Was ist los bei euch?
Eine 40-teilige Reportage über die Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke. | Folge 21 |
Barilla schluckt Kamps. Die Übernahme des deutschen Großbäckers durch den italienischen Nudelkonzern ist kein Einzelfall. Zunehmend bekunden potente italienische Firmen Interesse an insolventen deutschen Unternehmen. Das berichten Dunia Pesaresi und Stefan Bauer aus dem Frankfurter Büro von Osborne Clarke. Die beiden Anwälte sind das Frankfurter "Italian Team" in dem europäischen Kanzleiverbund.
"Die Übernahme der Bäckereikette Kamps durch den italienischen Nudelhersteller Barilla ist perfekt", meldete die Süddeutsche Zeitung am vergangenen Freitag. Zwei Tage vor Ablauf der Angebotsfrist hatte der italienische Nudelkonzern 53,9 Prozent der Aktien des führenden europäischen Backkonzerns erworben und sich die Mehrheit an dem Unternehmen gesichert. Als "fair und angemessen" hatte die Großbäckerei das Übernahmeangebot von 12,50 Euro je Aktie akzeptiert und ihren Aktionären den Verkauf empfohlen. Kamps soll als eigenständige Marke fortgeführt werden und muss lediglich seine Knäckebrot-Sparte mit der Marke "Lieken Urkorn" abstoßen, denn sonst wäre der Barilla-Konzern, zu dem bereits die Marke "Wasa" gehört, auf dem Knäckebrotmarkt zu mächtig geworden. Das verfügte die Europäische Kommission.
Italienische Firmen drängen auf den deutschen Markt.
Barilla schluckt Kamps - das ist
nur ein weiterer Happen in der erfolgreichen Expansionsstrategie
des italienischen Chairman Guido Barilla, der, mit finanzstarken
Kapitalgebern im Rücken, längst auch den amerikanischen
Pastamarkt ins Visier genommen hat. Man wolle sich dort ganz
schnell weiterentwickeln, verkündete der smarte Nudelkönig
kürzlich, und auch dort mitverdienen, wo der amerikanische Kunde
nicht zur blauen Nobelmarke, sondern zur Billigpasta in der
Großpackung greift. Barilla ist nicht nur ein Beispiel für die
erfolgreichen italienischen Familienunternehmen, zu denen auch
Namen wie Alessi, Gucci, Benetton oder Armani gehören. Die
Übernahme des einst viel gelobten deutschen Großbäckers ist kein
Einzelfall, sondern Beispiel für einen Trend: Zunehmend drängen
italienische Firmen auf den deutschen Markt. Und bedienen sich
aus der Konkursmasse.
Dunia Pesaresi und Stefan Bauer erleben das hautnah mit.
Der promovierte Anwalt und seine Kollegin, die neben dem Job
soeben den Master of Laws (LL.M.) macht, sind das "Italian Team"
bei Osborne Clarke in Frankfurt. Ihre Spezialität ist es,
italienische Firmen bei deren Aktivitäten in Deutschland zu
betreuen. Auf Italienisch. Ältere Geschäftsleute sprächen häufig
keine Fremdsprache und auch jüngere Manager seien nicht selten
dankbar, wenn sie die Verhandlungen in ihrer Muttersprache führen
könnten, berichten die beiden. Übersetzungsarbeit erbringen sie
nicht nur in sprachlicher, sondern auch in kultureller und
rechtlicher Hinsicht, denn die beiden Rechtssysteme unterscheiden
sich bei aller innereuropäischen Vereinheitlichung der
Rechtsvorschriften zum Teil ganz deutlich voneinander.
Was ist los bei euch?
Gewandelt hat sich die Art der
Geschäfte, die sie betreuen: Zunehmend geht es weniger um die
alltäglichen Geschäftsbeziehungen, sondern auch um
Firmenübernahmen, um Expansion auf den deutschen Markt. "Was ist
los bei euch?", fragten die Italiener angesichts der Pleitewelle
in der deutschen Ökonomie. "Die italienische Wirtschaft ist
mittelständisch geprägt, hat eine gesunde Struktur und ist in der
Lage, flexibel zu reagieren", berichtet Stefan Bauer. Und sie ist
der deutschen gar nicht so unähnlich. Denn ihre Geschäftsfelder
beschränken sich keineswegs auf Mode, Möbel, Konsumgüter, wie das
verbreitete Italienbild suggeriert. Vielmehr sei die italienische
Wirtschaft stark im Maschinenbau und in Industrieerzeugnissen -
und von daher sehr interessiert an der Konkursmasse des
nördlichen Nachbarn.
Die schwierige Lage der deutschen Wirtschaft beobachtet man
südlich des Alpenhauptkammes mit einer gewissen Genugtuung, nicht
aber mit Schadenfreude. Man erlebt die Schwäche der Deutschen als
eine Angleichung der Verhältnisse: "Wir sind nicht die Einzigen,
die das nicht hinkriegen", umschreibt Frau Pesaresi die
Mentalität ihrer Landsleute. Während man in Deutschland über die
relative Schwäche des Euro jammert, ist man in Italien gewohnt,
mit einer schwachen Währung zu leben.
Unterschiedliche Mentalitäten.
Zwischen unterschiedlichen Mentalitäten zu vermitteln, ist denn auch der eigentliche Kern der anwaltlichen Beratung in einem zusammenwachsenden Europa. Und die unterscheiden sich bei aller Tendenz zur Angleichung und Vereinheitlichung doch ganz deutlich voneinander. "In Italien herrscht eine größere Gelassenheit in der Unternehmenskultur", sagt Dunia Pesaresi, die als gebürtige Südtirolerin beide Mentalitäten kennt. Und Stefan Bauer erzählt ein Beispiel. Ein italienisches Telekommunikationsunternehmen verhandelte über die Übernahme eines deutschen Internetanbieters. Es war Freitagnachmittag, als die Verhandlungen in die entscheidende Phase traten. Deutsche oder amerikanische Manager hätten sich auf eine lange Nacht eingestellt. Anders die Italiener. Die guckten auf die Uhr, sagten: "Ach, unser Flieger geht gleich", - und verabschiedeten sich auf ein Wochenende in den Bergen. Die Verhandlung vertagten sie auf Montag. "Da ging den Deutschen die Kinnlade runter", erinnert sich Bauer. Pech nur, dass sie nicht am längeren Hebel saßen, denn die Italiener waren es ja, die als Käufer auftraten. In Zeiten des Wandels erweisen sich flexible Strukturen und Fähigkeit zur Improvisation offenbar als Vorteil.
Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.
Bild oben: Dunia Pesaresi und Stefan Bauer, das "Italian Team" bei Osborne Clarke.
Die nächste Folge erscheint kommenden Montag.
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Autor
Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.