Führen durch Fordern
Living at Work-Serie | Folge 21 | - Felix von Cube über Mitarbeitermotivation.
Menschen verstehen häufig unter Glück, alles zu haben und nichts zu tun. Doch ein Verhaltensbiologe warnt vor einem trägen Leben in der Hängematte: Ein Leben ohne Anstrengung ist unerfüllt. Nur wer aktiv ist, sich anstrengt und etwas leistet, wird mit Lust belohnt. Menschen, die gefordert werden und ihre Leistung gerne und mit Lust erbringen, sind die glücklichsten.
Der moderne Mensch ist weitgehend
selbstbestimmt und selbstverantwortlich. Aber viele Menschen
haben Probleme damit, weil sie in ihren freien Entscheidungen
unsicher sind. Entscheidungen brauchen eine relativ sichere Basis
- und die kann die Verhaltensbiologie liefern. Sie beschäftigt
sich mit den evolutionären Verhaltensprogrammen des Menschen,
jenen Urmotiven oder Trieben, die sich über Jahrmillionen
entwickelt haben und trotz aller Veränderungen und Umbrüche
unverändert bleiben, etwa den Bewegungsprogrammen oder dem
Aggressions-, Neugier- und Bindungstrieb.
Leider geht der moderne Mensch mit diesen Programmen oft
falsch um. Ein kleines Beispiel aus der Welt des Homo
oeconomicus: Der evolutionäre Sinn von Neugier ist, dass man aus
einer Sicherheit heraus neue Risiken eingeht, Herausforderungen
aktiv aufsucht, um das "Revier" zu erweitern und damit mehr
Lebensqualitäten zu gewinnen. Dabei sucht man Unsicherheiten auf,
um sie in Sicherheit zu verwandeln. Verhaltensbiologisch gesehen
ist der Neugiertrieb also ein Sicherheitstrieb. In der
Arbeitswelt wird dieses Programm oft falsch angewendet, entweder
man überzieht das Risiko oder man meidet die Herausforderung.
Beides hat bekanntlich schädliche Konsequenzen. Die
Verhaltensbiologie kann dabei helfen, Arbeit so zu organisieren,
dass sie den Naturgesetzen des menschlichen Verhaltens
entspricht.
Der Mensch ist von Natur aus auf Leistung und Anstrengung
programmiert und wird dafür mit Lust belohnt. Kaum zu glauben,
angesichts der weit verbreiteten Lust auf Bequemlichkeit,
Entspannung und Genuss. Und genau das ist das Problem. Der Mensch
hat offenbar schon immer geglaubt, das Glück liege darin, alles
zu haben und nichts zu tun. Verständlich ist das schon. Aber
grundfalsch. Wir vermeiden die Anstrengung der Bewegung - und
leiden an Rückenproblemen oder Fettleibigkeit. Wir möchten unser
Leben auf einer Finca in Mallorca genießen - und sterben fast vor
Langeweile. Wir suchen den leichten Weg zu Erfolg und Anerkennung
- und ernten Ablehnung und Niederlagen. Nun könnte man folgern,
dass es das Luststreben selbst ist, das uns in Teufels Küche
bringt, und dass die Lösung in Lustverzicht, Genügsamkeit oder
Askese liegt. Aber diese Verzichtsideologie entspricht nicht
unserer Natur. Die Lust winkt nämlich als körpereigene Belohnung
dafür, dass wir aktiv werden und unsere Verhaltensprogramme
erfüllen, was allerdings mit Leistung und Anstrengung verbunden
ist.
Aggression und Bindung.
Das gilt auch zentral für die
Arbeitswelt. Führung hat die Aufgabe, diese natürlichen
Aktivitätsprogramme herauszufordern. Dieses "Führen durch
Fordern" hat nichts mit Zwang oder Maloche zu tun, auch nicht mit
Zuckerbrot und Peitsche. Es bedarf keiner Manipulation, um die
Aktivitätspotenziale der Mitarbeiter abzurufen. Ganz im
Gegenteil: Flow - also die Lust des Neugiertriebs - stellt sich
nur dann ein, wenn es Freiräume für Verantwortung, Entscheidungen
und Qualifikation gibt. Wenn wir die Lebens- und Arbeitswelt so
gestalten, dass sie in Übereinstimmung mit den evolutionären
Programmen steht, dann steht der Mensch im Mittelpunkt und nicht
das System.
