Tiefe Gräben und hochfliegende Pläne

Eine 40-teilige Reportage über die Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke. | Folge 8 |

Von Winfried Kretschmer

Es waren vor allem junge Anwälte, die sich für Osborne Clarke entschieden. Doch auch eines der Gründungsmitglieder kam mit, um den Neuanfang zu wagen und sich in Köln den Wind der New Economy um die Nase wehen zu lassen.

Wie tief der Riss ging, zeigt das Beispiel Dr. Ebel. Hans-Rudolf Ebel war Gründungsmitglied, Namenspartner und so etwas wie der Kanzleimanager der Sozietät Graf von Westphalen Ebel Genzow. Als dann der Bruch kam und die meisten jüngeren Kollegen die Kanzlei verließen, ging Ebel mit und wurde Partner bei Osborne Clarke Deutschland.
Dieser Schritt brachte ihm unter den deutlich jüngeren Kollegen und Mitarbeitern in der neuen Kanzlei große Sympathien ein. Wenn sie seinen Namen erwähnen, dann schwingt unverkennbar eine Spur von Hochachtung mit. Achtung vor einem Mann, der sich mit 66 Jahren nicht auf sein Altenteil zurückzog, sondern einen Neuanfang wagte. Ebel entspricht recht gut der Vorstellung, die man sich von einem Senior-Anwalt macht: drahtig, weißes Haar, markantes Gesicht. Ihn umgibt so etwas wie eine Aura von Korrektheit und Seriosität. Korrekt das Sakko, korrekt die Begrüßung, korrekt auch, wie er über seinen Bruch mit der alten Kanzlei redet. Er spricht offen, will aber keine schmutzige Wäsche waschen.
"Als die Jungen gingen, war für mich die Musik weg", sagt er. Das war für ihn der eigentliche Bruch. Auf "dieses Bataillon von jungen Leuten" war er stolz, ihnen fühlte er sich zugehörig, sie wollte er dabei unterstützen, ihre Zukunft zu gestalten. "Die Jungen wollten Teamgeist, wollten Durchlässigkeit der Fälle, und sie wollten eine Spezialisierung und eine wirkliche internationale Anbindung, nicht nur auf dem Briefkopf." In der alten Kanzleistruktur war das nicht möglich, also war für ihn der Neufang konsequent.

Unterschiedliche Konzepte, wie eine Anwaltskanzlei aussehen soll.


"Die Jungen", das war allen voran Stefan Rizor, ein hochgewachsener 40-jähriger Anwalt, dessen internationale Ausrichtung sich schon daran zeigt, dass er nicht den "Dr.", sondern den kanadischen "LL.M." (Master of Laws) auf seiner Karte stehen hat. Ebel und Rizor haben mehr gemeinsam als die Partnerschaft in der alten und in der neuen Sozietät. Bei allem Unterschied in Alter und Habitus verbindet die beiden Anwälte eine Art Wesensverwandtschaft. Beide waren sie in der alten Kanzlei für das Management zuständig; zunächst der Ältere, dann ging diese Aufgabe auf den Jüngeren über. Eine Aufgabe, die sie neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit erledigten, ehrenamtlich und "aus Idealismus", wie Ebel sagt. Bei ihnen liefen die organisatorischen Fäden zusammen. Rizor war es in erster Linie, der die Gruppe der jungen Anwälte zusammenschmiedete - und dann eine entscheidende Rolle bei der Gründung des Kölner Osborne-Büros spielte. Er ist der Ideengeber, Kommunikator und Motivator, einer, der die Dinge gestalten will und andere dabei einzubinden weiß. Heute ist er gewählter Managing Partner des Kölner Büros und sitzt im deutschen und im internationalen Managing Board von Osborne Clarke. Sein Blick auf das Auseinanderbrechen der alten Kanzlei ist nüchtern und nicht von Bitterkeit geprägt, wenngleich er mit gemischten Gefühlen zurückblickt. Man habe den Kollegen dort viel zu verdanken, sagt er. "Es sind nicht die persönlichen Beziehungen, die gescheitert sind, sondern es gab sehr unterschiedliche Vorstellungen, wie eine Anwaltskanzlei aussehen soll, die sich nicht harmonisieren ließen."

