This is your captain speaking
Eine 40-teilige Reportage über die Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke. | Folge 20 |
Man kann auch nach dem Job etwas miteinander unternehmen. Und gemeinsam Spaß haben. Dies ist die Botschaft des Chase Run, der am vergangenen Mittwoch in Frankfurt stattgefunden hat. Mit dabei ein 14-köpfiges Team von Osborne Clarke. Und unser Autor Winfried Kretschmer.
"Müssen Sie am Abend wieder zurück zum Bahnhof", fragt der Taxifahrer. Das sei zwecklos, sagt er, "da ist ganz Frankfurt dicht wegen des Laufs". Der Lauf, das ist der JP Morgan Chase Corporate Challenge, kurz genannt Chase Run, ein Lauf über 5,6 Kilometer im Herzen von Frankfurt, am Abend eines normalen Arbeitstages und mittlerweile einer der größten Läufe der Welt. Und das, obwohl - oder sollte man besser sagen: weil? - er ausschließlich Firmenteams vorbehalten ist. Teilnehmen können nur von Firmen gemeldete Teams gleich welcher Größe. 42.000 Läufer und Läuferinnen waren es im letzten Jahr, 51.000 sind es an diesem Mittwoch, dem 19. Juni. Damit ist der Chase Run die größte Laufveranstaltung in Deutschland, noch weit vor dem Berlin Marathon, der in diesem Jahr mit 33.000 Teilnehmern rechnet.
Gemeinsames nach dem Job.
Man wolle die Idee hinaustragen, dass man nicht nur in, sondern auch nach der Arbeit gemeinsam etwas unternehmen könne, erläutert ein Sprecher der veranstaltenden JP Morgan Bank den Grundgedanken. Das kommt an. Rund 800 Firmenteams aus ganz Deutschland beteiligten sich im vergangenen Jahr, 1.500 sind es heuer - von Lufthansa und Dresdner Bank, die mit jeweils weit über 1.000 Mitläufern traditionell um das teilnehmerstärkste Firmenteam konkurrieren, bis hin zu Agenturen und Kleinunternehmen, die mit wenige Köpfe starken Teams dabei sind. So wie Osborne Clarke vor einem Jahr, als die sieben Köpfe zählende Belegschaft des neu gegründeten Frankfurter Büros vollzählig an den Start ging. Seither ist der Chase Run ein fixer Termin in der Jahresagenda. 14 Mitarbeiter sind in diesem Jahr am Start, neun aus dem Frankfurter Büro, fünf sind an diesem stickig-schwülen Sommertag aus Köln angereist. Anderen haben geschäftliche Dinge einen Strich durch die Rechnung gemacht, wie Gerold Haouache, der sich eigens noch Laufschuhe zugelegt und Wochen zuvor mit dem Lauftraining begonnen hatte, um am Tag des Laufes fit zu sein. Nun sitzt er am Schreibtisch und muss einen Termin vorbereiten. Und Adrian Taylor hat einen Termin in Stockholm.
Anweisungen vom Captain.
Um 18 Uhr wollen sich die OC-Leute in
Laufklamotten zu Fuß auf den Weg zu einem der beiden Startpunkte
machen. Eine halbe Stunde zuvor herrscht noch Arbeitsatmosphäre
im Großraumbüro in der Fürstenbergerstraße. Dann tauscht ein
Läufer nach dem anderen die meist legere Bürokleidung gegen
Laufshorts ein. Die eigens gefertigten leuchtend orangen
Firmen-T-Shirts und die Startnummern gibt es am Desk vor dem
Gemeinschaftsraum. Nun bricht ein wenig die Nervosität durch. 5,6
Kilometer! Laufen! Für manche(n) ist das eine wirkliche
Herausforderung. Fast alle haben für das Ereignis trainiert. In
Köln hat sich sogar eine kleine Laufgruppe formiert, die zweimal
die Woche nach der Arbeit eine Runde dreht. Es sind die fünf
jungen Anwälte, die nun nach Frankfurt gekommen sind. Hier gab es
indes kein gemeinsames Training. Dazu wohne man zu weit
auseinander, erläutert Teamchef Bert, der selbst regelmäßig läuft
und derzeit noch ein wenig damit hadert, dass er bei seinem
ersten Versuch über die Marathondistanz bei Kilometer 35 mit
Knieschmerzen aussteigen musste.
