Willkommen im Business-Club
Living at Work-Serie | Folge 23 | - Wolfram Fuchs über moderne Bürogebäude.
Unternehmen wandeln sich immer schneller. Auch die Arbeitsformen haben sich verändert. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Immobilienbranche. Sie muss den Unternehmen Räume bieten, in denen sich auch neue Bürokonzepte à la Business-Club verwirklichen lassen. Flexible Mehrwert-Immobilien statt stereotyper Bürohäuser.
Bürohäuser sind mehr als reine Funktionsbauten - sie integrieren Informationstechnik, Organisation und Raum. Erst wenn diese Komponenten aufeinander abgestimmt ein intelligentes System bilden, können sich Mitarbeiter auf Ziele und den Erfolg konzentrieren, statt sich über Büros, die den Arbeitsprozessen nicht angepasst sind, streikende Netzwerke und unangenehmes Raumklima zu ärgern. Aber ein gutes Bürohaus muss noch mehr leisten. Es sollte auch Identifikation und Motivation fördern, die Werte der Unternehmenskultur als "stille Botschaft der Räume" nach innen, zu den Mitarbeitern, und nach außen, zu Besuchern, Kunden und Öffentlichkeit überzeugend kommunizieren. Die Architektur ist immer häufiger die einzige Chance zur Symbolisierung wenig anschaulicher Dienstleistungsprodukte oder immaterieller Erzeugnisse.
Von der Legebatterie zum Business-Club.
Immer seltener sind Bürohäuser
Legebatterien für Schreibtischmuffel im Stechuhrbetrieb.
Stattdessen wandeln sie sich zu Begegnungsstätten für
Spezialisten und Teams, die erfolgsorientiert in ständig
wechselnden Aufgaben und Rollen zusammenarbeiten. Das bedeutet
auch, dass Bürohäuser der Zukunft anders gestaltet sein sollten
als bisher. Sie könnten zum Beispiel wie Business-Clubs
funktionieren. Als moderne Variante des traditionellen britischen
Clubs mit Kaminfeuer, Bibliothek, entspanntem Ambiente,
spannenden Kontakten. Er ist Treffpunkt für Mitglieder in
unterschiedlichen Berufen, Rollen und Tagesabläufen, die nichts
verbindet als die soziale Zugehörigkeit zu einer Institution, die
Synergien für den persönlichen Erfolg schafft. Anstelle von
Arbeitsplätzen bieten Business-Clubs eine Vielfalt an
Aufgabenszenarien, die für einzelne Tätigkeiten und individuelle
Arbeitsweisen optimiert sind: Teamzonen, Stützpunkte, Räume für
konzentriertes Arbeiten, für diskrete Besprechungen, Meetings und
Projektarbeit, Net-Cafes, informelle Treffpunkte, Bibliotheken,
Doku-Center, Steharbeitsplätze und so weiter.
Angesichts der neuen Wahlfreiheit des Einzelnen zwischen
der angebotenen Vielfalt sorgen sich viele um die gewohnte Heimat
eines persönlichen Arbeitsplatzes. Wo es früher hieß: "Hier ist
Ihr Platz - von neun bis fünf!", heißt es heute: "Wählen Sie ein
Aufgabenszenario, das zu Ihrer aktuellen Tätigkeit passt und
Ihrer Produktivität dient." Die neue Heimat ist mein Club, eine
räumlich und sozial überschaubare Nachbarschaft, in der ich
bekannt bin und mich auskenne.
Das Thema Lebensqualität im Büro rückt stärker in den
Blickpunkt. Wer die Mehrzahl seiner Wachstunden unter der Woche
in Bürohäusern verbringt, fragt heute nicht mehr nur: "Was
bekomme ich dafür?", sondern auch: "Was wird aus mir und meinem
Leben?" Die Architektur kann zur Work-Life-Balance beitragen und
das Dasein bereichern: durch Begegnungsqualität, Räume, die der
Entspannung dienen, atmosphärisches Licht, emotionale Farben,
charaktervolle Materialien wie Naturstoffen oder auch neuen,
sympathischen Kunststoffen und Grünkonzept. Motto: "Hier lässt
sich gut leben - und arbeiten."
Flexibilität ist Trumpf.
Wer sich im Büro wohl fühlt, der
arbeitet produktiv. Und auf Produktivität und Wirtschaftlichkeit
kommt es bei Bürohäusern natürlich nach wie vor an. Flexible
Bürokonzepte à la Business-Club helfen Fläche sparen: Sie
reduzieren den Gesamtflächenbedarf von derzeit durchschnittlich
circa 25 Quadratmetern Mietfläche pro Arbeitsplatz auf weniger
als 20 Quadratmeter. Gleichzeitig lässt sich der bisher geringe
Anteil an Flächen für Kommunikation, Synergie und Zusammenarbeit,
gewöhnlich weniger als zehn Prozent, auf 25 bis 30 Prozent
steigern. Davon profitieren alle Mitarbeiter - und das
Betriebsklima.
