Achse der Generalisten
Eine 40-teilige Reportage über die Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke. | Folge 28 |
Fachbezogene Teams statt dominanter Einzelanwälte, die Kanzlei als Kompetenzzentrum. Mit diesem Rezept will Osborne Clarke die bestmögliche Qualität bei der Bearbeitung der Mandate erreichen. Doch wie sieht das der Mandant? Sehnt der sich vielleicht zurück zu "seinem" Vertrauensanwalt? Wir haben nachgefragt.
Nicht alles anders, aber vieles besser
zu machen, mit diesem Anspruch ist Osborne Clarke bei der
Kanzleigründung vor einem Jahr angetreten. Vieles besser machen,
das betrifft nicht nur den menschlichen Umgang miteinander und
den Einsatz moderner Technologie, sondern vor allem die
Einführung neuer Organisationsstrukturen. Während die
traditionelle Anwaltskanzlei auf die Partner und deren
Interessenschwerpunkte zugeschnitten ist, arbeitet Osborne Clarke
mit fachlich ausgerichteten Teams. Nicht der Anwalt, der ein
Mandat akquiriert, soll dessen Bearbeitung übernehmen, sondern
derjenige, der am besten dazu qualifiziert ist. Nutzen soll das
zuallererst dem Mandanten, dem man die bestmögliche Qualität
bieten will. Damit wandelt sich die Kanzlei von der Organisation
im Dienste der Partner zum Dienstleistungszentrum für den
Mandanten - denn der stehe "im Mittelpunkt all unseres Tuns", wie
OC-Kanzleimanager Stefan Rizor postuliert.
Klingt gut. Aber wie kommt das bei den Mandanten an?
Wollen die vielleicht gar kein Kompetenzteam, sondern sehnen sich
nach "ihrem" Vertrauensanwalt alter Schule zurück? Fragen wir
doch einfach nach. In dieser und der kommenden Folge geht es um
die Außenperspektive, den externen Blick zweier Mandanten, die
sich zu einem Gespräch über die Kanzlei ihres Vertrauens bereit
erklärt haben.
Haus- und Hoflieferant in allen Rechtsfragen.
Zum Beispiel Albrecht Riebel, Leiter der Rechtsabteilung des Industrieunternehmens Geberit und selbst promovierter Jurist. Geberit ist Hersteller von Produkten für den Sanitärbereich, zuständig "für alles hinter der Wand", wie Riebel es umschreibt: Rohre, Spülsysteme, Spülkästen. In diesem Marktsegment ist Geberit ein Primus. Obwohl das Unternehmen nur den Großhandel und nicht den Endkunden beliefert, hat die Marke einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt. Kein Wunder, denn wer eine Großtoilette besucht, kommt kaum an dem Markennamen mit dem blauen Quadrat als Logo vorbei; weit über 90 Prozent der Spülsysteme in Großtoiletten stammen aus dem Hause Geberit. 1.500 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen mit Sitz in Pfullendorf am Bodensee in Deutschland. Vier Mitarbeiter umfasst die konzerneigene Rechtsabteilung, zwei Sachbearbeiter und zwei Juristen. Von Gründung an ist Geberit Mandant bei Osborne Clarke, denn das Wichtigste für Riebel ist das Verhältnis zu seinem "Haus- und Hoflieferanten in allen Rechtsfragen", wie er seinen Anwalt tituliert. "Das Entscheidende ist das persönliche Verhältnis zum Einzelanwalt", sagt er, "die Hauptrolle spielt der betreuende Anwalt, nicht das Büro."
Notwendige Spezialisierung ...
Marc Sacré war und ist dieser
unmittelbare Ansprechpartner. Und als der seine alte Kanzlei
verließ, um Osborne Clarke mit zu gründen, wechselten Riebel und
Geberit mit. Der Firmenjurist begrüßt es, dass in der Kanzlei
"Spezialisten mit einem größeren Tiefgang am Werk sind", denn das
sei schließlich die Voraussetzung, dass "die das besser können
als wir selbst". Generalist ist man schließlich selbst.
Spezialisierung hingegen ist notwendig, denn die rechtliche
Materie ist zu komplex geworden, als dass ein einziger Anwalt sie
beherrschen kann. Im Wettbewerbsrecht zum Beispiel, wo der
Schwerpunkt des Mandats liegt. "In der Baubranche wird mit harten
Bandagen gekämpft", berichtet Sacré, und da ist man nicht
zimperlich im Umgang mit der Konkurrenz. Wenn ein Mitbewerber zum
Beispiel seine Rohre als die leisesten auf dem Markt anpreist,
dann ist ein Anwalt gefragt, der sich in den Verästelungen des
Wettbewerbsrechts bestens auskennt.
Gleichwohl ist für Riebel der direkte Draht zu einem -
seinem - Ansprechpartner von essentieller Bedeutung. Marc Sacré
ist für ihn gewissermaßen der personalisierte Zugang zu einem
ansonsten anonymen juristischen Kompetenzzentrum. Von Generalist
zu Generalist bespricht man den konkreten Fall, an wen sein
Ansprechpartner den dann intern weitergibt, ist seine Sache.
Vertrauenssache. "Sacré weiß, wie er das intern weiterverteilt."
Für den ist die Frage: "Wer ist am besten geeignet?", das
entscheidende Kriterium. Die weitere Kommunikation läuft dann
meist direkt zwischen dem betrauten Spezialisten und dem
Auftraggeber - über den Schreibtisch von Sacré, der mit seiner
Endkontrolle die Qualität sichert und zugleich auf dem Laufenden
bleibt.
... ohne Einbußen bei der Kommunikation.
Als besonders neuartig sieht Riebel diese Organisation freilich nicht, in Kanzleien dieser Größe sei das üblich, sagt er, "das macht man heute so". Entscheidend ist für ihn, dass die zunehmende Spezialisierung nicht auf Kosten der persönlichen Beziehung geht und letztlich zu wachsender Anonymität führt. Hier sieht er die Stärke der Kölner Kanzlei: "Trotz aller Spezialisierung und Verteilung an die hausinternen Fachleute leidet der Kontakt zu unserem Hauptansprechpartner nicht." Diese Kombination ist ihm wichtig, sagt er: "Spezialisten als Sachbearbeiter und unser Hauptansprechpartner, der den Überblick behält - das finde ich gut."
Bild oben: "Haus- und Hoflieferant in allen Rechtsfragen" ist Marc Sacré für das Industrieunternehmen Geberit.
Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.
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Autor
Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.