Eva und Lilith, zwei mythologische Frauengestalten, die bis heute das Selbstverständnis von Frauen in der westlichen Welt prägen: "Die patriarchalische Kultur spaltet hier in brutaler Weise das Frauenbild in die Heilige und die Hure", schreibt Susanne Kleinhenz. Mit weit reichenden Folgen. Denn bis heute seien Frauen zerrissen und ambivalent: Welche Frau will ich sein, welcher Rollenerwartung folgen? In der Frage des Berufs brechen diese Bilder dann endgültig auseinander: hier die treusorgende Ehe- und Hausfrau, dort die erfolgreiche, lustvolle Karrierefrau. Während sich Frauen zu einer Entweder-oder-Entscheidung gezwungen fühlten, so die Autorin, bestätigten Männer die Spaltung des weiblichen Bildes durch ein munteres Sowohl-als-auch: Eva-Ehefrau und Lilith-Geliebte. So weit, so holzschnittartig.
Die Ambivalenz erkennen.
Doch erfreulicherweise benutzt
Kleinhenz die Mythologie, um einen differenzierteren Blick zu
eröffnen. Einen Blick auf die Traditionen, in denen wir stehen -
ob wir wollen oder nicht. Auf die Muster, nach denen wir ticken -
ob wir es merken oder nicht. "Mit dem Bewusstsein für die
Spaltung des weiblichen Prinzips bekommen Sie die Möglichkeit zur
Entscheidung für das eine oder andere Frauenbild oder für die
Integration beider."
Zwar ist die Zeit der reinen Evas oder Liliths längst
vorbei, doch lebt die Ambivalenz weiter fort. Kleinhenz'
Überzeugung: Weil Frauen immer noch nicht diese historisch
gewachsene Ambivalenz erkennen, sich mit ihr auseinandersetzen,
um sich dann von ihr zu lösen, schaffen sie es so häufig nicht,
ihre Chancen wahrzunehmen. Denn noch immer "gibt es Vorbehalte
gegen die beruflich erfolgreiche und absolut selbstständige
Frau". Diese stecken nicht alleine in den Köpfen von Männern, die
ungern ihre gewohnte und bequeme Machtposition aufgeben wollen,
"sondern sind auch bei den Frauen selbst zu finden, die sich
häufig weniger zutrauen, als sie können." Dabei heißt die Zukunft
nicht "entweder - oder". Im Gegenteil: Die Zukunft ermöglicht
Frauen das Sowohl-als-auch, ohne ihre Weiblichkeit aufgeben zu
müssen. Wenn sie es angehen.
Daher heißt der erste Schritt: Standortbestimmung: Wie
viele Prozent Lilith und wie viele Prozent Eva stecken in mir?
Mit Tests und einer ordentlichen Portion Selbstreflexion sollen
sich Leserinnen dieser Frage nähern. Der Blick in die Mythologie
soll ihnen helfen, ihren Standpunkt zu entdecken und erfolgreiche
Strategien für das eigene Leben zu entwickeln. "In der Mythologie
der Griechen finden Sie weibliche Strategien für Beruf und
Privatleben in kraftvollster und lebendigster Form", schreibt
Kleinhenz. Typische Frauengestalten mit typisch weiblichen
Strategien gibt es dort in Fülle: Die starke Medea, die
verführerische Circe, die gewandte Aphrodite, die kreative Muse,
die vernunftbetonte Artemis, die mutige Amazone. Indem sie ihre
Geschichten erzählt, will Susanne Kleinhenz Frauen mehr über
weibliche Muster in der Geschichte des Abendlandes, also mehr
über sich selbst offenbaren. So interessant die Reise zu den
Wurzeln des Abendlandes auch ist, geraten die Erzählungen auf
Dauer doch etwas ermüdend.
Die Chancen des 21. Jahrhunderts.
Gleichwohl, die Grundidee ist richtig. Nur wer einen Standpunkt hat, kann sich behaupten, im privaten wie im Berufsleben. Wer hingegen nicht weiß, wer er ist, was er will und wofür er steht, ist von anderen leichter zu manipulieren. Gerade Frauen fehle es manchmal, so Kleinhenz, an einer Position. Diese aber ist die Voraussetzung dafür, um so aufzutreten, wie es ihren individuellen Interessen und Wünschen entspricht - und damit die großen Chancen zu nutzen, die ihnen das 21. Jahrhundert, das Jahrhundert der Kommunikation, bietet. Denn die, so die Autorin, sind gerade für Frauen besonders groß. "Das Patriarchat hat seine Grenzen erreicht. Wir stehen am Anfang eines Jahrhunderts, in dem Frauen erstmals die gleichen Chancen im Beruf haben werden wie die Männer - wenn sie sie ergreifen."
Susanne Kleinhenz:
Das 21. Jahrhundert ist weiblich.
Weiblich bewegt und erfolgreich in eine neue Zukunft,
GABAL Management, Offenbach 2007,
249 Seiten, 29.90 Euro,
ISBN 978-3-89749-667-5
www.gabal-verlag.de
Anja Dilk ist Redakteurin bei changeX.
© changeX [26.01.2007] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Anja DilkAnja Dilk ist Berliner Korrespondentin, Autorin und Redakteurin bei changeX.