Arbeiten für den Tag X
Bei großen Veränderungsmanagement-Projekten gibt es so manche Hürde zu überwinden.
Eine neue Software bei einem internationalen Konzern in allen Niederlassungen einzuführen und alle Mitarbeiter zu schulen ist nicht nur ein organisatorischer Kraftakt. Es fordert auch viel Einfühlungsvermögen, damit sich die Mitarbeiter nicht gegen die Veränderungen stellen. Denn wenn ein großes neues IT-Projekt ansteht, verändern sich die Prozesse, Rollen, Aufgaben und Schnittstellen im Unternehmen.
Veränderungen kosten Zeit. Und sind
mühsam. Denn Menschen hängen an ihren Gewohnheiten und sind nur
bereit, sich umzustellen, wenn es unbedingt nötig ist und sie es
wirklich möchten. Das wissen Pädagogen und Psychologen - und die
Berater von Siemens Business Services, Learning. Eine der
besonderen Stärken des Münchner Bildungshauses ist es, groß
angelegte IT-Einführungsprojekte zu unterstützen, indem es
Mitarbeiter paxisnah auf die neue Software, Unternehmensstruktur
und die damit einhergehenden Veränderungen vorbereitet.
Wenn der Kunde es wünscht, fungiert Siemens Business
Services, Learning hier als Generalunternehmer in Sachen
Training: vom Projektconsulting und der Bildungsbedarfsanalyse
über das Erstellen von Trainingsunterlagen inklusive
E-Learning-Modulen und die Schulung der Mitarbeiter bis hin zum
Veränderungsmanagement. "Solche Projekte sind immer bezogen auf
die jeweilige Kundensituation, bei uns gibt es nichts von der
Stange", meint Karl-Josef Kuhn, Leiter von Siemens Business
Services, Learning. Mitunter sind an einem Projekt Hunderte von
Leuten beteiligt. Dank seiner Größe kann Siemens Business
Services, Learning selbst kurzfristig derart große Teams
zusammenstellen.
Wann die Umsetzungsexperten ins Boot geholt werden, ist
unterschiedlich: Manchmal sind sie bei einem Projekt von Anfang
an dabei, beraten und helfen bei der Umsetzung, manchmal werden
sie erst angefordert, wenn das Training der Mitarbeiter ansteht.
Nur eins ist immer gleich: Die Berater arbeiten stets unter
Zeitdruck. Alle Prozesse, Schulungen, Vorbereitungen sind
ausgerichtet auf den Stichtag, an dem zum Beispiel die neue
ERP-Software eingesetzt wird, die Veränderung greift. "Go live"
nennen die Change Manager diesen Tag.
Kommunikation ist das A und O.
Wenn ein großes neues IT-Projekt
ansteht, verändern sich die Prozesse, Rollen, Aufgaben und
Schnittstellen des Unternehmens. Und das sind sehr sensible
Punkte. Eine der ersten Aufgaben der Veränderungsmanager besteht
im Kommunikationsmanagement mit dem Ziel, in der Gerüchteküche
die Öfen abzustellen. Es gilt, innerhalb von kurzer Zeit alle
Mitarbeiter - vom Pförtner bis zur Vorstandssekretärin - zu
informieren und für das neue Projekt Verständnis zu wecken.
Wichtig sind sachliche Argumente. Warum wird es durchgeführt,
welches sind die Konsequenzen für das Unternehmen und seine
Wettbewerbsfähigkeit, wenn die Sache nicht funktioniert? Das ist
der erste Schritt, um aus "Betroffenen" "Beteiligte" zu machen.
Und genau das ist für den Erfolg des Projekts entscheidend - denn
bei jeder Veränderung, das wissen die Berater nur zu gut, ist der
Dreh- und Angelpunkt der Mensch.
Die Erfahrung der Change Manager: Wenn Veränderungen
anstehen, gibt es unweigerlich Ängste und Widerstände. Ein paar
Artikel in der Unternehmenszeitschrift oder eine schicke
Intranetseite helfen da wenig. "Wir haben festgestellt, dass es
viel wirkungsvoller ist, mit den Menschen zu sprechen",
konstatiert Karin Brigitte Schnöller, Expertin von Siemens
Business Services, Learning. Auf dieser Erkenntnis basiert zum
Beispiel das Patenschaftskonzept: Man gewinnt Sympathieträger des
Unternehmens für das Projekt, bildet sie aus und lässt sie am
Arbeitsplatz kleine Gruppen informieren.
