Just in time und on the job
Trends in der beruflichen Weiterbildung.
Von Nina Hesse
In der Weiterbildungsbranche werden immer kostengünstigere und effektivere Lernkonzepte entwickelt, denn zurzeit sparen viele Unternehmen bei Qualifizierung und Personalentwicklung. Aber vielleicht nicht mehr lange: Durch die neuen, ab 2005 für börsennotierte Unternehmen verbindlichen International Accounting Standards (IAS) wird der Wissensstand der Belegschaft bilanzrelevant. Das zwingt die Unternehmen, die betriebliche Weiterbildung ernster zu nehmen denn je.
Die Weiterbildungsbranche hat es zurzeit nicht leicht. Lebenslanges Lernen? Ist vielen zu teuer und zu anstrengend. Bildung und Kompetenz als wichtiger Produktionsfaktor für den Standort Deutschland? Wird offensichtlich über Bord geworfen, sobald die Konjunktur lahmt. "Der Weiterbildungsmarkt in Deutschland dürfte im Jahr 2003 schätzungsweise um rund zehn Prozent geschrumpft sein", stellt die Lünendonk GmbH in ihrer Untersuchung über führende Anbieter beruflicher Weiterbildung fest. Einerseits, weil in den Unternehmen Personalentwicklungsprogramme und Qualifizierungsmaßnahmen verschoben oder gleich ganz gestrichen werden. Andererseits, weil öffentliche Fördermittel deutlich spärlicher fließen. Besonders längere Umschulungen werden kaum noch bewilligt. "Stattdessen spielen modulare, kompakte Angebote und kurzfristige Maßnahmen eine immer größere Rolle", erklärt Karin Dollhausen vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE).
Manche der großen Player der Weiterbildungsbranche mussten Umsatzrückgänge von 25 Prozent und mehr verkraften - LS training and services, in der neuen Lünendonk-Liste auf Platz 1 der IT-Weiterbildungsanbieter, kam mit einem Rückgang von 14,9 Prozent noch vergleichsweise glimpflich davon. Eins ist sicher: Der Verdrängungswettbewerb auf dem Markt wird härter. "Marktbereinigung" nennen das manche, denn in der Weiterbildung tummelt sich eine unübersichtliche Fülle von Kleinstanbietern. Andere Experten rechnen dagegen mit einer noch weiter zunehmenden Fragmentierung des Markts, denn wenn in dieser Branche ein großes Unternehmen Pleite geht, machen sich dessen Trainer gewöhnlich selbstständig. Allerdings ist in diesen Fällen oft schwer zu beurteilen, ob die Seminare überhaupt empfehlenswert sind. "Ein wichtiger Trend in der Branche ist garantierte Qualität", meint Joachim König, Geschäftsführer von LS training and services. "Unsere Position ist hier sehr gut. Wir sind nach ISO zertifiziert und mit der strengen Siemens-internen Qualitätskontrolle groß geworden. Ich kann mir vorstellen, dass Unternehmen sich in Zukunft lieber für eine enge Kooperation mit ein oder zwei zertifizierten Trainingspartnern entscheiden statt für die Zusammenarbeit mit fünf oder sechs verschiedenen Anbietern."

"Harte Themen" sind in.