Auf der Treppe vor dem Büro noch ein Gruppenfoto. Dann
Abmarsch. Teamcaptain Peter Bert übernimmt die Führung und lotst
seine Gruppe durch Seitenstraßen zu dem rund 20 Gehminuten
entfernten Start. In einer Rundmail hatte er seine Schäflein auf
den Lauf eingestimmt: "This is your captain speaking."
Geballte Business-Kompetenz.
"Hier sind wir richtig!", sagt der
Captain. Durch die Fressgass bewegt sich ein breiter Strom
nackter Beine, die in Laufschuhen stecken, in dieselbe Richtung.
Vereinzelte Menschen in Businesskleidung wollen in die
Gegenrichtung und bahnen sich sichtlich genervt ihren Weg durch
die bunten T-Shirts. Vom Gelegenheitsjogger mit Tennisshorts und
ausgelatschten Sneakers bis zum ambitionierten Läufer mit
Hightech-Laufschuh und gestyltem Running-Outfit mit verspiegelter
Sonnenbrille und Pulsmesser ist hier alles vertreten. Mancher
stopft noch einen Energy-Riegel in sich hinein. Brennstoff für
die Beinmuskulatur.
Gestern war die Stadt noch ein Glutofen mit 39 Grad. Heute
hat es ein wenig abgekühlt, gut über 25 Grad dürfte die
Quecksilbersäule aber immer noch zeigen, als sich die bunten
T-Shirt-Gruppen am Rossmarkt sammeln. Dicht an dicht stehen die
Teilnehmer mit ihrer Startnummer auf der Brust und dem
Firmenlabel auf dem Rücken. Banken, Versicherungen, Industrie-,
Dienstleistungs-, Beratungs- und Medienunternehmen, Agenturen und
Handelshäuser - eine bunte Vielfalt der deutschen
Firmenlandschaft versammelt sich da an den beiden Startpunkten in
der Frankfurter City. Ein gefundenes Fressen für Al Qaida wäre
das, meint einer sarkastisch, denn hier sei mehr internationale
Businesskompetenz versammelt als im World Trade Center am 11.
September. Ein skeptischer Blick gilt dem Kleinflugzeug, das über
der City kreist.
Die unübersehbare Menschenmenge füllt die Straßen. Peter
Bert hat sein Team gut platziert. Nur 200, 300 Meter hinter der
Startlinie, weit vor dem Ende des Menschenwurms, irgendwo
Hunderte von Metern weiter in den Frankfurter Straßen, reiht sich
die Läufergruppe in die dicht an dicht stehende Läufermasse ein.
Die OC-Leute aus Köln organisieren einige Dosen mit sommerwarmer
Apfelschorle als letzte Getränkeversorgung vor dem Start. Man
frotzelt, kokettiert mit der Herausforderung; jene, die schon
einmal dabei waren, geben ihre Erfahrungen zum Besten. Das
Schlimmste sei das Schild bei Kilometer eins, sagt einer, "man
meint, schon ein Drittel oder die Hälfte der Strecke hinter sich
zu haben, doch dann war es erst der erste". Desillusionierung
pur.
Laufen nach der Das-ergibt-sich-Taktik.
Vor dem Startschuss
richtet Ministerpräsident Roland Koch einige Worte an die
Teilnehmer. Oder versucht es. Aber seine Grußadresse geht in
einem kollektiven Konzert von Buhs und Pfiffen unter. Seine
populistische ausländerfeindliche Kampagne hat man im
multikulturellen Frankfurt ganz offensichtlich nicht vergessen.
Die OC-Leute besprechen noch schnell ihre Renntaktik. Wie im
vergangenen Jahr will man in drei Tempogruppen laufen. "Das
ergibt sich", lautet die Devise.
Kurz vor dem Start wandert eine La-Ola-Welle
hochfliegender Arme durch die Menge, dann der Startschuss. Aber
nichts tut sich. Wohl eine Minute dauert es, bis auch weiter
hinten Bewegung in die Menschenmasse kommt, einige weitere
Minuten, bis man von Laufen sprechen kann. Bald kristallisieren
sich die drei Gruppen innerhalb des OC-Teams heraus: Hinten
diejenigen, denen es in erster Linie aufs Durchkommen ankommt,
vorne die schnelleren Läufer, die sich behände durch das Feld
nach vorne arbeiten, dazwischen die Kölner, die zusammen laufen
wollen.
