Über das Gelingen einer Wirtschaftsethik
Der "Ethikverband der deutschen Wirtschaft" unterstützt die Wirtschaft, ökonomische Ziele mit den Normen und Werten der Unternehmen zu einem nachhaltig hohen Nutzen zu verbinden.
Gesellschaftliche Normen und Werte wurden in der westlichen Welt in der Regel als strenges System von Ordnungsregeln verabreicht - das galt auch für die Wirtschaft. In Folge der Erosion dieser Ordnung und in Ermangelung an Funktionsträger mit Vorbildcharakter ist es kein Wunder, dass jetzt die Vorstellung herrscht, dass moralische Grundsätze die eigene Arbeit eher behindern als fördern. Menschen aber suchen nach Orientierung. Sie legen sich selbst und anderen über ihr Leben und ihre Lebensführung Rechenschaft ab. Wer verantwortet handeln und nicht beliebige Entscheidungen treffen will, benötigt Maßstäbe, Kriterien und Ziele. Das gleiche gilt für Unternehmen.
DIE Wirtschaftsethik gibt es nicht.
Die Ethik oder
die Wirtschaftsethik gibt es nicht - weder im
philosophischen noch im akademischen Sinn. Keine der auf dem
akademischen Markt gehandelten Ethiken, wie z.B. die
Verantwortungsethik, die Gesinnungsethik oder die teleologische
Ethik, kann daher wirklich auf eine breite Zustimmung setzen.
Während aber Philosophen davon überzeugt sind, dass es ein
Wesensmerkmal des Menschen ist, sein Handeln auch von ethischen
Motiven bestimmt zu sehen, bestreiten zahlreiche Unternehmer und
Teilnehmer am Wirtschaftsleben, dass Ethik und Moral für den
wirtschaftlichen Erfolg überhaupt von Bedeutung sind. Beide
Positionen sind im Recht.
So wenig es eine Ethik im philosophischen und akademischen
Sinn gibt, so wenig besitzen wir eine Wirtschaftsethik.
Zahlreiche philosophische Ethiken werden auf dem akademischen
Markt gehandelt, keine von ihnen kann wirklich auf allgemeine
Zustimmung setzen. Während aber Philosophen davon überzeugt sind,
dass es ein Wesensmerkmal des Menschen ist, sein Handeln auch von
ethischen Motiven bestimmt zu sehen, leugnen zahlreiche
Unternehmer und Teilnehmer am Wirtschaftsleben, dass Ethik und
Moral überhaupt von Bedeutung sind. Beide Positionen sind im
Recht. Die Philosophen haben etwas läuten hören, wissen aber
nicht, wo die Glocken hängen; die Unternehmer sehen zwar die
Glocken, hören sie jedoch nicht läuten.
Alte Ordnungsregeln schrecken den Unternehmer ab.
Dass in der Wirtschaft vielfach die Vorstellung überwiegt, moralische und ethische Grundsätze behinderten die eigentliche Arbeit, hängt damit zusammen, dass die Vertreter einer Ethik - sei es katholische Soziallehre, protestantische Ethik, kategorischer Imperativ oder der Flirt mit platonisch-preussischen Tugenden - die Unternehmer immer schon gern am Gängelband geführt haben. Die Ethik des Abendlandes gebärdet sich in fast allen Fällen als ein System von Ordnungsregeln, die Theologen, Priester oder Gelehrte rational oder irrational unter sich begründet haben, um sie mit erhobenem Zeigefinger der dem zügellosen Egoismus verfallenen Gewinnsucht von Unternehmern als Beruhigungs- oder sogar Schlafmittel zu verabreichen. Führungskräfte sind es gewöhnt, dass ihnen das System von Normen und Ordnung aus einer anderen Küche serviert wird als aus derjenigen, in der sie selbst kochen.
Es mangelt am Bewusstsein.
Wirtschaftsethik wird erst dann zur Wirkung kommen, wenn sich die Teilnehmer der Wirtschaft selbst der von ihnen vorausgesetzten ethischen Grundlagen des Handelns bewusst werden. An Werten, Tugenden und Leitlinien mangelt es nicht. Im Gegenteil. Für das Gelingen der Ethik, insbesondere der Wirtschaftsethik, ist "lediglich" ein Bewusstsein erforderlich, dass man sich an manche dieser Werte, Normen und Tugenden eben "nur" halten muss. Das Elend der Ethik, insbesondere der Wirtschaftsethik, besteht nicht darin, dass wir keine Werte, keine Tugenden, keine Leitlinien hätten. Im Gegenteil, wir ersticken geradezu in einer Flut von Werten und Normen. Was uns einzig fehlt, ist ein Bewusstsein dafür, dass wir uns an manche von ihnen halten müssen. Woher aber soll dieses Bewusstsein erwachsen? Die Vertreter der Kirchen werben selbstverständlich für ihr eigenes Angebot, und die Vertreter akademischer Ethiken wollen ihr eigenes System auf den Markt bringen. Wer sich aber in der Wirtschaft nicht von solchen der Wirtschaft fremden Prämissen Vorschriften machen lassen will, erkennt zu Recht, dass ethische Vorgaben der Wirtschaft in vielen Bereichen Fremdlinge sind.