Nützlich war das zum Beispiel, als Siemens Business
Services, Learning in einem Hightech-Konzern die Einführung von
ERP-Software begleitete - ein Projekt, das zwei Jahre lief. Die
Change Manager nutzten das Patenschaftskonzept, um umfassend zu
informieren. Eile war geboten, denn in der Firma kamen bereits
die ersten Gerüchte auf. Und wenn diese erst einmal da sind, sich
jeder im Aufzug oder in der Kaffeeecke über das Projekt
unterhält, dann macht sich schnell negative Stimmung breit. Also
luden die Berater Führungskräfte zu Foren ein und ließen sie aus
erster Hand vom Vorstand und den Projektleitern informieren.
Parallel dazu organisierten sie regionale Veranstaltungen und
Kleingruppen-Workshops, alle moderiert von einem Psychologen. In
diesem Kreis konnte offen angesprochen werden: Was sind denn die
Einwände? Wo kommen die Widerstände her? Warum könnte das Projekt
gut funktionieren und warum nicht? Was wären die ersten
Lösungsansätze? "Die Menschen auf der operativen Ebene sind sehr
fit, sie haben Ideen, wie etwas funktionieren könnte und auf was
zu achten ist - das ist eine Ressource, die man nutzen sollte",
erklärt Kuhn.
Die interne Marketingabteilung zog begeistert mit, und so
gab es bald vom Bildschirmschoner über die Kaffeetasse mit dem
Projekt-Logo bis hin zu Flyern und Plakaten jede Menge Material,
das den Mitarbeitern klar machte: Hier passiert etwas.
Ausführliche Informationen gab es im Projekt-Newsletter, in dem
über den aktuellen Stand berichtet wurde - optimistisch, aber
ehrlich, denn Glaubwürdigkeit ist schnell verscherzt.
Lebenserfahrung erwünscht.
Um bei jedem Projekt buchstäblich
"hautnah" dabei zu sein, sind immer Berater vor Ort - manchmal
nur zwei, an anderen Tagen bis zu 15 oder 30. Das Kernteam fühlt
sich beim Kunden vorübergehend fast wie zu Hause. Trotzdem sind
die Mitarbeiter des Kunden sich natürlich bewusst, dass die
Berater von außen kommen, nicht zur Firma gehören - gerade
deshalb gehen sie offener mit Fragen auf die Change Manager zu
und haben zu ihnen oft größeres Vertrauen.
Die Berater selbst kommen aus den verschiedensten
Bereichen: Pädagogen und Juristen, Betriebswirte und
Geisteswissenschaftler gehören dazu. Viele Kunden begrüßen es,
wenn ihr Change Manager kein Psychologe ist, sondern selbst eine
Führungsposition in einem Unternehmen innehatte. Wenn der Berater
außerdem aus eigener Erfahrung weiß, wovon der Kunde redet, wie
es ist, Mitarbeiter zu führen, und wann die Gefahr besteht, dass
ein Projekt zu scheitern droht. "Es müssen ein Stück weit reife
Persönlichkeiten sein, weil wir häufig auch im Coaching
eingebunden sind und bei Teamsitzungen Gruppenkonflikte lösen
müssen", meint Kuhn. "Deshalb brauchen wir Menschen mit einem
gewissen Maß an Lebens- und Berufserfahrung."
Vorbereitung für den Tag X.
Die Change Manager von Siemens
Business Services, Learning wachen vor Ort auch darüber, dass
alles im Zeitplan bleibt. Wird der Projektplan nicht eingehalten,
wird es nämlich richtig teuer. Viele Change Mangement-Projekte
werden weltweit durchgeführt, denn große Organisationen haben
meist eine Vielzahl von Auslandsniederlassungen. In all diesen
Standorten muss die Software zum Stichtag laufen und von gut
geschulten Mitarbeitern bedient werden können. Eine Mammutaufgabe
- aber ganz so schlimm, wie es sich anhört, ist die Sache dann
doch nicht. Nicht gleichzeitig, sondern nacheinander nehmen die
Länder-Niederlassungen die neue Software in Betrieb. Funktioniert
der "Ernstfall" im ersten Land gut, werden auch die
Niederlassungen in anderen Ländern nach einem minuziösen
Rollout-Plan umgestellt. Dirigent dieser aufwändigen Umstellung
ist der Gesamtprojektleiter. Er sitzt beim Kunden und koordiniert
von dort aus die vielen Teilprojekte.
