Gut Ding will Weile haben
Eine 40-teilige Reportage über die Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke. | Folge 32 |
Anwälte sind Dienstleister. Und Wissensarbeiter. Die Qualität ihrer Arbeit hängt entscheidend von individuellen Qualifikationen wie Kommunikationsfähigkeit, Selbstorganisation und dem Know-how in den jeweiligen Köpfen ab. Doch wie lässt sich - bei aller Individualität - eine möglichst gleich bleibende Qualität der Arbeit in einer größeren Kanzlei garantieren? Ein Qualitätshandbuch soll bei Osborne Clarke verbindliche Standards definieren.
Burkard Bruns ist ein bedächtiger Mann.
Einer, der Ruhe ausstrahlt und mit Sorgfalt seine Worte wählt.
Einer mit dem Blick für das Wesentliche. Jemand für grundlegende
Aufgaben also. Das Qualitätshandbuch zum Beispiel. Bruns, der vor
einem Jahr aus einer kleineren Kanzlei kommend zu Osborne Clarke
gestoßen ist, betreut die Erstellung des Qualitätshandbuches der
Kanzlei. Zwei Kollegen haben die Grundlagen erarbeitet und große
Teile des Textes formuliert, an Bruns liegt es nun, das Werk zu
vollenden.
Der Anspruch ist hoch. Das Handbuch soll alle wichtigen
Vorgänge in der Kanzlei regeln, es soll Arbeitsabläufe festlegen
und Standards definieren. Umfassend und für die beiden deutschen
Büros der Kanzlei. "Der Zweck des Handbuches ist die einheitliche
Bearbeitung der Mandate durch alle Mitarbeiter sowie die effektive
Fehlervermeidung innerhalb unserer Ablauforganisation", umreißt
Bruns die Funktion des Werkes. Damit will man Zuverlässigkeit,
Pünktlichkeit und einen reibungslosen Arbeitsablauf gewährleisten -
im Sinne des Mandanten, denn die Sicherung der Qualität und die
Weiterentwicklung der Serviceleistungen sind die übergeordneten
Zielsetzungen, an denen sich die Entwicklung der Kanzlei
orientieren soll. Osborne Clarke versteht sich als Dienstleister,
"dessen Qualität sich neben der fachlichen und persönlichen
Kompetenz der Rechtsanwälte auch durch Schnelligkeit,
Zuverlässigkeit und Flexibilität der Büroorganisation auszeichnet",
wie es heißt.
Grundlagen der Büroorganisation.
Die Büroorganisation ist auch eines
der wichtigsten Themen in dem Werk. Darin sind organisatorische
Abläufe, systematische Fragen - wie die Methode, nach der Akten
abgelegt werden - sowie die Grundfragen der im juristischen
Geschäft so wichtigen Fristenkontrolle geregelt. Auch die
essentielle Frage, wie neue Mandate verteilt werden, ist
festgelegt: nämlich in erster Linie nach der fachlichen
Zuständigkeit der Teams und erst in zweiter Linie danach, wer das
Mandat akquiriert hat. Es sei darauf zu achten, heißt es dazu,
dass neu eingehende Mandate dem zuständigen Fachbereich zugeteilt
werden. Es gilt der Grundsatz, dass der kompetenteste Anwalt die
Arbeit machen soll. Schließlich enthält das Handbuch auch
Vorgaben, wie ein Dokument zu verfassen ist und wie es auszusehen
hat, damit schon auf den ersten Blick klar ist, dass es aus dem
Hause OC stammt. Corporate Identity als Qualitätskriterium.
Ein wichtiger Punkt sind auch die Speicherung und der
Transfer von Wissen. So sollen Schriftsätze, die über den
speziellen Fall hinaus von allgemeiner Bedeutung sind, in die
elektronische Know-how-Datenbank eingespeist werden, wo sie allen
Anwälten zur Verfügung stehen. Das können Textbausteine, Verträge
oder Klagebegründungen sein, wobei nicht unbedingt alles auf dem
eigenen Mist gewachsen sein muss, was in das EDV-System
eingespeist wird. "Das können natürlich auch gegnerische
Schriftsätze sein - warum sollte man sich das nicht zunutze
machen", schmunzelt Bruns.
Qualität muss gelebt werden.
Indes - Osborne Clarke wäre nicht
Osborne Clarke, wenn es das Qualitätshandbuch bei der bloßen
Regelung von Formalien belassen würde. Natürlich ist auch das
menschliche Miteinander angesprochen, das für die Identität des
Unternehmens so wichtig ist - wenngleich sich eben das einer
Festlegung durch Standards entzieht. Die Zufriedenheit und
Gelassenheit der Anwälte und Mitarbeiter und ihre Freude an der
Arbeit gelte es zu erhalten und zu erhöhen, proklamiert das
Handbuch und umreißt die Voraussetzung: Die Qualitätskriterien
müssten "gelebt" werden. Und weiter: "Grundbedingung hierfür sind
Gemeinschaftsgefühl und Identifikation der Rechtsanwälte und
Mitarbeiter mit den Grundüberzeugungen von OC."
Ein Thema ist auch die Einbeziehung der Mitarbeiter. So
sollen mindestens jeden zweiten Monat Mitarbeiterbesprechungen
stattfinden, an denen alle Mitarbeiter und der Managing Partner
des Büros teilnehmen. Eine Mitarbeitervertretung soll es indessen
nicht geben; Konflikte will man im Gespräch lösen. In die
Ausarbeitung des Qualitätshandbuches waren die Mitarbeiter aber
bereits einbezogen. Nicht nur, um ihr Know-how einfließen zu
lassen, sondern auch aus prinzipiellen Erwägungen. "Es entspricht
nicht unserer Kultur, etwas von oben zu verordnen", betont
Burkard Bruns, "sondern wir machen das gemeinsam. Es soll
Teamwork sein."
Kein Heiligtum errichten.
"Gut Ding will Weile haben", diese gänzlich aus der Mode gekommene Weisheit vergangener Tage bestätigt sich bei so grundlegenden Dingen wie dem Qualitätshandbuch. Das Werk steht kurz vor der Fertigstellung. Es umfasst 62 Seiten, "ohne Anhänge", wie Bruns betont. Eben weil das Handbuch so umfassend angelegt ist und so grundlegenden Charakter besitzt, hat sich seine Fertigstellung hingezogen. Schließlich will man etwas auf die Beine stellen, das Bestand hat. "Als ein Provisorium oder als ein ständig anzupassendes Zwischenergebnis sehe ich das nicht", betont Bruns, lehnt sich in seinem Schreibtischstuhl zurück und legt die Fingerspitzen seiner Hände aneinander. "Aber es ist auch nicht so, dass wir ein Heiligtum errichten. Wenn es bessere Wege gibt - immer."
Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.
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Autor
Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.