Diese Ängste sind nicht unbegründet. Deshalb sollte man auch ganz genau wissen, was man will, bevor man den Aufbruch wagt. Angelika Gulders Buch ist ein Stück Coaching auf Papier, ein sehr ausführlicher Entscheidungsfindungsworkshop, der Lesern Mut macht, sich auf den Weg zu den für sie passenden Lebensumständen zu machen. Diese Suche nach dem wahren Ziel macht Gulder ihren Lesern nach Kräften schmackhaft und verspricht, dass man dafür nicht mal sein Leben komplett umzukrempeln braucht, wie viele befürchten. Allerdings sollte man, so schiebt sie gleich hinterher, eine Menge Motivation, Energie und Durchhaltevermögen mitbringen. Denn es braucht Zeit, sich an das heranzutasten, was einen glücklich macht. "Das Entdecken Ihrer Berufung können Sie mit einem 3.000-Teile-Puzzle vergleichen", meint sie - und wie beim Puzzeln hat jeder eine andere Strategie, wie er zum Ziel kommt.
Berufung? Das klingt ein bisschen nach Pfarrer, Arzt oder armem Poeten, der seine Gedichte in einer lecken Dachkammer hinkritzelt. Gulder bemüht sich, den Verdacht der Brotlosigkeit schnell zu zerstreuen: "Wer das, was er tut, von Herzen gerne tut, ist besser in seinem Job und bekommt dafür die entsprechende Honorierung." Das ist zwar in unserer Gesellschaft nicht immer der Fall, aber es macht Mut, sich den nächsten Kapiteln zu widmen.
Kindheitsträumen auf der Spur.
Um verborgenen Leidenschaften und
Talenten auf die Spur zu kommen, begibt sich der Leser als
Nächstes unter die Obhut des "Karriere-Navigators". Er besteht
aus zwölf Selbsttests und Übungen. Wer sie absolviert, der
erfährt Stück für Stück mehr über sich und kann die
Puzzleteilchen am Schluss zu einem Gesamtbild der eigenen Träume
und Motivationen zusammensetzen.
Drei Wünsche an eine Fee. Kindheitsträume und -pläne.
Lieblingsinteressen und Lieblingstätigkeiten. Ein idealer Tag.
Was würden Sie machen, wenn Sie fünf Leben leben könnten? Die
Übungen sind zum Teil nicht neu, aber Gulder setzt sie
überzeugend um und ermutigt immer wieder zum hemmungslosen
Rumspinnen und Fantasieren. Besonders in die Kindheitsträume und
-interessen taucht sie tief ein, bis hin zu einem Ankreuzbogen,
welche Sendungen man in zartem Alter im Fernsehen besonders
genossen hat. Der Gedanke dahinter: "Oft geht das Wissen darüber,
was unsere Berufung ist, im Laufe der Kindheit verloren und wir
erobern es uns erst im Laufe unseres Lebens wieder zurück." Das
heißt jetzt nicht, dass Sie Ihre Träume von einer Karriere als
Lokführer, Astronaut oder Model wieder aus der Schublade der
Vergangenheit holen sollten. Wichtig ist, was sich in diesen
Traumberufen ausdrückt: Ist man vielleicht vom Weltraum
fasziniert? In diesem Bereich gibt es noch andere Jobs. Will man
angeschaut und bewundert werden, oder interessiert man sich
besonders für Mode? Auch daraus ergeben sich weiterführende
Hinweise. Es gilt bei jeder Übung, den Kern, den Hintergrund des
Wunsches zu finden. Sozusagen die Meta-Ebene.
Ungewöhnlich, aber sinnvoll, ist, dass sie auch die Rolle
und das Verhältnis zu anderen unter die Lupe nimmt. Denn auch
Führungsfähigkeiten zeigen sich früh: "Die meisten meiner Kunden,
die heute Geschäftsführer, Team- und Abteilungsleiter sind, waren
in ihrer Schulzeit Klassensprecher oder sogar Schulsprecher."
Gulder leitet dazu an, akribisch wie ein Detektiv jedem
Indiz nachzugehen - bis der Leser am Schluss tatsächlich eine
umfangreiche Selbstdiagnose erreicht hat. Inzwischen sind die
logisch-rationalen Gründe für seine Berufswahl längst von seiner
Seele gepellt wie die äußeren Hüllen einer Zwiebel. Dafür darf
die innere Stimme hemmungslos drauflosquatschen.
Auch Gulders Kriterium für eine gute Berufsidee hat der
Leser längst verinnerlicht: Zaubert es einem ein Lächeln ins
Gesicht, wenn man daran denkt?
Folgen Sie dem guten Gefühl!
Im zweiten Teil geht es darum, ein
klares Bild, eine Vision von einem neuen Leben zu entwickeln. Und
konkret zu planen, wie man seine Berufung in den verschiedenen
Bereichen seines Lebens (beruflich und privat) am besten zum
Ausdruck bringen kann. Jetzt gilt es, die Ziele klar zu
formulieren und aufzuschreiben. Ein schöner Weg, seine Ziele
anschaulich zu machen, ist, sich mit Bildern aus Zeitschriften
eine "Berufungs-Collage" und so seine eigenen Symbole zu
schaffen.
Immer wieder fragt die Autorin nach: "Gibt Ihnen alles, was
Sie notiert haben, ein durch und durch gutes Gefühl?", und
praktischerweise vergisst sie auch nicht, dass ein kompletter
Egotrip ebenfalls unglücklich machen kann: "Sind die Ziele auch
gut für die Menschen in Ihrer direkten Umgebung?" Hat man das
wieder einmal mit einem herzhaften "Ja!" beantwortet, kann man
sich dem Rest des Buchs widmen. Der letzte Teil besteht aus
Tipps, wie man sich selbst unterstützt - zum Beispiel durch gutes
Networking oder Zeitmanagement -, und aus solidem Handwerkszeug
zum Thema Projektplanung. In diese Phase einzutreten wirkt nach
der ganzen Selbstbespiegelung vermutlich beruhigend. Zwar beginnt
jetzt der Kampf gegen äußere Hemmnisse und den eigenen inneren
Schweinehund, aber wenigstens weiß man nun, wo man
hinwill.
Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.
Angelika Gulder:
Finde den Job, der dich glücklich macht.
Von der Berufung zum Beruf,
Campus Verlag, Frankfurt/New York 2004,
200 Seiten, 19.90 Euro,
ISBN 3-593-37550-8
www.campus.de
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Angelika Gulder: Finde den Job, der dich glücklich macht. . Von der Berufung zum Beruf.. Campus Verlag, Frankfurt/New York 1900, 200 Seiten, ISBN 3-593-37550-8
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