Vor allem sind solche Bürokonzepte flexibel. Das ist ein
entscheidender Vorteil, denn Organisationen sind kontinuierlich
in Bewegung. Mindestens zehn Prozent der Arbeitsplätze werden pro
Jahr durch interne Umbelegungen umorganisiert. Bei extrem
dynamischen Unternehmen, zum Beispiel aus der IT-Branche oder
einer Firma, die stark projektorientiert arbeitet, sind es sogar
ein Drittel oder die Hälfte. In Zukunft werden immer mehr
Unternehmen sich so stark wandeln und brauchen damit Modelle, die
das relativ einfach ermöglichen. Am flächenwirtschaftlichsten ist
es, die flexible Nutzung der Flächen und Räume gleich
mitzuplanen.
Büros für Bürokraten.
Trotz der Vorteile flexibler
Konzepte hat eine Studie der Deutschen Gesellschaft für
Immobilienfonds (DEGI) ergeben, dass solche Visionen bisher
selten umgesetzt werden. Die Bürokonzepte in Deutschland sind
nach wie vor sehr konventionell. Anscheinend steht die dringend
notwendige Modernisierung der Deutschland AG in Büros vor einem
ihrer schwierigsten Projekte. Der Wandel in Kopf & Raum hat
in Deutschland allenfalls begonnen - im Gegensatz zu den
konkurrierenden Industrienationen USA, Großbritannien, Holland,
Skandinavien.
Weltweit gibt es kein besseres Beispiel für Bürokratie
(übersetzt: "Alle Macht geht vom Amt aus") als das gängige
deutsche Bürohaus mit seinen Mittelfluren, an denen sich die
Büros wie Amtsstuben reihen. Sie fördern Abschottung statt
Transparenz und Teamgeist. Die Korridore dürfen als Fluchtwege
nicht möbliert werden und sorgen für lange Wege, die zudem meist
langweilig sind. Die Raumgrößen sind Statussymbole.
Organisatorische Veränderungen erfordern kostspielige Umbauten
mit Handwerkern, Staub, Lärm und Ausfallzeiten.
Zukunftsorientierte Bürohäuser sind Produktionsstätten für
kundenorientierte wissensbasierte Dienstleistungen, und das heißt
vor allem: flexibel, denn alle Macht geht vom sich ständig
ändernden Markt aus. Sie erlauben den Ausbau mit verschiedenen
Büroformen für unterschiedliche Nutzeranforderungen oder die
Entwicklungsphasen einer Organisation: Loft, Team- und
Großraumbüros, Kombibüro, Business-Clubs - und natürlich auch
Mittelflurbüros.
Hochhäuser und Campus-Konzepte.
Sobald sich flexible Bürokonzepte à
la Business-Club erst einmal verbreitet haben, können Bürohäuser
mit einer weniger stereotypen Architektur geplant werden. Denn
das rechteckige, durch kleinteilige Raster geprägte
Erscheinungsbild ist vorwiegend für den Ausbau mit Bürozellen
erforderlich und für andere Nutzungsstrategien weit weniger
zwingend.
Flächenwirtschaftlichkeit ist jedoch unabhängig von der
Gebäudeform ein Merkmal guter Architektur. Eine unserer Studien
hat Fachleute mit dem Ergebnis überrascht, dass jedes dritte
Hochhaus flächenwirtschaftlicher ist als das durchschnittliche
Bürohaus mit maximal fünf Obergeschossen. Eine Erklärung: Bei der
Hochhausplanung werden vom Architekten maximale
Optimierungsanstrengungen verlangt bis zur Serienreife des
vielfach reproduzierten Grundrisses.
Deshalb liegen Hochhäuser zurzeit im Trend, natürlich auch
wegen hoher Grundstückspreise und aus städtebaulichen Motiven.
Ähnlich beliebt sind aber auch Projekte, die Campus-Charakter
haben, also in überschaubare Einheiten gegliedert sind, die eine
Synergie zwischen innen und außen suchen und sich eine eigene
Infrastruktur schaffen. "Campeon", der geplante Standort der
Hightech-Firma Infineon, ist ein Beispiel dafür. Aber auch
gemischte Projektentwicklungen wie "Arbeiten + Wohnen" gelten
heute als zeitgemäß. Auf der Theresienhöhe in München wird
zurzeit ein solches Projekt verwirklicht. Im Münchner Oberanger
entstehen zweigeschossige Stadtvillen auf den Dächern
fünfgeschossiger Bürohäuser.
Preis pro Arbeitsplatz.