Wirtschaftsethik hat eine echte Chance.
Woher also soll das Bewusstsein
genommen werden, dass Ethik zum Wirtschaften selbst gehört, wenn
das Bewusstsein der Theologen und Gelehrten von den Teilnehmern
der Wirtschaft nicht mehr als ihr eigenes Bewusstsein anerkannt
wird? Ein Bewusstsein kann nichts anderes sein als das bewusste
Sein. Wenn also Unternehmer ein ethisches Bewusstsein gewinnen
können, dann nur als ein Bewusstwerden dessen, was sie sind. Und
hier sieht es gar nicht einmal schlecht aus. Die entscheidende
Prämisse für ethisches Handeln steckt im Selbstverständnis eines
jeden Unternehmers. Es ist die Prämisse der Freiheit. Jeder
Unternehmer zieht es vor, sich in einer Welt wiederzufinden, in
der Handlungen so interpretiert werden, als hätten sie auch
unterbleiben können, und Handlungen, die unterblieben sind, so
interpretiert werden, als hätten sie auch geschehen können.
Demnach will kein Unternehmer sich in einer Welt bewegen, in der
alles nach nacktem Determinismus vorherbestimmt ist und ihm nur
die Rolle desjenigen zukommt, der der Vorsehung die Kastanien aus
dem Feuer greift. Aus diesem Grund erwächst aus dem
Selbstverständnis des Unternehmertums die maßgebliche ethische
Forderung: Wir sind aufgrund des Bedürfnisses, uns als freie
Menschen wahrnehmen zu wollen, verpflichtet, nach Wegen der
bewussten Gestaltung unserer Umwelt zu suchen. Andernfalls
überlassen wir alles der blinden Notwendigkeit, den strukturellen
Sachzwängen, dem zufälligen Recht des Stärkeren, der Willkür und
dem Chaos.
Aus dem Unternehmertum selbst folgt also die ethische
Vorgabe, die Welt nicht kritiklos so anzuerkennen, wie sie
zufällig gerade ist, sondern an ihrer Veränderung derart zu
arbeiten, dass wir uns darin erleben als Menschen, die einander
hin und wieder die Fähigkeit verbildlichen, dass sie die
bewussten Gestalter der Welt sind, in der sie auch leben wollen.
Mit dieser Vorgabe ist ein Auftrag, Werte zu setzen und in eine
plausible Form zu gießen verbunden. Die Haltung des laissez-faire
ist damit allerdings nicht vereinbar.
Der EVW ist die sinnvolle Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Ethik.
Die Frage für den Unternehmer ist
jetzt, wie stellt er die Verbindung zwischen seinen Interessen
und Bedürfnissen zu ethisch orientiertem Handeln her? Genau an
dieser Schnittstelle greift der Ethikverband der deutschen
Wirtschaft ein. Er verfügt als "missing-link" über das notwendige
praxis- und programmatisch-orientierte Knowhow. Er stellt als
Netzwerk die Verbindung zwischen Unternehmern her, die sich für
eine Ethik einsetzen, die praktikabel ist. Der EVW hilft, eben
nicht in einer Flut von Normen und Werten zu ersticken, die
schlaue Berater aus ihrer Hochglanz-Schublade für überhöhte
Grundsätze ziehen.
Der EVW versorgt den Unternehmer mit Wissen. Damit schafft
der EVW eine Grundlage, mit der der Unternehmer ist die Lage
versetzt wird, seine eigenen Normen und Werte, sein eigenes
ethisches Bewusstsein zu entwickeln. Der EVW unterstützt den
Unternehmer darüber hinaus, seine Normen und Werte so zu
gestalten, dass sein Handeln kritisch, verantwortbar und effektiv
erfolgreich ist. Solch ein ethisches Bewusstsein stellt
Authentizität sicher. Damit hilft der EVW dem Unternehmer, sich
eben nicht mehr aus einer fremden ethischen Welt bedienen zu
müssen, sondern eine eigene, verbindliche Wirtschaftsethik zu
postulieren.
PD Dr. Klaus Jürgen Grün
(Vizepräsident)
Zum changeX-Partnerportrait: Ethikverband der deutschen Wirtschaft e.V.
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