Jens Weidners Ratgeber passt blendend zur schwächelnden Konjunktur. Er verpasst denjenigen, die regelmäßig untergebuttert werden und nicht den richtigen Kampfgeist aufbringen, Nachhilfe in Aggression: Raus aus der Opferrolle, aber dalli! Mehr Biss, bitte!
Doch da sich kaum einer gerne zu seinen Aggressionen bekennt und schon der Begriff mit einer ganzen Wagenladung von negativen Assoziationen befrachtet ist (jedenfalls seit es aus der Mode geraten ist, auf Bäumen zu wohnen und sich im Kampf um ein totes Tier gegenseitig niederzuknüppeln), muss Weidner immer wieder erklären, beruhigen, abgrenzen. Es soll bloß keiner auf die Idee kommen, dass er zum modernen Rowdytum aufruft. Toughes Auftreten und sich sinnlos mit Chefs anzulegen, so erinnert er dezent, hat meist eher schmerzhafte Folgen. Das Ziel, das er seinen Lesern im Vorwort schmackhaft macht, heißt stattdessen: "Durchsetzungsstärke ja - Ellenbogenkarriere nein!" Oder anders gesagt: 80 Prozent milde Paprika-Süße, 20 Prozent Peperoni-Würze.
Doch trotz dieser beruhigenden Worte vermittelt sein Buch eine ganze Menge Strategien, auf die auch Machiavelli stolz gewesen wäre. Denn Weidners Grundbotschaft ist: "Gutmenschentum funktioniert nicht!" And an anderer Stelle gibt er zu Protokoll, dass das Ideal, durchsetzungsstark und gleichzeitig rücksichtsvoll zu sein, ein angenehmer Selbstbetrug, aber kein realistisches Ziel ist: "Wenn man sich durchsetzt, bleiben andere Zeitgenossen leider auf der Strecke."
Akzeptieren mag man das als Leser deshalb, weil sein Ratgeber so augenzwinkernd geschrieben ist und - im Gegensatz zu knallharten Werken wie Hedwig Kellners Das Wissen der Karriereprofis - vor allem als Notwehr-Instrument gedacht ist. Eine Ellenbogengesellschaft ist nicht in seinem Sinne, er stärkt vor allem denjenigen den Rücken, die in Gefahr sind, den Ellenbogen abzukriegen.
Bloß nicht unterbuttern lassen.
Also erst mal einsteigen und im
Selbsttest sein Biss-Potenzial und seinen Schärfegrad ergründen.
Wer hier als Weichei, Warmduscher oder Hascherl auffällt, der
darf weiterlesen. Besonders auf Harmonie bedachten Zeitgenossen
wird die Lektüre sogar dringend empfohlen, denn sie neigen zur
Auto-Aggression, also Selbstverletzung - es ist zweifelsfrei
gesünder, anderen die Meinung zu geigen. Glücklicherweise lernt
man bei Weidner den bewussten Umgang mit seinen Aggressionen (was
Weidner fröhlich interpretiert als "One evil action every day
keeps the psychiatrist away!").
Dabei sollte man chancenlose Kraftproben unterlassen und
sich nur gründlich vorbereitet in Konflikte hineinbegeben. Dazu
gehört, regelmäßig eine Gegenspieleranalyse durchzuführen und
seine Abwehrrhetorik durch gezieltes Üben zu perfektionieren.
Denn: "Wer sich vor Ihrer Schlagfertigkeit, Ihrer Abwehrrhetorik
fürchtet, wird Sie nicht angreifen. Angreifer suchen sich
Schwächere." Selbst eine Anleitung für inszenierte Wutausbrüche
findet man bei Weidner.
Besonders nützlich ist die Lektüre von
Die Peperoni-Strategie für Führungskräfte. Denn Führung
geht, so Weidner, nur mit einem gewissen Maß an Aggression. Wer
Mitarbeiter unter sich hat, muss taff genug sein, schwierige und
auch mal unbeliebte Entscheidungen zu treffen und sich nicht in
den Machtspielchen der anderen Manager aufreiben zu lassen. Die
Parole heißt: Schwein sein, aber bitte mit Stil. Dabei kann man
sich gerne auf neueste Erkenntnisse der Forschung berufen: Eine
Befragung der Schweizer Beratungsfirma Management Training
Systems unter Mitarbeiterinnen und weiblichen Führungskräften hat
ergeben, dass diese nicht unter zu autoritären, sondern unter zu
schwächlichen Kollegen und Chefs leiden. Aber auch Teams können
im schlimmsten Fall zu einer Keimzelle von Wettbewerb und
Intrigen werden - da heißt es gewappnet sein.