Es gibt einige Antriebe, auf die Führungskräfte besonderes
Augenmerk legen sollten. Zum Beispiel den Aggressionstrieb. Es
ist ein Fehler, Aggression immer negativ zu sehen. Es gibt auch
positive Seiten der Aggression. Eine der wichtigsten davon ist
Anerkennung. Wenn jemand einen Sieg davonträgt, befriedigt er
damit oft auch seinen Aggressionstrieb. Mobbing zum Beispiel
hängt oft mit fehlender Anerkennung zusammen: Die Aggressionslust
wird durch den Sieg über den Schwächeren befriedigt.
Ganz besonders wichtig ist auch der Bindungstrieb - die
Lust an Zugehörigkeit und am gemeinsamen Handeln. Leider ist die
Bindung in unserer Massengesellschaft zurückgegangen und am
Arbeitsplatz wird sie nicht selten durch überzogene
Flexibilitätsforderungen zerstört. Dabei wird missachtet, dass
Bindung und Leistung eng zusammengehören: Ohne Leistung gibt es
keinen Anspruch auf Bindung. Außerdem gibt Bindung die
erforderliche Sicherheit, um etwas zu riskieren und Flow zu
erleben. Bindung herzustellen und aufrechtzuerhalten ist also
eine wichtige Führungsaufgabe, vielleicht sogar eine der
schönsten und lohnendsten, aber auch sie ist ohne Anstrengung
nicht zu bewerkstelligen.
Vorbild Alphatier.
Ich halte es für ein großes
Defizit, dass viele Führungskräfte die verhaltensbiologischen
Erkenntnisse nicht studiert haben. Es ist bei uns ja so, dass die
Führungskräfte im Allgemeinen für ihr Fach ausgebildet sind, aber
nicht für die Führung von Mitarbeitern. Um Mitarbeiter aber
richtig führen und motivieren zu können, muss man sehr genau
wissen, wo deren Motive verwurzelt sind und wie man sie in der
Arbeitswelt realisiert.
Wenn jemand ein guter Fußballer ist und deshalb zum Trainer
gemacht wird, heißt das noch lange nicht, dass er dort auch seine
Stärken und seinen Spaß hat. Im optimalen Fall erleben
Führungskräfte in der Mitarbeiterführung ihren Flow, sie bekommen
aus dieser Aufgabe heraus ihre Anerkennung und ihr
Zugehörigkeitsgefühl. Das ist ganz wichtig, weil die
Führungskraft als "Alphatier" in gewisser Weise Vorbild ist, ob
sie will oder nicht. Das heißt aber auch, dass ihr Verhalten
nachgeahmt, übertragen und praktiziert wird.
"Lust durch Leistung" ist so eine ganz wichtige Formel. Aus
einem einfachen Grund: Wir haben ein Anstrengungs- und ein
Lustprogramm, und wenn wir eines davon nicht erfüllen, geht es
uns schlecht. Wenn man aber beide Programme miteinander verbindet
- wenn man also in der Anstrengung Lust empfindet, dann ist das
eigentlich das Optimale. Ich sehe auch in der Praxis bestätigt,
dass Menschen, die etwas leisten und diese Leistung gerne und mit
Lust erbringen, die glücklichsten sind. Lust an Leistung ist
nicht nur für das Unternehmen lukrativ, sondern vermittelt auch
Lebensqualität. Das sollte keinem Menschen vorenthalten
werden.
Übersicht aller bereits erschienenen Beiträge der "Living at Work-Serie".
English version: PDF-File.
Felix von Cube ist Erziehungs- und Naturwissenschaftler. Gemeinsam mit Klaus Dehner und Andreas Schnabel betreibt er das Institut BioLogik der Führung und Fortbildung in Heidelberg. Neben seiner Forschungsarbeit hält er Vorträge und Seminare und hat mehrere Bücher geschrieben, unter anderem Führen durch Fordern. Die BioLogik des Erfolgs (Piper 2003).
Zum changeX-Partnerportrait: Koelnmesse GmbH.
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Vom 19. bis 23. Oktober 2004 |
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