Nein, nicht zwangsläufig. Nur die wenigsten Kinder in unserer Klinik haben solche außergewöhnlichen Schwierigkeiten: Diese Schlagzeilen sind irreführend und haben mit dem Alltag unseres Faches nur wenig zu tun. Im Gegenteil: Sie fördern eher Vorurteile und verhindern damit wichtige Hilfe für Kinder, die unter weniger spektakulären Symptomen leiden. Wir müssen in solchen Fällen sehr genau hinschauen: Wenn die genannten Auffälligkeiten die Folge einer seelischen Erkrankung sind und die Not der Kinder ausdrücken, dann sind wir die richtigen Ansprechpartner. Allerdings ist derart auffälliges Verhalten nicht die übliche Symptomatik von seelischen Erkrankungen. Weitaus häufiger sind Depressionen, Anpassungsstörungen, Ess- oder emotionale Störungen. Ist das auffällige Verhalten aber eher auf eine vernachlässigte oder gleichgültige Erziehung zurückzuführen, dann hat das Jugendamt mit den Hilfen zur Erziehung die angemesseneren Möglichkeiten. Das macht folgendes Beispiel deutlich: Wenn in einem Haushalt mit kleinen Kindern kontinuierlich der Fernseher mit gewalttätigen Filmen läuft, lernen diese Kinder kein sozial angemessenes Verhalten im Umgang mit Aggressivität. Das kann zu erheblichem Fehlverhalten führen. Sind die Kinder richtig erzogen und weisen dennoch solche Verhaltensweisen auf, wie starke, auffällige Aggressionen, dann liegt der Verdacht einer Erkrankung nahe. Schwierig wird es natürlich, wenn ein Kind gleichzeitig psychisch krank und vernachlässigt erzogen ist.
Sie kommen dann zu uns, wenn sie die alterstypischen Anforderungen des Alltags nicht mehr erfüllen können und mit auffälligem Verhalten reagieren. Entweder zeigt sich ein starker Rückzug - das Kind lässt keinen mehr an sich heran und wirkt depressiv - oder es reagiert übermäßig aggressiv. Problematisch sind Fälle, in denen eine Kombination beider Verhaltensweisen vorliegt.
Vorsicht, es sind nicht nur Überforderungssituationen. Hinter einem solchen Verhalten kann genauso gut eine Unterforderung stecken. Zum Beispiel griff das Handelsblatt das Thema Hochbegabte vor einiger Zeit auf. "Der tut nix! Er will nur denken" war der Aufmacher des Artikels. Das zeigt, dass Hochbegabte bei uns kritisch betrachtete Randgruppen sind. Das kann hochbegabte Kinder und Jugendliche in Situationen bringen, mit denen sie intellektuell unterfordert und gleichzeitig emotional überfordert sind.
Wie schon gesagt: durch Rückzug oder Aggression. Bei älteren Jugendlichen beobachten wir zudem Essstörungen, Psychosen oder Depressionen. Dabei ist zu beachten, dass bei seelischen Erkrankungen immer mehrere Auslöser eine Rolle spielen: Neben der individuellen Disposition tragen auch belastende Faktoren aus der Umgebung des Kindes zum Ausbruch der Erkrankung bei. Eine ganz wichtige Rolle nimmt in diesem Zusammenhang die Schule ein, die ja eigentlich der "Arbeitsplatz" des Kindes oder Jugendlichen ist. Dort zeigt sich ganz deutlich ihre Not.
Es gibt mehrere Therapieformen. In der Diagnostikphase erfassen wir zuerst die individuellen Stärken und Handicaps des Kindes oder Jugendlichen, um dann mit der Therapie zu beginnen: Zum Beispiel führen wir regelmäßige Einzelgespräche mit den Jugendlichen oder arbeiten mit den jüngeren Kindern im Spieltherapiezimmer. Zudem bieten wir kreative Therapien mit Musik, Tanz oder Malerei an, da Kinder dort vieles ausdrücken oder erfahren können, wo ihnen Worte (noch) fehlen. Wir halten aber auch gruppentherapeutische Angebote vor. Dazu zählt zum Beispiel das Zauberprojekt, in dem Kinder lernen, miteinander verlässlich umzugehen, Absprachen einzuhalten und sich gegenseitig anzuerkennen. So wecken wir spielerisch ihr Interesse und ihre Begeisterung. Daneben beziehen wir aber auch die Schule in die Diagnostik mit ein - denn hier spielen sich die Probleme der Jugendlichen ab. Gleichzeitig versuchen wir aber auch, die Lücken in der schulischen Erziehung so niedrig wie möglich zu halten, indem wir sie an einer klinikinternen Schule unterrichten. Das ist gar nicht so einfach: Wenn die Kinder zu uns kommen, ist in der Regel der seelische Druck auf sie so groß, dass der schulische Alltag für sie kaum zu bewältigen ist.
Man muss seine persönliche Biografie und seine Erinnerungen sortiert haben, um nicht die Lebenssituationen des Patienten mit den eigenen Lebenssituationen zu verwechseln. Man muss die Situationen neutral beurteilen und nicht nur fragen: "Was hat mir damals geholfen?", sondern auch: "Welche Unterstützung braucht dieses Kind und diese Familie heute?" Zudem darf man sich bei allem notwendigen Mitgefühl nicht vom Mitleid verzehren oder blockieren lassen.
Eingreifen würde ich es nicht nennen, da Familien Veränderungen selbst zulassen müssen. Die Unterstützung der Eltern ist aber sehr wichtig. Ein Teilbereich der Therapie ist daher die Familientherapie. Dabei integrieren wir die Familie in den Behandlungsprozess, so wie Eltern zum Beispiel in der Chirurgie dabei angeleitet und beraten werden, wie ihre Kinder nach einem gebrochenen Bein die Gehstützen am besten verwenden. Wir verstehen dies als eine Art "Coaching" für die Familien, angepasst an die individuellen Verhältnisse: zum Beispiel die Zahl der Geschwister, den Bildungsgrad oder die schulische Situation.
Für eine Diagnose sollten die Kinder sechs bis acht Wochen bei uns sein, da sie eine längere Auftauphase benötigen. Bei einer Therapie ist ein stationärer Aufenthalt von drei bis sechs Monaten nicht ungewöhnlich.
Ja, Kinder können seelische Gesundheit erreichen. Schwierige, bedrückende Erfahrungen kann niemand ungeschehen machen. Aber die Belastungen oder Grübeleien sollten nicht die Zukunft bestimmen dürfen. Wenn es uns gelingt, einem Kind Möglichkeiten zu vermitteln, von bedrängenden, mächtigen und schlechten Erfahrungen nicht immer wieder gedanklich und gefühlsmäßig in die Vergangenheit gezogen zu werden, dann kann dieses Kind wieder viel optimistischer, offener, interessierter und oft auch erfolgreicher mit seiner persönlichen Zukunft, seinen Begabungen und Fähigkeiten umgehen.
Susanne Eyrich
Pressesprecher
Regio Kliniken gGmbH
Bleekerstr. 5
25436 Uetersen
Telefon 04122/469-1764
Telefax 04122/469-1822
Susanne.Eyrich@regiokliniken.de
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