Eine gute Position in der Büro-Hackordnung.
Respektlos, alltagspraktisch und in
flotter Sprache vermittelt Jens Weidner netten Zeitgenossen, wie
man sich gegen Angriffe missgünstiger Kollegen wappnet und lernt,
Nein zu sagen. Dafür muss man seelische Verletzungen unter die
Lupe nehmen, denn aus solchen Wunden lässt sich - erstaunlich,
aber wahr - Stärke ziehen: "Wenn Sie sich vor Augen halten, dass
diese Anklage, diese Unterstellung, diese Verletzung das
Schlimmste ist, was Ihnen verbal angetan werden kann, dann werden
Sie diese Erkenntnis als ungemein befreiend empfinden. Schlimmer
kann es nicht mehr kommen."
Besonders reizvoll ist in Weidners Ratgeber, dass er -
heute Professor für Erziehungswissenschaften und Kriminologie -
witzig-spannende Anekdoten über seine Arbeit mit Streetgangs und
straffälligen Jugendlichen einfließen lässt (die er natürlich mit
einem Anti-Aggressions-Training behandelt hat, nicht mit der
Peperoni-Strategie). Um mit solchen harten "Kunden" klarzukommen,
musste er erst einmal eigene Erfahrungen mit Aggression machen
und eine Menge über die Art und Weise, wie Gruppenhierarchien
funktionieren, lernen.
Aus diesem Know-how gewinnt er eine Fülle von Tipps, wie
man vermeidet, auf die unterste Stufe der Büro-Hackordnung zu
sinken: Negative Gerüchte sofort dementieren, sonst setzen sie
sich fest! Biss mit Humor hat Würze und kommt an! Nachtragend
sein! Einen Anführer oder eine graue Eminenz als Fürsprecher
suchen! Laufjungenrolle vermeiden - Freundlichkeit wird leicht
als Schwäche ausgelegt! In vielen Abschnitten geht Weidner
speziell auf Strategien für weibliche Führungskräfte ein - denn
in der Chefetage allzu lieb zu sein, funktioniert nicht. Da ist
es gut zu wissen, dass beispielsweise ein edles Outfit Machos
einschüchtert und vor Respektlosigkeit und Kumpelhaftigkeit
schützt, dass man als Frau unbedingt vermeiden sollte Kaffee zu
kochen und dass es auch nicht angeraten ist, nett zu seinen
Gegenspielern zu sein. Wer es dagegen schafft, mütterlich-streng
aufzutreten, der nutzt eine spezielle Anfälligkeit von Männern:
Bei der Mama wird so mancher fiese Karrierist wieder zum
gehorsamen kleinen Jungen.
Damit nach der Lektüre nicht reihenweise Beziehungen und
Freundschaften zu Bruch gehen, weist Weidner klugerweise auf die
Risiken und Nebenwirkungen seines Buches sein: "Im Privaten sind
nicht strategisches Geschick und Cleverness gefragt, sondern
Miteinander und Einfühlungsvermögen." Wer daheim Schärfe und Biss
will, der sollte besser mal wieder was mit reichlich Chili kochen
und Nudeln al dente servieren.
Sylvia Englert, Journalistin und Buchautorin, ist Redakteurin bei changeX.
Jens Weidner:
Die Peperoni-Strategie.
So setzen Sie Ihre natürliche
Aggression konstruktiv ein.
Campus Verlag, Frankfurt/New York 2005,
197 Seiten, 19.90 Euro
ISBN 3-593-37788-8
www.campus.de
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Jens Weidner: Die Peperoni-Strategie. . So setzen Sie Ihre natürliche Aggression konstruktiv ein. . Campus Verlag, Frankfurt/New York 1900, 197 Seiten, ISBN 3-593-37788-8
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