Die erste Phase der Globalisierung ist zu Ende, die zweite Phase der wirtschaftlichen Vernetzung hat längst begonnen. Schreibt Innovations- und Transformationsspezialist Stephan Scholtissek in seinem neuen Buch Multipolare Welt. Während in den 80er- und 90-er-Jahren noch die drei ökonomisch stärksten Regionen der Nachkriegszeit - USA, Westeuropa und Japan - die treibenden Kräfte der Globalisierung waren, ist unterdessen wenigstens ein halbes Dutzend der Schwellenländer zu Wirtschaftsriesen aufgeschossen. Das verändert das Bild der Globalisierung grundlegend: Schon in wenigen Jahren werden wir alle in einer multipolaren Welt leben, in der neue Wirtschaftsmächte wie China und Indien, Russland und Brasilien, Mexiko und Südkorea, aber auch Australien, die Golf- und die baltischen Staaten mit den alten Industrienationen weltweit um Märkte und Ressourcen wetteifern werden. Das freilich führt zu einer Neuverteilung von Chancen und Risiken - nicht unbedingt zum Nachteil Deutschlands. "Diese rapide Vermehrung der ökonomischen Großmächte birgt für Deutschland, seine Unternehmen und Bürger keineswegs nur neue Wohlstandsrisiken, sondern ebenso neue Chancen." Scholtissek beschreibt die Triebkräfte der neuen Globalisierungsphase, die daraus entstehenden Herausforderungen für Staaten und Unternehmen und beschreibt anschaulich die globalen Zusammenhänge der neuen Weltwirtschaft. Nicht zuletzt entwirft er ein Leitbild davon, welche Rolle Deutschland in der multipolaren Zukunft spielen könnte.
Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte.
IT-Revolution, weltweite Liberalisierung und multinationale Großkonzerne sind als treibende Kräfte nicht neu. "Doch durch das Erstarken der bisherigen Schwellenländer hat sich die Globalisierung von einem übersichtlichen Einbahnstraßensystem zu einem verschlungenen Verkehrsnetz weiterentwickelt, dessen Highways immer mehr Spuren dazubekommen und die in beide Richtungen befahrbar sind." Die Situation der multipolaren Weltwirtschaft schlüsselt Scholtissek in fünf Herausforderungen auf, von denen jede einzelne Staaten, Unternehmen und Arbeitnehmer betreffe: Es wird einen globalen Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte und einen Kampf um Rohstoffe geben. Die Kapitalströme und die Konsumentenmärkte verändern sich. "Bereits 2005 wird mehr als die Hälfte aller weltweit angebotenen Kühlschränke oder Hi-Fi-Anlagen, Personal Computer oder Nahrungsmittel, Anzüge oder Autos in den neuen Boomregionen gekauft werden." Aber auch Erfindungen werden multipolar. Die Zeit, in der technische Neuerungen fast ausschließlich von Japan, den USA und Westeuropa ausgingen, sei vorbei: "Erfindungen und Weiterentwicklungen werden künftig nicht mehr nur von Silicon Valley oder München, sondern ebenso von Bangalore oder Peking, Krakau oder Rio de Janeiro ausgehen." Um mit den Veränderungen Schritt halten zu können, empfiehlt Scholtissek: Den Markt beobachten und jederzeit bereit sein, das Geschäftsmodell neu zu justieren.
Von Geist zu Gold.
Auch Deutschland muss sich dem Wandel stellen. Doch nicht, indem sich der Exportweltmeister auf einen Wettlauf um Einfach-Arbeitsplätze einlasse. Vielmehr muss Deutschland sein Innovationspotenzial nutzen. "Der Standort Deutschland hat zweifellos noch immer das Zeug zum Innovations-Champion", schreibt Scholtissek. Doch nur wenn die kreativen Ideen auch in erfolgreiche Produkte umgesetzt würden, gelinge "die Alchemie des kapitalistischen Zeitalters - die Transformation von Geist zu Gold, von Erfindergenie zu gesellschaftlichem Wohlstand". Die Anpassungen werden auf vielen Ebenen laufen müssen: Es werden horizontale Netzwerkstrukturen erforderlich sein, die eine flexible Teambildung erlauben. Die Mitarbeiterführung wird sich an Zielvereinbarungen orientieren - "und nicht mehr an Aufgaben, die der Vorgesetzte verteilt, oder gar einer in Stunden und Tagen bemessenen Anwesenheitspflicht für die Mitarbeiter am Arbeitsplatz". Auch die Bildung wird sich verändern müssen: Das traditionelle Nacheinander von Studium und Beruf wird einer Parallelisierung weichen. Der Nachwuchs wird neben der theoretischen Ausbildung frühzeitig ins Arbeitsleben integriert werden. Umgekehrt müssten die Arbeitnehmer der Zukunft ihr Wissen während des gesamten Berufslebens aktualisieren.
Grenzenlose Chancen.
Scholtissek fordert auf, den Wandel aktiv zu gestalten und nicht einer Vergangenheit hinterherzutrauern, die geprägt ist von vertrauten Abläufen und gewohnten Routinen. Das aber verlangt, der Dynamik der künftigen Entwicklungen ins Auge zu sehen und sich den Herausforderungen zu stellen. Auf die Zukunft könne man sich freuen, sagt Scholtissek. Sie gehört der "multipolaren Welt mit ihren professionell beherrschbaren Risiken und fast grenzenlosen Chancen".
Sascha Hellmann ist freier Mitarbeiter bei changeX.
Stephan Scholtissek:
Multipolare Welt.
Die Zukunft der Globalisierung und wie Deutschland davon
profitieren kann.
Murmann Verlag, Hamburg 2008,
277 Seiten, 22.50 Euro.
978-3-86774-027-2
www.murmann-verlag.de
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Stephan Scholtissek: Multipolare Welt. . Die Zukunft der Globalisierung und wie Deutschland davon profitieren kann. . Murmann Verlag, Hamburg 1900, 277 Seiten, ISBN 978-3-86774-027-2
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Sascha HellmannSascha Hellmann ist freier Journalist in Heidelberg. Er arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.