Altruismus gefragt
Eine 40-teilige Reportage über die Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke. | Folge 33 |
In der Juristerei ist das Referendariat die erste Stufe auf der Karriereleiter. Wer sich bewährt, hat gute Chancen, später übernommen zu werden. Weil die Referendare von heute die Anwälte von morgen sind, wählt man die Kandidaten sorgsam aus. Bei Osborne Clarke gibt nicht allein die Papierform den Ausschlag. Eine gute Portion Altruismus darf ein Bewerber schon mitbringen.
Christoph Thorwegge ist schon wieder weg. "Leider", wie er sagt. Für vier Monate hat der 29-jährige Jurist als Referendar bei Osborne Clarke in Köln gearbeitet - und man merkt ihm an, dass er gerne geblieben wäre. Ihm hat gefallen, dass ihm "vom ersten Tag an juristische Kompetenzen zugewiesen wurden", wie er sagt. Keine Selbstverständlichkeit. In nicht wenigen deutschen Kanzleien beschäftigen sich Nachwuchsjuristen vorwiegend mit Hilfstätigkeiten, dürfen nicht eigenständig arbeiten und haben keinerlei Kontakt zu Mandanten. Bei Osborne Clarke wurde Thorwegge hingegen "ins kalte Wasser geworfen", sprich: er machte den Job eines Anwalts, wenngleich "mit Netz und doppeltem Boden". Das hat ihm gefallen. Doch vier Monate waren zu kurz, um wirklich Fuß zu fassen. Nun geht er ins Ausland, um einen Aufbaustudiengang in "International Commercial Law" zu absolvieren.
Gehört schon zur Familie.
Anders verhält sich das bei Antje
Kampfenkel. Sie ist 27 und steht kurz vor ihrem zweiten
Staatsexamen. Von Anfang an ist sie schon bei Osborne Clarke -
und hat gute Chancen dabei zu bleiben. Sie bestätigt, was
Christoph Thorwegge gesagt hat: "Soweit wir das können, tun wir
all das, was Anwälte auch tun": Jede Art von Schriftsätzen,
Mandantenschreiben und so fort. Klar, dass der zuständige Anwalt
das Resultat gründlich prüft und die Ergebnisse mit dem
Referendar bespricht, bevor das Schreiben das Haus verlässt. In
zwei Monaten absolviert sie ihre Prüfung und erhält die höheren
Weihen als Volljuristin. Die anschließende Wahlstation zwischen
der schriftlichen und der mündlichen Prüfung absolviert sie dann
wieder bei Osborne Clarke - und hofft, dass sie danach als
Anwältin übernommen wird, nicht zuletzt des angenehmen
Betriebsklimas wegen. Die Chancen stehen gut. Die junge Juristin
gehört gewissermaßen schon zur Familie und ist eine feste
Kandidatin für "ein Berufsleben danach", wie es Carsten Schneider
formuliert.
Carsten Schneider ist bei Osborne Clarke zuständig für die
Koordination der Referendarsausbildung. Er bekommt die
Bewerbungsunterlagen auf den Tisch, terminiert und führt die
Vorstellungsgespräche und steht den Referendaren als
Ansprechpartner in allen Fragen zur Verfügung. Er legt Wert auf
eine solide Ausbildung und spart nicht mit Kritik an der
Ausbildungspraxis vieler Kanzleien, wo die Referendare als
kostengünstige Zuarbeiter in erster Linie Literatur
heraussuchten, Aktenvermerke anlegten oder fern der praktischen
Arbeiten Gutachten verfassten. Mit 33 Jahren ist Schneider selbst
nur wenig älter als die jungen Juristen, die er betreut. Und er
wirkt ein wenig so, als komme er selbst eben erst vom
juristischen Seminar der Uni. Dabei ist er seit nunmehr drei
Jahren Anwalt und arbeitet nebenher als Dozent an der
Fachhochschule, wo er Vorlesungen über internationales
Handelsrecht hält.
Guter Ruf in der Branche.
Nach dem Weggang von Christoph
Thorwegge sind es im Augenblick nur drei Referendare, die bei
Osborne Clarke in Köln arbeiten. Zum Jahreswechsel hin wird ihre
Zahl wieder steigen. Dann nämlich fangen etliche Bewerber an, die
sich im Sommer vorgestellt haben. Generell werde die
Karriereplanung der jungen Juristen immer langfristiger, stellt
Carsten Schneider fest. Viele Bewerbungen, mit denen er zu tun
hat, beziehen sich schon auf das Jahr 2003, manche sogar schon
auf 2004. Üblicherweise kümmern sich die angehenden Juristen,
"und zwar besonders die mit einer guten 'Papierform' - schon sehr
früh um ihre Ausbildungsplätze in den namhafteren Kanzleien". Und
mittlerweile genießt Osborne Clarke in der Branche einen recht
guten Ruf. Man kann sich die Bewerber aussuchen.
Zum Zuge kommen indes nicht in erster Linie die Kandidaten
mit den exzellenten Zeugnissen. "Es sind nicht unbedingt die
Leute mit guten Noten, mit denen man dann auch zusammenarbeiten
möchte", sagt Schneider. "Wichtig ist das Gespür dafür, ob man
mit den Leuten dann auch klar kommt", meint er. Nicht die
Papierform, sondern der persönliche Eindruck entscheidet. Neben
der fachlichen Qualifikation sind Teamfähigkeit und Engagement
unabdingbare Voraussetzungen, um bei Osborne Clarke einen Job zu
bekommen. Erwartet wird eine "überdurchschnittliche Bereitschaft,
sich mit hohem Engagement und Verantwortungsbewusstsein in die
Arbeit hineinzuknien", sagt Schneider. Und die Bereitschaft, sich
in die Gemeinschaft einzufügen.
Irgendwann muss die Hand hochgehen.
Carsten Schneider ist so einer, der
sich einbringt und Aufgaben in der Gemeinschaft übernimmt. Darin
verkörpert er ziemlich klar den Typus des
Osborne-Clarke-Juristen: Fleißig, karrierebewusst, aber mit
Gemeinschaftssinn.
"Von jedem unserer jungen Anwälte erwarten wir, dass sie
auch altruistische Aufgaben übernehmen", betont Rizor.
Einzelkämpfer, die nur ihr eigenes Fortkommen im Blick haben,
sind bei Osborne Clarke nicht gefragt. Jeder der jungen
Nachwuchsanwälte soll Aufgaben für die Gemeinschaft übernehmen,
sei es die Organisation von Sommerfest oder Weihnachtsfeier, die
Pflege der Musterverträge oder der Kontakte zu Partnerbüros im
Ausland. Oder bestimmte Querschnittsaufgaben im Büro, wie die
Organisation der Bibliothek oder die Betreuung der Referendare
eben. Keiner werde zu etwas gezwungen, betont Rizor, "nur
irgendwann muss die Hand hochgehen". Oder beide Hände, wie bei
Carsten Schneider, der neben dem juristischen Nachwuchs auch noch
die hauseigene Bibliothek betreut.
Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.
Bild oben: Carsten Schneider ist für die Koordination der Referendarsausbildung zuständig.
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Autor
Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.