Die Nase im Wind der New Economy.


Es waren in erster Linie die jungen Anwälte im Kölner Büro, die im Rahmen der Alliance eng mit ihren englischen Kollegen bei Osborne Clarke zusammenarbeiteten und sich dabei den frischen Wind der New Economy um die Nase wehen ließen. Denn Osborne Clarke hat einen deutlichen Schwerpunkt im Bereich der modernen Technologien, TMT, wie die Engländer sagen: Technologie, Medien, Telekommunikation. Entsprechend kommen die Mandanten nicht in erster Linie aus dem traditionellen Mittelstand, sondern aus der Kreis der jungen, technologieorientierten und schnell wachsenden Unternehmen der Neuen Wirtschaft. Nicht umsonst unterhält die Sozietät eine Niederlassung in der Boomregion Thames Valley.
Es war im Februar 2001, als deutlich wurde, dass die unterschiedlichen Vorstellungen über die Ausrichtung der Kanzlei nicht mehr unter einen Hut zu bringen waren. Die Fusion war gescheitert, und als Osborne Clarke in Frankfurt eigene Wege ging, brach in Köln die Kluft erst richtig auf. Die Gruppe der jungen Anwälte fasste den Entschluss, ein gemeinsames Konzept für eine Kanzlei neuen Typs zu entwickeln. Es kam zu Gesprächen zwischen Frankfurt und Köln. Ende März fiel dann die Grundentscheidung, mit Osborne Clarke zusammenzugehen - "auf der Grundlage dieses, von den deutschen Anwälten erarbeiteten Konzepts", wie Rizor betont.
Die Grundüberzeugungen passten zusammen. Sieben der acht jüngeren Partner kehrten ihrer alten Kanzlei den Rücken, mit ihnen gingen zehn Anwälte und knapp 30 weitere Mitarbeiter. Die Auflösung der bestehenden Verträge, die Konstruktion der neuen Kanzleistruktur und die Suche nach geeigneten Büroräumen bestimmten die folgenden Monate.

Start-up im Hochhaus.


"Es war gar nicht so einfach, in Köln geeignete Räume zu finden", erinnert sich Rizor. Doch dann entdeckte einer der Anwälte auf seinem täglichen Arbeitsweg eine Angebotstafel für Büroräume. Der Zufallsfund erwies sich als Volltreffer: zwei Büroetagen in einem 13-stöckigen, generalrenovierten Hochhaus an der Inneren Kanalstraße in Köln mit einem grandiosen Blick über die Stadt am Rhein, zudem rechtzeitig bezugsfertig und langfristig mit der Option auf weitere Etagen zu vermieten. In der Zwischenzeit standen auch das Finanzierungskonzept und die Verträge. Die Partner von Osborne Clarke bürgten für Kredite und sorgten, wie schon in Frankfurt, für die technische Infrastruktur. Nicht zuletzt stellten sie ihr Know-how zur Verfügung. "Wir haben wichtige Ratgeber gewonnen, auch wenn wir die Entscheidungen selbst treffen", betont Rizor die weitgehende Eigenständigkeit des deutschen Ablegers. Ein Punkt, der auch Dr. Ebel wichtig ist. "Wir wollen einen eigenständigen deutschen Stil beibehalten", sagt er, und fügt hinzu: "Und dazu gehört die Vorstellung, dass ein Anwalt eine weitere Verantwortung hat als nur Business."

Das Bild oben zeigt Dr. Hans-Rudolf Ebel.

In der neunten Folge am kommenden Montag geht es darum, was die Anwälte von Osborne Clarke anders machen wollen: Neue Strukturen.
Zur Übersicht aller erschienenen Folgen.

Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.

www.osborneclarke.de

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Winfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.

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