Die logistische Aufgabe, 51.000 Menschen über den
Frankfurter Innenstadtkurs zu lotsen, meistern die Veranstalter
hervorragend. Im Ziel appelliert der Sprecher, bitte
weiterzulaufen und nicht stehen zu bleiben. Das klappt, der
befürchtete Rückstau vor der Ziellinie bleibt aus. Einige Hundert
Meter weiter treffen sich die OC-Läufer am vereinbarten
Treffpunkt und begrüßen jeden eintrudelnden Mitläufer mit einem
anerkennenden "Hohoho". Zufrieden sind alle, vor allem aber die
drei Frauen aus der hinteren Gruppe: Tanja Engel ist happy, dass
ihr Knie ein halbes Jahr nach einer Meniskusoperation mitgespielt
hat, Christiane Köhler platzt schier vor Stolz, dass sie es
geschafft hat. Und auch Dunia Pesaresi strahlt, wenngleich sie
schwört, nun mindestens ein halbes Jahr nicht mehr laufen zu
wollen. Teamchef Peter Bert sammelt die Zeiten der Läufer, die
diese - mehr oder weniger genau - selbst ermittelt haben, und
trägt sie in die Meldebögen für die Firmenwertung ein. Chancen
auf den Hauptpreis, eine Reise zum Chase-Lauf nach New York, hat
das Team keine. Den Rahm schöpfen hier die Großunternehmen ab,
die Top-Läufer aus ihren Reihen an den Start schicken.
Feste feiern und Pläne schmieden.
Danach. An der Alten Oper sind
Mitarbeiter der Stadtreinigung damit beschäftigt, die Überreste
der Massenverköstigung nach dem Ziel zu beseitigen. Mit
Schneeschaufeln schippen sie Berge von Bananenschalen und
Plastikflaschen zusammen, Kehrfahrzeuge übernehmen den Rest.
Läufer auf dem Nachhauseweg balancieren vorsichtig durch den
verstreuten Müll. Meist haben sie ihr Firmenoutfit nun gegen das
weiße Finisher-T-Shirt eingetauscht, unübersehbares Signal: "Ich
habe es geschafft!"
Diese T-Shirts bestimmen an dem Abend das Bild der Stadt.
Einige Firmen, die in den Bürgerhäusern am Rande des Westends
ihre Büros haben, feiern im Hof. Etliche Großunternehmen haben in
den Parkanlagen um die Alte Oper Zelte für ihre Läuferteams
aufgebaut. Dort wird jetzt gefeiert - oder auch die strapazierte
Muskulatur gedehnt. Ein großes Industrieunternehmen hat dafür
eigens eine Fitnesstrainerin engagiert, die nun mit einer dem
bayerischen Schuhplatteln nicht unähnlichen Form der
Selbstmassage die Beine ihrer Gruppe zu lockern versucht. Ob es
hilft, weiß man nicht, Spaß indes macht es aber allen.
Die OC-Leute haben Duschmöglichkeiten in zwei nahe
gelegenen Privatwohnungen organisiert - Handtuch bitte selbst
mitbringen. Für die Party danach sorgen drei Mitarbeiterinnen,
die sich so recht elegant dem Ansinnen entziehen, unter Umständen
selbst mitlaufen zu sollen. Audra Eyre, eine Mitarbeiterin aus
England, hat ihre Wohnung für eine Barbecue-Party zur Verfügung
gestellt. Gegrillt wird auf dem Balkon, im Wohnzimmer ist ein
Salatbüfett aufgebaut, die Badewanne dient zum Bierkühlen. In der
entspannten Atmosphäre kehren die Gespräche immer wieder zu dem
Lauf zurück. Und Christiane Köhler ist immer noch stolz.
Dann, irgendwann am späteren Abend, ein Teil der Gäste hat
es sich auf den Holzbohlen des Balkons bequem gemacht, werden
neue Pläne geschmiedet. Der Kölner Brückenlauf im September. 15
Kilometer. Die Frankfurter sind eingeladen. Das sei schon etwas
anderes als die 5,6 Kilometer heute, da müsse man richtig
trainieren, sagt Adrian Taylor. Und fügt mit britischem
Understatement hinzu: "Ich glaube, an dem Tag bin ich wieder in
Schweden."
Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.
Bild oben: Teamcaptain Peter Bert übernimmt die Führung.
Bild mitte: Kurz vor dem Start noch ein Foto. Das Team
von Osborne Clarke.
Die nächste Folge erscheint kommenden Montag.
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Autor
Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.