Eckart von Hirschhausen ist einer der zahlreichen Autoren des Buches, die sich mit dem Wahnsinn des Geschäftsalltags auseinandergesetzt haben und von ihren persönlichen Erlebnissen erzählen. Witzig, ein wenig lehrreich und traurig zugleich. Im Hinterkopf ist dabei immer die Frage: Ist das möglich? Wie kommt solches Fehlverhalten zustande? Wieso beherrscht ein renommierter Autobauer die einfachsten Methoden des Kundenservice nicht? Und wieso unterbreiten Mitarbeiter eines Callcenters ihren Kunden Angebote, die gar nicht zur Verfügung stehen? Antworten darauf geben beispielsweise Erich-Norbert Detroy, Cristian Galvez, Cornelia Topf und Martin Limbeck. Ein Buch, in dem der Horror fröhliche Urständ feiert: Schonung kommt keinem zu.
Wenn jetzt jemand ranginge ...
Es ist wie im Gruselkabinett: Jede
Menge Blut, Totenschädel, Spinnen, Raben sowie Dornenranken und
herausgelöste Augäpfel zieren Buchseite um Buchseite. Diese
grafischen Elemente winden sich um Selbstüberschätzung,
Leichtsinn und Dummheit. Daraus sind die Horrorgeschichten
gestrickt. Und zumeist ist es der Kunde, der darin in den sauren
Apfel beißt, die Nerven verliert und kurz vor einem Wutausbruch
steht. Wie der Anrufer beim Callcenter, dem man per Tonband
bereits zum 36. Mal sagt, wie wichtig man seinen Anruf nehme, und
ihn bittet, er möge nicht auflegen, weil sich
bestimmt gleich jemand meldet - ja, wenn jetzt jemand
ranginge: "Ich würde ihn erst verbal zusammenscheißen, dann
sämtliche Callcenter der Lufthansa auf der ganzen Welt in Schutt
und Asche legen. Und es würden Wochen vergehen, bis jemand einen
Unterschied im Service überhaupt bemerkt!" Schreibt Hirschhausen
süffisant.
Von solchen Übertreibungen lebt das ganze Buch, aber jede
Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten, versichern die
Autoren. Wie die Beobachtungen von dem Trainer und Coach Dirk
Kreuter auf einer Messe: "Mittendrin steht eine Hostess. Sehr
hübsch, sehr blond, sehr lange Beine. Ultrakurzer Minirock. An
die Frau kann ich mich gut erinnern - an die Firmenpräsentation
nicht ansatzweise." Sagt er. Gefragt sei vielmehr kompetentes
Personal, das Produkte, Investitionsgüter oder Dienstleistungen
prägnant erklären kann - nicht Models, die in absonderlichen
Kostümen über die Messe ziehen: als Telefone, Früchte oder
Flaschen, tanzend oder auf Rollerblades. Schlimm auch, wenn der
Mitarbeiter kein Englisch spricht, oder eine "Weltneuheit"
angekündigt wird, aber der Prototyp nicht rechtzeitig fertig
geworden ist.
Das Genie und das Chaos.
Schonung finden auch nicht der
Büroalltag und dessen Missstände. So erzählt der Trainer
Erich-Norbert Detroy beispielsweise die Geschichte vom Manager,
der zwar fachlich kompetent ist, aber von der Führung seiner
Mitarbeiter keine Ahnung hat. Ebenso darin: wohl einer der
chaotischsten Arbeitsplätze überhaupt. Aktenberge türmen sich
dort sowie Papierstapel, Kataloge, Produkte, Stifte, Essensreste
und jede Menge Post-its. "Mit dem dort gehorteten Schriftverkehr
könnten ganze Unternehmen gegründet werden. Statistiken,
Kaufverträge, Wachsmalzeichnungen der lieben Kleinen, die
mittlerweile ihren Abschluss auf der Uni machen." Das ist ein
kleiner Ausschnitt aus dem Albtraum des Experten für
Büroeffizienz Jürgen Kurz.
Was aber im ganzen Buch fehlt, ist der zwischenmenschliche
Umgang der Kollegen, wenn Neid und Missgunst ins Büro einziehen:
Machtspiele und Mobbing sind in dem Buch kein Thema. Dafür macht
sich der Ethik-Professor Guido Palazzo über das Wesen des Bösen
Gedanken und beantwortet die Frage, warum auch gute Manager
unethisch handeln: Vor allem weil sie verlernt hätten, "durch
einen möglichst großen Filter auf die Welt zu schauen und sich
darüber bewusst zu sein, dass man an der Universität und im Job
auf einen immer engeren Filter trainiert wird". Zum Beispiel auf
Gewinnmaximierung.
Zusammenfassend wird hier jeder seine persönliche
Horrorgeschichte finden - das Spektrum umfasst so gut wie jeden
Geschäftsbereich. Gleichzeitig wird sich der Leser von diesem
Erlebnis auch distanzieren können, denn Geschichten schaffen
Abstand, wie der Herausgeber und Erfolgsautor des Buches, Stefan
Frädrich, richtig sagt. Doch zuallererst bietet das Buch
Lesevergnügen.
Florian Michl ist freier Mitarbeiter bei changeX.
Stefan Frädrich:
Business Book of Horror.
Gabal Verlag, Offenbach 2008,
232 Seiten, 24.90 Euro.
ISBN 978-3-89749-844-0
www.gabal-verlag.de
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