Als "Pilotland" wählen die Change Manager eine
Niederlassung aus, die sich erfahrungsgemäß mit der Veränderung
besonders leicht tun wird. Denn klappt die Umstellung gut, färbt
der Erfolg auf die Stimmung der anderen Standorte ab. "Man
schaut, wer am aufgeschlossensten ist", sagt Schnöller. "Viele
Faktoren spielen mit, so etwa die Größe und Tradition eines
Standorts." Zum Beispiel existieren manche Niederlassungen in den
neuen Ländern der Bundesrepublik erst seit ein paar Jahren, viele
in Westdeutschland dagegen buchstäblich seit Jahrhunderten.
Newcomer tun sich mit Veränderungen meist leichter als die
Alteingesessenen, bei denen es so manche Tradition und Gewohnheit
zu überwinden gilt. Also fängt man mit ihnen an. Oder man richtet
sich nach der Zahl der User. Denn wenn 500 Benutzer sich mit
Problemen bei der Umstellung herumschlagen, ist das nicht so
gravierend wie bei 20.000. Und so startet man vielleicht gar
nicht in Deutschland, sondern lieber in Singapur.
Um solche weltweiten Projekte reibungslos umsetzen zu
können, setzt Siemens Business Services, Learning in vielen
Ländern Projektmanager ein, die dort die gleichen Aufgaben
wahrnehmen wie ihre Kollegen einige tausend Kilometer entfernt.
Ob in Spanien, Japan, China, Korea oder Lateinamerika. Dieses
weit gespannte Netzwerk wird von Deutschland aus koordiniert,
doch vor Ort sitzen wegen der kulturellen Besonderheiten meist
einheimische Manager. "In China zum Beispiel gibt es etliche
Dialekte - da können wir nicht einfach sagen, wir suchen
jemanden, der Hochchinesisch spricht. Vielmehr brauchen wir
jemanden, der den lokalen Dialekt beherrscht", erklärt Schnöller.
Zudem sind Veränderungen ein sensibles Thema.
Jedem sein Training.
Bis zum Rollout-Tag sind dann viele
Hunderte von Schulungen durchzuführen. "Wir machen vorher eine
Bildungsbedarfsanalyse und schauen uns an, wie sich die
Arbeitsplätze durch die neue IT verändern. Entsprechend den neuen
Rollen und Prozessen des Kunden entwickeln wir anschließend das
Training", erläutert Schnöller. Die Zahl und Art der Schulungen
ist immer maßgeschneidert. Denn wenn zuviel trainiert wird und
die Leute etwas lernen müssen, was sie nie brauchen, kostet das
Zeit und - fast noch schlimmer - die Motivation der Mitarbeiter.
Geschult wird sehr unterschiedlich: Manager brauchen nicht
bis auf Byte-Ebene zu wissen, wie die neue Software arbeitet; sie
interessieren sich eher dafür, wie sich die Prozesse verändern.
Und welche neuen Spielräume sie haben werden: Welche Reports
können erstellt werden, die mit der alten Software nicht möglich
waren? Die Mitarbeiter dagegen erfahren, wie das Programm bedient
wird und wie man beispielsweise einen Auftrag anlegt.
Die Herausforderung, Wissen teilen zu lernen.
Auf den ersten Blick ist das eine
Menge Aufwand, aber im Grunde kein Problem. Trotzdem laufen die
Change Manager in der Praxis nur allzu oft gegen eine Wand, die
es dann geschickt zu umgehen oder abzubauen gilt. So auch bei
einem großen Industrieunternehmen, bei dem Siemens Business
Services, Learning das Veränderungs- und Kommunikationsmanagement
für ein Call Center-Projekt übernahm. Eine CRM- und Call
Center-Lösung sollte das Beziehungsmanagement zum Kunden
entscheidend verbessern, doch durch sie veränderten sich auch die
Prozesse im Unternehmen drastisch. Die Berater sollten zusammen
mit dem Kunden ein Kommunikationskonzept entwerfen und umsetzen,
natürlich unter Einbindung der vorhandenen Ressourcen. Sie
stellten schnell fest, dass die Fronten im Unternehmen verhärtet
waren. Es gab, wie sich herausstellte, "Altlasten" in Form eines
gescheiterten Vorgängerprojekts. "Wenn es ein Vorgängerprojekt
gibt, bei dem der Output nicht gestimmt hat, dann gehen die
Menschen davon aus, dass aller Wahrscheinlichkeit nach auch das
neue Projekt scheitern wird", erzählt Schnöller.
