Im Zeichen des Panthers
Eine 40-teilige Reportage über die Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke. | Folge 14 |
Beginnen wir mit einem Nachtrag: Als wir mit Anja Kops und Klaus Bast, den beiden Berufseinsteigern in Folge 12, sprachen, waren beide gerade erst ein paar Wochen bei Osborne Clarke. Das war Ende des vergangenen Jahres. Heute fragen wir nach, wie es ihnen seither ergangen ist.
"Vergleichen Sie doch mal!", fordert die Werbebeilage einer Autohandelsfirma aus dem niederbayerischen Deggendorf, Vertragshändler eines bekannten großen deutschen Automobilherstellers. Zu vergleichen sind die Preise des eigenen Unternehmens mit denen der Konkurrenz, einem ebenfalls bekannten großen deutschen Autoteileservice mit zahlreichen Filialen in ganz Deutschland. Dort koste ein Sommerreifen 33,95 Euro, beim Vertragshändler dagegen nur 26 Euro. Besonders eklatant der Preisunterschied bei der Jahresinspektion: 86,50 statt 66 Euro. Will sagen: Wir sind billiger! Ein Auszug aus einem Presseartikel liefert scharfes Begleitfeuer zum Preisfeuerwerk. "Filialbetriebe wie Autoteile-Unger oder Pit-Stop werden es auch künftig nicht mit einer Vertragswerkstatt aufnehmen können", heißt es dort. Klar, dass das attackierte Unternehmen, es handelt sich um die genannte Franchise-Kette Autoteile-Unger, das nicht hinnehmen würde.
"Herabsetzende Wirkung und damit unzulässig."
Das Unternehmen schaltete seinen Anwalt ein, und der Fall landete auf dem Schreibtisch von Anja Kops. Autoteile Unger ist der erste Mandant, für den sie direkter Ansprechpartner ist und den sie weitgehend selbständig betreut. "Früher war vergleichende Werbung generell untersagt, da man die einem Vergleich innewohnende �herabsetzende' Wirkung für unzulässig hielt", erläutert die junge Anwältin. Das hat sich mittlerweile geändert. "Anlass war eine EU-Richtlinie, die die Zulässigkeit der vergleichenden Werbung regelt unter der Voraussetzung, dass sie richtig und wertneutral ist und Vergleichbares einander gegenüberstellt." Und genau das sei bei der inkriminierten Werbebeilage nicht der Fall, moniert Kops. Die enthalte mehrere wettbewerbswidrige Aussagen, hält sie dem Deggendorfer Autohändler in einem Abmahnungsschreiben vor. Teils seien die Preisangaben unrichtig, teils die Leistungen nicht richtig angegeben, die in dem Presseausschnitt erhobene Behauptung, die Serviceketten könnten den Vertragswerkstätten nicht das Wasser reichen, falsch. Insgesamt führe das zu einem verzerrten Bild bei den Verbrauchern, die den Eindruck gewinnen müssten, "die Preise unserer Mandantin sind grundsätzlich teurer". Unzutreffende Vergleiche, eine herabsetzende Wirkung und damit unzulässig, argumentiert Kops.
Selbstverantwortliches Arbeiten von Anfang an.
Die Abstimmung mit dem Mandanten
passiere im direkten Kontakt, per Telefon oder Fax, berichtet
sie. Ihren Teamchef Marc Sacré informiert sie in den
Teambesprechungen über den Fortgang, legt ihm ihre Entwürfe vor
und stimmt das weitere Vorgehen mit ihm ab. "Ich bekomme die
Akte, und dann bin ich derjenige, der sich eigenverantwortlich
darum kümmert", beschreibt sie die Zusammenarbeit im Team, "ich
muss mich selber rühren, wenn ich mit was nicht zurechtkomme."
Diesbezüglich gebe es eine klare Absprache zwischen ihnen,
bestätigt Marc Sacré, der seiner Mitarbeiterin vertraut, dass sie
erkennt, wenn sie ihn einbeziehen sollte. "Ich habe ihr das
Vertrauen geschenkt, weil ich ihr das zugetraut habe", sagt er.
Zugleich sei das die beste Möglichkeit, Praxiserfahrung zu
gewinnen. "Wenn die jungen Anwälte, wie in den Großkanzleien
üblich, nur Wasserträger sind, dann lernen sie ja nichts."
Die neugierige Frage nach ihrer jetzigen Wochenarbeitszeit
wehrt Anja Kops zunächst ab. "Die Zeit ist nicht aussagekräftig",
meint sie. Denn die hänge von vielerlei Faktoren ab. Für sie
zählt die Qualität der Arbeit, nicht so sehr die Quantität: "Man
wird selbständig in seiner Arbeit und in der Arbeitseinteilung
und dann merkt man gar nicht mehr, wenn man länger bleibt." Oder
eine Akte mit nach Hause nehme, um sie am Abend noch mal zu
überfliegen und sich so auf den kommenden Tag vorzubereiten.
Schließlich entlocken wir ihr doch noch einen Zahlenwert. "Ende
40" Arbeitsstunden in der Woche kämen schon zusammen, mal
weniger, mal mehr. Im Branchenvergleich eher wenig für einen
jungen Anwalt kurz nach dem Berufseinstieg.
Ganz ähnlich sieht das Klaus Bast. Sicher habe er schon mal
eine schlaflose Nacht gehabt, erinnert er sich. Und natürlich sei
der Druck gewachsen. Aber das sei ganz normal, sagt er. "Man
beginnt zu klagen, die Klagen werden erwidert, es werden Fristen
gesetzt, und peu à peu steigert sich das Arbeitspensum." Für ihn
ist meist um 20 Uhr Schluss, seine Wochenarbeitszeit summiert
sich auf 50, 55 Stunden - inklusive Recherche, Training und
Schulungen, wie er betont. "Das ist nicht die Nettoarbeitszeit."
Und das ist wohl auch der Unterschied zu seinen Kollegen in den
Law Firms.
Wohlfühlfaktor: gleich geblieben.
Noch etwas eint die beiden: Den
lockeren, unproblematischen Tonfall ihrer Äußerungen kurz nach
ihrem Berufseinstieg (siehe Folge 12) wollen sie heute nicht
wiederholen. "Das klang so, als sei das alles easy going", meint
Anja Kops, aber das sei es natürlich nicht. Nicht geändert hat
sich dagegen der Wohlfühlfaktor im Unternehmen. Auf die Frage
nach dem entscheidenden Grund, weswegen sie bei Osborne Clarke
arbeite, kommt es wie aus der Pistole geschossen: "Angenehme
Arbeitsatmosphäre, junges Team."
Bis zum gesetzten Termin am vergangenen Freitag, dem 10.
Mai, ging die geforderte Unterlassungserklärung nicht ein. Die
Konsequenz hatte Anja Kops dem Kontrahenten bereits angedroht:
"Sollte die Frist fruchtlos verstreichen, werden wir unserer
Mandantin raten, gegen Sie gerichtliche Schritte
einzuleiten."
Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.
Die nächste Folge erscheint kommenden Montag.
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Autor
Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.