Zurzeit werden in Unternehmen Schulungen vor allem dann genehmigt, wenn sie sofort verwertbare Kompetenzen betreffen - zum Beispiel Software-Know-how, das die Mitarbeiter wegen einer IT-Umstellung benötigen. Einen schweren Stand haben dagegen laut der Studie Weiterbildungsszene Deutschland 2004 "weiche" Themen wie Kreativität und Teammanagement - wo der Verlust von Arbeitsplätzen droht, stehen andere Themen auf der Tagesordnung. Aber auch Qualitäts- und Servicethemen sind nicht en vogue; die Angebote konzentrieren sich nun stärker auf den Aufbau von dauerhaften Kundenbeziehungen - und auf das Beschwerdemanagement. "Der Bedarf an Letzterem ist offensichtlich hoch. Aktuelle TÜV-Statistiken zum Beispiel weisen darauf hin, dass es mit der hoch gelobten Qualität und Zuverlässigkeit renommierter deutscher Automarken in jüngster Zeit steil bergab geht", erklärt Jürgen Graf, Redakteur der Zeitschrift managerSeminare und Autor der Studie.
Verkaufstrainings dagegen haben weiterhin regen Zulauf. In ihnen sehen Unternehmen immer noch ein probates und schnell wirksames Mittel gegen die schon sprichwörtliche Konsumzurückhaltung. Als weitgehend krisenfest erweisen sich auch Führungstrainings. Kein Wunder: Wenn die Konjunktur schwächelt, ruft man gerne nach starken Persönlichkeiten - und Führungskräfte sind in schwierigen Zeiten, in denen Angst und Konflikte im Unternehmen zunehmen und Umsatz und Ergebnis zu wünschen übrig lassen, überdurchschnittlich gefordert. Auch Schulungen in Sachen betriebswirtschaftliches und strategisches Know-how sind laut der Studie Weiterbildungsszene Deutschland 2004 gefragt. Zeitmanagement- und Selbstorganisationstrainings bekommen die Mitarbeiter jedoch trotz des Zeitdrucks und der hohen Arbeitsbelastung selten genehmigt, viele Teilnehmer zahlen sie privat.
"Offensichtlich wird Weiterbildung in Krisenzeiten immer weniger strategisch betrieben, sondern eher als Reparaturbetrieb aufrechterhalten", ist Grafs Fazit. Doch nicht alle Unternehmen treten derzeit bei der Qualifikation ihrer Mitarbeiter kürzer. Auffallend ist, dass gut die Hälfte der Unternehmen sich weiterhin in puncto Weiterbildung engagiert, während die andere Hälfte nur noch ans Sparen denkt. Das ist verständlich, könnte sich jedoch - so viele Experten - als fatal erweisen, wenn die Konjunktur wieder anzieht: Dann wird sich mit schmerzhafter Deutlichkeit zeigen, dass Personalentwicklung Kontinuität erfordert, und die Presse wieder Unternehmensvertreter zitiert, die "händeringend" nach qualifizierten Mitarbeitern suchen.

Human Capital wird bilanzrelevant.


Trotz der desolaten Situation blicken viele Weiterbildungsanbieter laut der Studie optimistisch in die (mittelfristige) Zukunft - sie rechnen bis 2008 mit einem jährlichen Wachstum ihrer Umsätze von rund drei Prozent. "Ich denke, dass der Markt sich positiv entwickeln wird - Weiterbildung ist ein wichtiger Faktor, um Potenziale besser zu nutzen. Sowohl in den Unternehmen als auch gesellschaftlich", erklärt König. "Im IT- und Service-Sektor wird ein Nachfrageschub kommen, aber auch im Bereich Soft Skills. Denn durch die Richtlinien von Basel II und die neuen, ab 2005 für börsennotierte Unternehmen verbindlichen International Accounting Standards (IAS) wird der Wissensstand einer Belegschaft bilanzrelevant. Human Capital wird neu bewertet. Das heißt, dass das Thema betriebliche Weiterbildung sehr an Bedeutung gewinnen wird."
Bis dahin sind er und seine Kollegen noch hellhöriger, was die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Kunden angeht. Bei LS training and services setzt man - neben der breiten Angebotspalette an offenen Seminaren - auf individualisierte Lösungen und konzipiert maßgeschneiderte, passgenaue Schulungen und Weiterbildungen für seine Kunden. Beispielsweise, wenn es um Computerprogramme geht. Oft hat die Software so viele Funktionen, dass es keinen Sinn mehr macht, sie alle kennen zu lernen. Stattdessen lernt man nur das, was man beziehungsweise das Unternehmen ganz konkret braucht. Zum Beispiel Excel in einem Kurs speziell für Controller.

Neue Lernwege - am besten im Methoden-Mix.