Früher gab es nur drei Kriterien
für eine gute Büroimmobilie: Standort, Standort, Standort. Die
ortsunabhängige Verfügbarkeit von Information und die
Kommunikationstechnik haben das inzwischen relativiert. Wenn ein
Standort gut erschlossen ist, kann er auch in der preiswerten
Peripherie liegen. Niedriglohnstandorte sind für manche Branchen
entscheidend: Callcenter-Boom in den Neuen Bundesländern,
Technik- und Verwaltungszentren von Finanzdienstleistern in
traditionellen Gewerbegebieten an den Rändern der Ballungsräume:
Informatikzentrum der Bayerischen Landesbank in Dornach,
Allianz-Hauptverwaltung in Unterföhring.
Die hohen Leerstandsraten von Büroflächen verschärfen den
Wettbewerb und machen den Nutzwert der Flächen zu einem wichtigen
Wettbewerbskriterium. Kaum ein Arbeitgeber ist sich bewusst, wie
viel Fläche durch die Gestaltung des Gebäudes gespart werden
kann: Je nach Erschließung, Gebäudetiefe, Fassaden- und
Ausbauraster kann ein gegebener Bedarf an Arbeitsplätzen und
Infrastrukturflächen in einem Gebäude leicht doppelt so viel
Fläche benötigen wie in einem flächenwirtschaftlich geplanten
Wettbewerbsobjekt. Diese Unterschiede spiegeln sich nicht in den
marktüblichen Quadratmeterpreisen, die vor allem die Lage
berücksichtigen, nicht den Nutzwert. Wer als Mieter Nutzwert
sucht, sollte deshalb Euro pro Arbeitsplatz vergleichen und nicht
Euro pro Quadratmeter. Mitunter bieten teure Standorte günstigere
Kosten pro Arbeitsplatz als Angebote mit niedrigem
Quadratmeterpreis - und umgekehrt.
Das größte Potenzial für die Reduzierung der
Arbeitsplatzkosten sind heute ungenutzte IT-Potenziale, um den
Flächenverbrauch zu minimieren. Die IT-Kosten pro Arbeitsplatz
werden in wenigen Jahren die Flächenkosten als zweithöchsten
Kostenfaktor nach den Personalkosten überholen. Im Gegensatz zu
den Flächenkosten dienen steigende IT-Investitionen (Netze,
Hardware, Software, Support) jedoch der Wettbewerbsfähigkeit. Und
die Informations- und Kommunikationstechnik ermöglicht
Flächeneinsparungen. Stichwort: Laptop als mobiles Büro,
Video-Konferenzen, E-Mail statt Poststelle, E-Dok statt Ablagen,
auslastungsoptimierte Raumverwaltung statt Büroleerstand.
Auf dem Weg zur Mehrwert-Immobilie.
Der resultierende Leerstand bereitet Investoren und Planern Kopfschmerzen. In Zukunft werden Vermieter von Bürogebäuden versuchen müssen, durch Mehrwert im Wettbewerb Vorteile zu suchen. Die leer stehenden Millionen von Quadratmeter sind relativ stereotyp, bestehen fast alle aus dem gleichen Gebäudetyp und Raster. Sie haben alle Heizung, Beleuchtung und einen Teppichboden. Der Mehrwert fängt da an, wo der Vermieter weitere Serviceleistungen anbietet, indem er Synergieeffekte für seine Mieter nutzt. Nehmen wir als Beispiel ein voll vermietetes Gebäude mit 20.000 Quadratmetern. Jeder der 20 Mieter hat einen bestimmten Jahresbedarf an Büromaterial. Wenn der Vermieter über diesen Bedarf Rahmenverträge mit Lieferanten abschließt, bekommt er 50 bis 60 Prozent Rabatt - der größte der 20 Mieter bekommt allenfalls die Hälfte. Mit einem Teil des Skalengewinns kann der Vermieter die Voraussetzungen einer kostengünstigen Logistik für den Lieferanten finanzieren (zum Beispiel Lagerfläche im Keller). Mit dem Rest kann er den Mietern eine Gemeinkosteneinsparung von circa einem Euro pro Quadratmeter bieten - lediglich durch Bündelung des Verbrauchsmaterialeinkaufs. Dasselbe gilt für Telekom-Leistungen, Netzbereitstellungen und IT-Support. In Zukunft kann man solche Leistungen vermutlich gleich mit dem Gebäude buchen. Aus dem Vermieter könnte Schritt für Schritt ein "Provider" werden, der Dienstleistung rund ums Arbeiten bereitstellt.
Übersicht aller bereits erschienenen Beiträge der "Living at Work-Serie".
English version: PDF-File.
Wolfram Fuchs ist Architekt und Mitinhaber der Münchner Unternehmensberatung congena GmbH, die spezialisiert ist auf die Gestaltung des Wandels in der Büroarbeitswelt.
Zum changeX-Partnerportrait: Koelnmesse GmbH.
www.orgatec.de
Vom 19. bis 23. Oktober 2004 |
© changeX Partnerforum [11.06.2004] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
changeX 11.06.2004. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.