", sagt er. Jura ist eine der ältesten Professionen, die mit
Wissen arbeitet. Nach wie vor zählen Bücher und Zeitschriften zu
den wichtigsten Arbeitsmitteln, trotz CD-ROM und Internet. Die
dicken Kommentare und die meterlange gebundene
Neue Juristische Wochenschrift gehören zur
Grundausstattung jeder Kanzlei. Osborne Clarke verfügt über eine
eigene Bibliothek. Sie ist einer der größten Räume in den beiden
Büroetagen der Kanzlei. Und ihr Bestand kann sich sehen lassen.
Zirka 2.500 Bände auf schätzungsweise 250 Regalmetern
umfasst die Bibliothek derzeit, rund 50 Loseblattsammlungen
werden stets auf dem aktuellen Stand gehalten. Rund 60
Zeitschriften zu den Fachgebieten, die im Haus bearbeitet werden,
hat die Kanzlei abonniert. Zusammen verschlingt das einen Etat
von rund 90.000 Euro im Jahr. "Alle Rechtsgebiete, die im Haus
bearbeitet werden, sind recht großzügig ausgestattet", lobt
Carsten Schneider. Das reicht aber nicht, um den Wissensdurst der
Anwälte in allen Rechtsfragen zu stillen. Für spezielle
Literatur, Aufsätze aus Fachzeitschriften zumeist, nimmt man die
Bibliothek an der Universität in Anspruch. "Wir schicken dann
Studenten los, die die betreffenden Artikel kopieren."
Teilzeitbibliothekar als Gemeinschaftsaufgabe.
Die Bibliothek steht
allen Mitarbeitern offen. Ein Ausleihsystem mit Leihschein oder
Strichcode gibt es aber nicht, "das wäre bei 28 Anwälten
übertrieben", meint Schneider. Man weiß ohnehin, wer woran
arbeitet, und kennt die Steckenpferde seiner Kollegen. Fehlt ein
Buch, genügt meist ein Blick auf den betreffenden Schreibtisch -
oder man schickt eine Rundmail, wenn sich ein Titel partout nicht
findet.
Carsten Schneider hat die Betreuung der Bibliothek als
eine der Gemeinschaftsaufgaben übernommen, die die Anwälte unter
sich aufteilen. Vor allem die Auswahl und Bestellung neuer
Literatur gehören zu seinen Aufgaben; darauf verwendet der
Teilzeitbibliothekar den Löwenanteil der Zeit. Die Hinweise auf
Neuerscheinungen entnimmt Schneider meist den Fachzeitschriften.
Zudem schickt die Buchhandlung viel neue Literatur zur Ansicht.
Schneider sichtet die Titel und entscheidet, welche er behalten
will. Wenn er mit der Materie selbst nicht so vertraut ist, legt
er das Buch einem Kollegen auf den Tisch und lässt den
entscheiden. Natürlich funktioniert das auch in umgekehrter
Richtung: Die Kollegen melden ihre Wünsche bei ihm an.
Kanzleiweites Wissensmanagement.
Etwa vier Wochenstunden seiner Arbeitszeit verwendet er auf die Bibliotheksarbeit, zur Zeit allerdings "eher mehr". Denn die Bibliothekarin, die auf Basis einer Halbtagsstelle für die Pflege der Bestände zuständig ist, ist in Mutterschutz. In die Bresche springt Carsten Schneider, der zusätzlich zur Literaturauswahl nun auch Organisationsarbeiten übernimmt, wie die Erfassung der Neuerscheinungen. Karteikästen sucht man in dem Bibliotheksraum indes vergebens. Natürlich wird die vorhandene Literatur elektronisch erfasst. "OCLIB" nennt sich das System, was so viel heißt wie "Osborne Clarke Library Service". Die Besonderheit: Die Literaturdatenbank ist keine Insellösung, sondern ist integriert in das kanzleiweite Datenbanksystem iManage, an das alle Anwälte und Mitarbeiter angeschlossen sind. iManage ist mehr als eine Datenbank; es handelt sich um ein komplexes System für ein kanzleiweites Wissensmanagement. Darum geht es in der nächsten Folge.
Das Bild zeigt den "Herrn der Bücher": Die Betreuung der Bibliothek hat der junge Anwalt Carsten Schneider übernommen.
Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.
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Autor
Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.