Mit solchen Altlasten umzugehen und Widerstände zu
integrieren ist eine der wichtigsten Aufgaben der Change Manager.
Im konkreten Fall heißt das: Das gesamte Unternehmen muss sich
nicht nur daran gewöhnen, dass es bald über ein Call Center
verfügt. Es muss eine neue Kultur des Wissenteilens entwickeln,
denn die neuen Prozesse haben viel mit Knowledge Management zu
tun. Ihr wertvollstes Kapital, sagen viele Vertriebsmitarbeiter,
sind ihre Informationen über den Kunden. Mit einem Mal aber
sollen sie, weil das Kundenbeziehungsmanagement auf eine andere
Ebene gebracht wird, ihre Informationen offen legen. Plötzlich
lautet die Devise, die vorhandenen Informationen zu
digitalisieren, damit sie vielen Abteilungen im Unternehmen zur
Verfügung stehen. Kuhn kann gut verstehen, dass der Vertrieb sich
an diesen Gedanken erst einmal gewöhnen muss. "Da muss sich immer
auch ein Stück Kulturwandel vollziehen. Und dafür müssen
eingefahrene Denkmuster aufgegeben werden."
Damit es wirklich zum Kulturwandel kommt, setzen die Change
Manager zugleich ganz oben an und sprechen mit den
Führungskräften der Top-Ebene. Diese müssen den Anfang machen,
ihr Wissen teilen, Transparenz zulassen und anderen Türen öffnen,
die zuvor verschlossen waren.
Veränderungsmüdigkeit überall.
"Altlasten" finden die Change
Manager fast überall vor. Doch das steht einem erfolgreichen
Veränderungsprojekt nicht im Weg, wenn das Unternehmen seine
Mitarbeiter bei der Veränderung unterstützt und begleitet. "Wir
verändern als Unternehmer häufig das Umfeld der Mitarbeiter und
erwarten, dass sie den Wandel automatisch leben und dass wir dann
die positiven Resultate haben. Aber der Mitarbeiter muss das Neue
wollen, es lernen und im Arbeitsalltag anwenden", gibt Kuhn zu
bedenken. Viele Manager gehen nur rational an
Veränderungsprozesse heran: Man führt ein neues IT-System ein,
erklärt, wie es bedient wird, und geht davon aus, dass die Sache
umgesetzt wird. Doch das funktioniert selten. Leichter wird der
Wandel, wenn im betreffenden Unternehmen eine Vertrauens- und
Lernkultur vorhanden ist.
Hinzu kommt, dass in fast allen Firmen Manager und Berater
mit einer zunehmenden "Projektunlust" und Veränderungsmüdigkeit
zu kämpfen haben. Denn die Häufigkeit der Veränderungsprojekte
hat dermaßen zugenommen, dass nach dem Abschluss eines Projekts
kaum mehr die Zeit für eine Konsolidierungsphase bleibt. Dabei
wäre gerade dies wichtig, damit aus dem Neuen Routine werden
kann. Und damit die Mitarbeiter das Erfolgserlebnis genießen
können, die Veränderung bewältigt zu haben. Das gibt Energie,
sich für ein neues Projekt zu engagieren.
Wir leben - um dieses Fazit kommt man nicht herum - in
einer Zeit, in der sich so viel wandelt, dass die
Veränderungsprojekte nahtlos ineinander übergehen. Darin wird
wohl in Zukunft eine der größten Herausforderungen für
Unternehmen bestehen.
Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.
Ansprechpartner:
Dr. Christina Strobel
christina.strobel@mch20.sbs.de
www.siemens.com/learning
© changeX Partnerforum [04.07.2002] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
changeX 04.07.2002. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
Artikeltags
LS training and services GmbH & Co. KG
Weitere Artikel dieses Partners
Beim E-Day von LS training and services und bit media bekamen Besucher einen Überblick über innovative Lernformen. zum Report
Neue Forschungsergebnisse und Instrumente zur Unterstützung virtueller Zusammenarbeit. zum Report
LS training and services verschenkt Eintrittskarten für die größte Fachmesse im Bereich E-Learning. zum Report