Ein "Kulturschock" und die Folgen
Eine Fortsetzungsreportage über die Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke. | Folge 5 |
Fusionen, Abspaltungen, Neuformierungen waren bei den Kanzleien in den letzten beiden Jahren an der Tagesordnung. Aus einer gescheiterten deutsch-englischen Doppelfusion entstanden die deutschen Büros von Osborne Clarke.
Schilling, Zutt & Anschütz, die ehemalige Hauskanzlei des Daimler-Konzerns, war nicht die einzige der renommierten deutschen Traditionskanzleien, die im Fusionsreigen in Turbulenzen geriet. Aber sie war die erste, die daran zugrunde ging. Nach monatelangen Gesprächen über eine internationale Anbindung brach die Mannheimer Kanzlei im hausinternen Streit auseinander. Das blieb kein Einzelschicksal. In den Jahren 2000 und 2001 wurde der Markt gehörig durcheinander gewirbelt.
Spätere Heirat nicht ausgeschlossen.
In diesem Klima von Fusionen, Abspaltungen, Neuformierungen und wachsender Konkurrenz hat auch die Gründung der deutschen Büros von Osborne Clarke ihre Wurzeln. Sie ist das Ergebnis einer gescheiterten Doppelfusion, in deren Zentrum die angesehene deutsche Sozietät Graf von Westphalen stand. Der Name Westphalen ist so etwas wie Urgestein in der deutschen Kanzleilandschaft. Dr. Friedrich Graf von Westphalen ist Mitgründer und Namenspatron eines Kölner Anwaltsbüros, das sich seit der Gründung im Jahr 1973 zu einer der renommiertesten deutschen Wirtschaftskanzleien entwickelte. Zwei Fusionen in den Jahren 1992 und 1997 katapultierten die Kanzlei in die Spitzengruppe der 25 Top-Sozietäten Deutschlands. Mit 41 Partnern, ebenso vielen angestellten Anwälten und 130 Mitarbeitern an zehn Standorten in Deutschland rangierte Graf von Westphalen Fritze & Modest auf Platz 20 der größten Kanzleien hierzulande. Sie war auch eine der ersten deutschen Sozietäten, die ihre Fühler in Richtung internationaler Anbindung ausstreckten - als 1998 das Fusionsfieber den Anwaltsmarkt erfasste, war Westphalen mit dabei. Mit einem englischen Partner, der alteingesessenen, aber modern ausgerichteten Sozietät Osborne Clarke ging man eine "strategische Allianz" ein. Spätere Heirat nicht ausgeschlossen. Der britische Partner war keine schlechte Wahl. Osborne Clarke zählt zu den führenden internationalen Wirtschaftskanzleien mit einem deutlichen Schwerpunkt im Bereich Informationstechnologie und New Economy. Neben Büros in Bristol und London unterhält die Kanzlei eine Niederlassung in der Boomregion Thames Valley, wo zahlreiche Firmen der IT-Branche ihren Sitz haben. Das Profil passte zu dem deutschen Partner, der vor allem mittelständische Unternehmen betreut.
Auf dem Weg zur vollintegrierten Sozietät.
Bereits seit längerem waren beide
Kanzleien in internationalen Mandaten gemeinsam tätig gewesen.
Man kannte sich also und man schätzte sich. 1999 wurden die Bande
enger geknüpft: Die beiden Kanzleien legten ihre Frankfurter
Büros zusammen und arbeiteten nun "zwar nicht unter einem Namen,
so doch unter einer Adresse", wie ein Branchenführer notierte.
Der Kurs führte in Richtung Fusion. Die schon bald aus der Taufe
gehobene Osborne Westphalen Alliance OWA bildete das gemeinsame
Dach, unter dem sich die Vereinigung zu einer, so der
Branchenjargon, "vollintegrierten Sozietät" vollziehen sollte.
Das bedeutete einheitliche Strukturen, ein einheitliches
Management und ein gemeinsames Gewinnverteilungssystem. Dafür war
der britische Partner sogar bereit, seinen Traditionsnamen zu
opfern und auch im Mutterland unter dem Label Osborne Westphalen
aufzutreten.
Wie die Legende will, waren die neuen Briefbögen und
Firmenschilder bereits in Auftrag gegeben, als die Fusionspläne
in Turbulenzen gerieten. Die nahmen von Deutschland ihren
Ausgang, und es war vor allem der hiesige Fusionspartner, der bei
seinem geplanten Höhenflug heftig durchgeschüttelt wurde. Das
hatte mit dem deutschen Anwaltsmarkt im Allgemeinen, vor allem
aber auch mit den weiter gehenden Fusionsplänen der Kölner
Kanzlei zu tun. Denn die hatte sich nicht nur international auf
Brautschau begeben, sondern auch in der renommierten Freiburger
Sozietät Bappert Witz & Selbherr einen attraktiven
einheimischen Partner ausgekuckt.
Kulturschock in der Anwaltsbranche.