Damit die Schulungen nicht nur passgenau, sondern auch immer preisgünstiger, effektiver und anregender sind, wird in der Branche intensiv mit neuen Lernkonzepten experimentiert. Auf der Weiterbildungskonferenz in Hessen 2003 waren sich die Forumsteilnehmer über die Zukunftskoordinaten einig: Der Trend geht zu Lernen "just in time" und "on the job". Dafür eignen sich Lösungen, die E-Learning einbeziehen, besonders gut. Nach einer Umfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Köln, in der Metall- und Elektroindustrie hat bereits knapp ein Viertel der Unternehmen zur Weiterbildung E-Learning eingesetzt, zur Hälfte als Web Based Training über Internet oder das firmeneigene Intranet. Hauptsächlich kaufmännische Themen und IT-Wissen werden auf diese Weise vermittelt.
"Computer- und Online-Lernen haben gerade in der beruflichen Bildung eine ganz hohe Bedeutung, weil man Ort, Zeit und Lerntempo selbst bestimmen kann. Außerdem hat man die Möglichkeit, seinen Erfolg selbst zu überprüfen", erklärt Dollhausen. "Allerdings reicht reines Online-Lernen aus pädagogischer Sicht besonders dort nicht aus, wo es um Kompetenzentwicklung geht." Eine Lernform, die alle Beteiligten schon längst bevorzugen, ist daher "Blended Learning". Darunter versteht man eine Kombination aus Online-Lernen, Präsenzseminaren und Selbststudium.
LS training and services hat den Methoden-Mix beispielsweise in der Ausbildung zum Microsoft Certified Systems Engineer erprobt. Während des Kurses ackern sich die Teilnehmer durch die Microsoft-Originalunterlagen und üben daheim an einer Schulungsversion von Windows 2000 Advanced Server. Auf der kurseigenen E-Learning-Plattform können sie sich zwischendurch in den virtuellen Klassenraum einklinken, sich im Forum austauschen oder an Live-Chats mit den anderen Teilnehmern beteiligen. Wer zusätzliche Materialien und Übungsfragen wünscht, stöbert in der umfangreichen Windows 2000 Knowledge Base. Damit das Wissen nicht abstrakt bleibt, können die Teilnehmer bei den insgesamt fünf Präsenz-Workshops an einem Übungsnetzwerk all das ausprobieren, was ihnen beim Selbststudium unklar geblieben ist. Die Präsenzphasen finden an jeweils zwei Tagen unter Leitung eines Trainers parallel an verschiedenen Standorten statt.
Die Resonanz der Teilnehmer ist sehr positiv. Für sie hat diese Lernkombination den Vorteil, dass sie nur wenige volle Tage investieren und nur wenige Male anreisen müssen. "Der konventionelle Weg mit einem 28-tägigen Crashkurs wäre bei mir zeitlich einfach nicht drin gewesen, weil ich in verschiedene Projekte eingebunden bin", erzählt Klaus Benning, Siemens-Mitarbeiter aus Nürnberg und einer der ersten Teilnehmer von WIN-SeALS, einem anderen Blended-Learning-Angebot von LS training and services. Für Unternehmen ist diese neue Lernform deutlich günstiger als ein klassisches Seminar, dessen Nebenkosten wie Reisespesen und Arbeitszeitausfall oft genauso hoch sind wie die Gebühren für die eigentliche Schulung. Deshalb setzt LS training and services stark auf neue Lernkonzepte wie Blended Learning. "Bei Seminaren, die früher fünf Tage Präsenz umfasst haben, sind es jetzt nur noch ein bis zwei - der Rest ist E-Learning", erklärt Christina Strobel, Leiterin Marketing and Communications von LS training and services.

Innovatives Lernen auf Distanz.


Ein anderes neues Konzept ist "Distance Learning", das LS training and services entwickelt und unter anderem bei Seminaren zu den International Accounting Standards und zur Programmiersprache Java erprobt hat. Mit der neuen Methode lassen sich berufsbegleitende Lehrgänge verwirklichen, die innovatives E-Learning mit klassischem Fernlernen kombinieren. Kern des IAS-Kurses sind Vorlesungen "on demand" - Videos, die man völlig zeit- und ortsunabhängig an seinem PC sehen und hören kann - und Online-Sprechstunden der Dozenten. Beim Java-Lehrgang trainieren die Teilnehmer sogar gleichzeitig ihre Teamfähigkeit und das Arbeiten in Projektgruppen. Das fachliche Know-how bekommen die räumlich verteilten Kleingruppen aus der Distanz, nämlich in Form von interaktiven Vorlesungen über Video-Beamer. Anschließend löst jede Gruppe gemeinsam am Computer Aufgaben und übt das neue Wissen praktisch ein. Der Vorteil dieser Methode: Die Lernenden verfallen erst gar nicht in die passive Schülerrolle. "Möglichst viel lernen und erarbeiten sich die Gruppen im Team selbst - denn auf diese Weise bekommen die Teilnehmer Erfahrung darin, Aufgaben eigenständig zu lösen", erklärt Ursula Kahra, Leiterin Portfoliomanagement bei LS training and services. "Neben den fachlichen Inhalten trainieren die Mitglieder der Gruppe methodische Kenntnisse wie Projektmanagement sowie das Dokumentieren und Präsentieren von Ergebnissen."
Für Dollhausen vom DIE ein zukunftsfähiges Konzept. "Solche neuen Formen des Lernens, die klassische und moderne Elemente kombinieren, werden sich noch weiter durchsetzen", sagt sie voraus. "Die technischen und pädagogischen Konzepte entwickeln sich ständig weiter, und die Unternehmen sind offen dafür."
Es tut sich also auf dem Weiterbildungsmarkt eine Menge - und man kann davon ausgehen, dass Lernen in Zukunft nicht bloß effizienter, sondern auch noch effektiver und dabei abwechslungsreicher wird.

Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.

www.ls-training.de

© changeX Partnerforum [15.11.2004] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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