Der TÜV auf dem Prüfstand
Ein Gespräch über gelebte
Wirtschaftsethik.
Wird in der Praxis gelebt, was
Richtlinien von oben vorschreiben? Dr. Guido Rettig, Vorstand des
TÜV NORD, stellte sich den Fragen von Ulf D. Posé, Präsident des
Ethikverbandes der Deutschen Wirtschaft. Wer sich in die Diskussion
einklinken will, kann das am 3. November im Chat mit den beiden
Gesprächsteilnehmern tun.
Wer nach den Anfängen der Ethik in der
Wirtschaft sucht, stößt auf Aristoteles. Er unterschied noch
zwischen zwei Arten von Wirtschaft: der Hauswirtschaft, die für den
Lebensunterhalt da war, und der Wirtschaft, die den Gewinn zum Ziel
erklärt und den Egoismus evoziert. Seit damals hat die Wirtschaft
ethisch betrachtet ein eher mieses Image im Abendland. Schon Jesus
von Nazareth und Thomas von Aquin schimpften auf Unternehmer. Erst
mit Adam Smith kam der Gedanke auf, dass auch in ökonomischen
Beziehungen ethische Werte ihre Berechtigung, ja Notwendigkeit
haben. Seine These: Geschäfte gründen eben nicht nur auf Egoismus,
sondern bringen auch ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zum
Ausdruck. Welche Chancen Ethik heute in der Wirtschaft hat und wie
diese Ethik tatsächlich gelebt, und nicht nur auf geduldiges Papier
gedruckt wird, das diskutieren Dr. Guido Rettig, Vorstand der TÜV
NORD GmbH, des inzwischen fünftgrößten TÜV der Welt und Ulf D.
Posé, Präsident des Ethikverbandes der Deutschen Wirtschaft.
Posé: Keine der auf dem akademischen Markt gehandelten
Ethiken, wie zum Beispiel die Verantwortungsethik oder die
Gesinnungsethik oder auch die teleologische Ethik, kann derzeit auf
eine breite Zustimmung setzen. Da es kaum Manager mit
Vorbildwirkung gibt, ist es für mich eher kein Wunder, dass jetzt
die Vorstellung herrscht, moralische Grundsätze würden die eigene
Arbeit eher behindern als fördern. So stellt sich die Frage nach
der Bedeutung der Ethik innerhalb der TÜV NORD Gruppe. Herr Dr.
Rettig, welche Bedeutung, welchen Stellenwert hat Wirtschaftsethik
für den TÜV NORD?
Rettig:Lassen Sie mich zunächst aus der aktuellen Satzung
der TÜV NORD Gruppe, die nunmehr auf eine fast 135-jährige
Unternehmensgeschichte zurückblicken kann, drei Kernaussagen
zitieren:
�Die TÜV NORD Gruppe bezweckt, Menschen, Sachgüter und
die Umwelt vor nachteiligen Auswirkungen technischer Einrichtungen
und Betriebsmittel zu bewahren und deren zweckmäßige, sichere und
wirtschaftliche Errichtung, Verwendung sowie den sicheren Betrieb
zu erreichen und zu erhalten. Sie ist sich ihrer gesellschaftlichen
Verantwortung bewusst und fühlt sich daher in besonderer Weise dem
Gemeinwohl verpflichtet. Die Grundlagen unserer täglichen Arbeit
sind Neutralität, Unabhängigkeit und Integrität.
�
Wenn Verantwortung so verstanden wird, dass man zu den
überschaubaren Folgen seines Handelns steht, und das Handeln sich
unter anderem an den oben genannten Maximen des Unternehmens
orientiert, dann ist auf jeden Fall sichergestellt, dass wir eines
kurzfristigen Erfolges wegen unsere eigenen Grundlagen nicht
langfristig in Frage stellen oder unterminieren und damit
ruinieren.
Posé:Das ist sicher Ihre grundsätzliche Haltung. Nun ist es
mit der Wirtschaftsethik immer so, dass jede Ethik der konkreten
Anwendung bedarf. Es gibt nicht wenige Menschen, die sicher über
eine hehre Moral verfügen. Sie finden in ihrer täglichen Praxis
jedoch keine Anwendungsfälle dafür. Daher meine Frage, wie drückt
sich Wirtschaftsethik für den TÜV NORD konkret aus?
Rettig: Alles Handeln hat Gründe. Im Handeln, also auch in
unserer täglichen Arbeit, streben wir einen Wert oder einen Verbund
von Werten an, den man als Nutzen ansieht. Darüber hinaus gibt es
in der TÜV NORD Gruppe ein umfangreiches Programm zum Thema
�Führung und Verantwortung
�, in dem auch philosophische Grundlagen,
also auch Grundlagen der Ethik, vermittelt werden.
Posé: Ein Problem der Wirtschaftsethik scheint zu sein, dass
sich für Ethik bisher die Akademie und die Theologie für zuständig
erklärten. Der Unternehmer bediente sich dort. Zumeist endete die
Ethik des Abendlandes mit dem erhobenen Zeigefinger, der dem
Unternehmer ob seiner zügellosen Gewinnsucht drohte. Dem
Ethikverband der Deutschen Wirtschaft kommt es darauf an, den
Unternehmer zu animieren, sich ganz im kantschen Sinne seines
eigenen Verstandes zu bedienen. Grundsätze des Handelns sollten
also für den EVW vom Unternehmer selbst festgelegt werden ... Wie
geschieht das beim TÜV NORD?
Rettig: Seit 1998 gibt es die Leitlinien der TÜV NORD
Gruppe. Aus dem Teil
�Mitarbeiter und Führung
� darf ich zitieren:
�Unser Führungsverhalten beruht auf Vorbildfunktion, offener
Kommunikation, Zusammenarbeit, Glaubwürdigkeit und gegenseitiger
Achtung.
� Nun werden Sie sicher einwenden, dass Papier geduldig
ist. Ja, das ist richtig. Als wir 1998 diese Leitlinien
veröffentlicht haben, war dem Management klar, dass man noch einige
�Baustellen
� vor sich hatte. Vieles ist heute gefestigt, aber bei
über 7.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird es in diesem
Bereich immer interessante Aufgaben zu bewältigen geben. In das
betriebliche Geschehen setzen wir dies über die Workshops
�Führung
und Verantwortung
� um.
Das vollständige Interview finden Sie
ab Freitag, dem
29. Oktober auf
www.treffpunkt-ethik.de, einer Online-Seite der
Katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung.
Weitere Themen sind: Welche Vorteile hat der TÜV NORD durch
ethisches Handeln? Hat die Beschäftigung mit Ethik die
Vorgehensweisen des TÜV NORD verändert, zum Beispiel den Umgang mit
Kunden? Wie reagieren Mitarbeiter auf Maßnahmen, die sich an
ethischen Grundsätzen orientieren? Welche Rolle spielt Ethik bei
Managergehältern des TÜV NORD, und macht es aus der Sicht des
Unternehmens Sinn, die Vorstandsgehälter öffentlich zu
machen?
Diskutieren Sie mit! Beide
Gesprächspartner stellen sich ab Mittwoch, dem
3. November, auf
www.treffpunkt-ethik.de 20.15 und 21.00 Uhr im
Chat Ihren Fragen.
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