Doch mit der Doppelfusion hatte man
das Rad aber offenbar überdreht. Zu unterschiedlich waren die
Interessen. Gewandelt hatte sich auch die Stimmung auf dem Markt.
Konnte es den großen Wirtschaftkanzleien mit der Partnersuche auf
internationalem Parkett zunächst nicht schnell genug gehen,
machte sich nun Katerstimmung breit, der Fusionseuphorie folgte
die Ernüchterung. In der Branche kursierte das Wort vom
"Kulturschock". Gemeint war die vollkommen andere Kanzleikultur,
die mit den englischen Law Firms in Deutschland Einzug hielt. Die
galten als rigide geführt, straff organisiert und weitaus stärker
profitorientiert als die deutschen Sozietäten, in denen
traditionell die Partner das Sagen haben. Dies spiegelt sich auch
in der Gewinnverteilung. Während die englischen Kanzleien in
einen Topf wirtschaften, aus dem die Gewinne dann nach einem
bestimmten Schlüssel an die Partner ausgeschüttet werden, galt in
Deutschland noch weitgehend das "Eat-what-you-kill"-Prinzip: Wer
einen Auftrag akquiriert, der fährt auch den Gewinn ein.
Ganz offensichtlich prallten da zwei Welten aufeinander.
Und die internationale Ausrichtung, die vor einem Jahr noch unter
dem Eindruck der Globalisierung als wünschenswert und notwendig
angesehen worden war, nahm nun bedrohliche Züge an, erschien als
"Kulturschock". Diese Aversion gegen die englische Anwaltskultur
war es wohl auch, die die Fusionspläne binnen kurzer Zeit
scheitern ließ. Dabei schien zunächst alles klar. Anfang 2001
hatte man die geplante Fusion bekannt gegeben. Im ersten Quartal
des Jahres 2001 überschlugen sich jedoch die Ereignisse - und im
März waren die Pläne bereits Makulatur.
Meinungsverschiedenheiten über die richtige Strategie.
Ende Januar billigten die
Freiburger Partner die Fusion mit dem Büro Westphalen. Damit
verschoben sich in dem dezentral organisierten Kanzleiverbund die
Gewichte und eine zögerliche, abwartende Haltung zu den
Fusionsplänen gewann die Oberhand. Osborne Clarke indes blieb
nicht untätig und eröffnete Anfang März im Alleingang in
Frankfurt ein eigenes Büro. Mit dabei waren drei junge Partner
aus der Frankfurter Niederlassung der amerikanisch-deutschen
Kanzlei Coudert Schürmann, Peter Bert, Jörg Bausch und Hassan
Sohbi. Die Rolle des Managing Partners übernahm Adrian Taylor,
der bereits seit einigen Jahren im Frankfurter Westphalen-Büro
die Zusammenarbeit im OWA-Netzwerk koordiniert hatte. Leslie
Perrin, Managing Partner von Osborne Clarke, bekundete zwar nach
wie vor das Interesse an einer Zusammenarbeit mit den deutschen
Partnern. Faktisch war die Fusion aber gestorben.
Im Westphalen-Verbund traten die Meinungsverschiedenheiten
über die richtige Strategie nun offen zutage. Vor allem die
jungen Anwälte im Kölner Büro, die bereits eng mit Osborne Clarke
zusammengearbeitet hatten, plädierten für die Fusion, die älteren
Kollegen und die Büros in Freiburg und Hamburg hielten dagegen
und beharrten auf deutscher Eigenständigkeit. Die Gräben erwiesen
sich als unüberbrückbar. Im April kam es zum Bruch, das Kölner
Büro spaltete sich. Acht Partner entschlossen sich, zusammen mit
elf Mitarbeitern die Kanzlei zu verlassen, um in Köln einen
Standort für Osborne Clarke aufzubauen. Unter ihnen war auch
Stefan Rizor, der für das Kanzleimanagement verantwortlich
gezeichnet hatte. Seniorpartner Dr. Friedrich Graf von Westphalen
hingegen sprach sich nun gegen die Fusion aus. Begründung: Er
wolle weiterhin in einer selbständigen deutschen Sozietät
arbeiten und "weder nach London noch nach Bristol reporten".
Ähnlich lautende Stellungnahmen kamen aus dem Freiburger und dem
Hamburger Büro: Man wolle sich international keiner
zentralistischen Organisation aussetzen, hieß es dort. In
Betracht komme nur "eine echte Allianz gleichberechtigter,
selbständiger Partnerkanzleien." Keine vollintegrierte Sozietät
also. Der Kulturschock provozierte eine Gegenreaktion.
Aus Sicht der "Rebellen" stellte sich dies freilich ganz
anders dar. Um ihre Beweggründe und um die ersten Schritte der
Gründung der deutschen Büros von Osborne Clarke geht es in Folge
6.
Folge 6 erscheint am kommenden Montag.
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Folgen.
Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.
Mit einer Grafik von Limo Lechner
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Autor
Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.