Zirkus Unternehmenskultur
Ein Essay über Wertesysteme im Unternehmen und ihre Auswirkungen.
Eine positive Unternehmenskultur kann viel bewirken. Doch Vorsicht vor Projekten, die diese Kultur auf oberflächliche Weise beeinflussen wollen - zuerst gilt es, ein humaneres Umfeld, ein verantwortetes Miteinander und ein konsequent gelebtes Wertesystem zu schaffen und zu leben. Nur wenn die Führungsriege vorlebt, was sie vermitteln will, haben solche Vorhaben Aussicht auf Erfolg.
Kaum ein Thema wurde in den letzten Jahrzehnten so strapaziert wie das der Unternehmenskultur. Manchmal waren äußere, manchmal innere Gründe dafür verantwortlich, dass sich Unternehmen entschieden, dieses Thema anzupacken. Mühsam setzte sich die Führungselite diesen Lektionen aus und erlangte methodisch maximale Kompetenz. Wie allerdings Unternehmenskultur bewusst zielgerichtet und nachhaltig geprägt werden kann, blieb meist verborgen unter dem Mantel hierarchiegeprägter Strukturen. Die Wenigsten haben sich die Frage gestellt, unter welchen Bedingungen, mit welchem gelebten Wertesystem, die Führung eines Unternehmens attraktiv, glaubwürdig und authentisch wahrgenommen wird. Welche Werte, Erwartungen, Interessen und Bedürfnisse sind maßgeblich, um eine Unternehmenskultur so zu gestalten, dass sie den Unternehmenszielen und dem Zweck am nächsten kommt?
Dressur oder Führung?
Viele Kulturgestaltungsprojekte
haben klar gezeigt, dass sich in den Unternehmen die Weltbilder
eher reduzierten, dass ergebnisoffene Entscheidungsprozesse und
Erkenntnisfortschritte verstärkt Dogmen und Handlungszwängen
weichen mussten, dass es für eine Unternehmenskultur außerhalb
der reinen Ökonomie scheinbar keine legitime Zukunft gibt. Die
Kultur durch Dressurleistung zu verändern gelang in den wenigsten
Fällen. Was übrig blieb, sind Worthülsen und Lippenbekenntnisse
("Kundenorientierung, Mitarbeiterorientierung, Fehlertoleranz,
soziale Kompetenz und Verantwortung, Kommunikation und Führung").
Unglaubwürdig und kontraproduktiv wird so die Führung des
Unternehmens verstanden.
Das Management wird wahrgenommen wie im Zirkus der Löwe.
Scheinbar das brave Kätzchen, welches brav seine Dressuraufgabe
erledigt, so lange, bis der Hunger (Neid, Missgunst,
Besitzstandsangst, Ehrgeiz) aus ihm wieder einen Löwen werden
lässt. Ein Raubtier mit wenig sozialer Kompetenz, dessen
Handlungsmotto "fressen und gefressen werden" ist. Dies trifft
sowohl für die Mitarbeiter im Unternehmen zu, vor allem aber auch
im Interaktionsnetzwerk der Mitarbeiter für Kunden und
Lieferanten.
Kulturgestaltungsprojekte nicht übereilt starten.
In der zunehmend globalisierten
Welt, die zu einem großen Teil von dramatischen Marktdynamiken
und reduzierten gesellschaftlichen, wirtschaftspolitischen und
politischen Alternativen bestimmt wird, erschallt deutlich der
Ruf nach sozialer Kompetenz, nach werteorientierter Führung, nach
positiver Sozialbilanz in Unternehmen, nach Unternehmenskultur.
Marktschwäche, Umsatzrückgang, Kundenverlust, schlechte
Unternehmensperformance - viele Unternehmen haben
Schwierigkeiten. Sie sind sich bewusst, dass das Thema
Unternehmenskultur eine maßgebliche Rolle spielt. Doch wie nun
kann die Unternehmenskultur aktiv gestaltet werden, mit
nachhaltiger Wirksamkeit, zielgerichtet auf die Unternehmensziele
und den Unternehmenszweck?
Die Antwort ist erstaunlich einfach. Unternehmen können
sich Mühe, Aufwand, Ärger und vor allem Kosten für
Kulturgestaltungsprojekte sparen, wenn die oberste
Unternehmensführung nicht im Bewusstsein auch für sie selbst
geltender Veränderung konsequent handelt. Funktional oder
operativ orientierte Vorhaben, wie zum Beispiel Reklamationswesen
im Sinne einer Fehlerkultur, Kundenbefragungen als Grundlage für
Veränderungen im Sinne einer Kundenorientierung, CRM-Projekte im
Sinne der Verbesserung von Kundenbeziehungen, Qualitätsprojekte
als Grundlage einer lernfähigen Organisation, sollten erst dann
gestartet werden, wenn das Thema der Kommunikationskultur und der
Führungskultur im Unternehmen geklärt ist. Es kann sich nichts
zum Positiven wandeln,
- wenn die Führungskräfte nicht bereit oder nicht in der Lage sind, klar erkennbarer, anhaltender Inkompetenz im Management entgegenzutreten,
- wenn das oberste Management die Mitarbeiter nicht mindestens gleichberechtigt und als Menschen wertschätzt,
- wenn stets reines Profitdenken unternehmerische Entscheidungen bestimmt,
- wenn die Unternehmensführung soziale Managementkompetenz und personale Performance generell nicht fördert und mit Incentives versieht.
Wer sich dennoch mit Kulturgestaltungsprojekten beschäftigt, wird eher eine Unternehmens-Unkultur erzeugen.
Den Kulturwandel vollziehen.
Wer allerdings bewusst bereit ist,
ein humaneres Umfeld, ein verantwortetes Miteinander und ein
konsequent gelebtes Wertesystem zu schaffen und zu leben, hat
bereits den wichtigsten ersten Schritt zum Kulturwandel im
Unternehmen erfolgreich vollzogen.
Nicht Techniken oder Methoden, also rein funktionale
Kompetenzen, wie Rhetorik, Zeitmanagement et cetera, bestimmen
eine positive Unternehmenskultur, sondern vielmehr die
Authentizität der handelnden Menschen und die Qualität
beziehungsweise Effizienz der Interaktionen selbst. Die Themen
Kommunikation und persönliche Performance des Managements sind
notwendige Eckpfeiler einer Unternehmenskultur. Dabei sollte das
Unternehmen zwei wichtige Phasen durchlaufen:
Leitbilder erzeugen
In der ersten Phase sollte die Unternehmensführung für
Einsicht, ein klares Werteverständnis und verlässliche
Commitments sorgen, ein einheitliches Bewusstsein schaffen und
dies zielgerichtet kommunizieren sowie das eigene Verhalten
danach ausrichten. Eben dieses Verhalten wird von den
Mitarbeitern im Unternehmen zu Beginn sehr genau beobachtet:
Welche Halbwertszeit haben Entscheidungen ab sofort? Wie
glaubwürdig sind also die Aussagen der Führung?
Handlungskompetenz im Führungskreis
In der folgenden Phase gilt es, die personale Kompetenz und
soziale Performance des Führungskreises zu fördern. Darunter
werden die Überzeugungskraft, der Dialog, konstruktives
Miteinander, das dialektische Verständnis, Konfliktfähigkeit
sowie Team- und Kooperationsfähigkeit verstanden, um die
wichtigsten Themenbausteine zu nennen.
Mit diesen Grundlagen sind operationale Projekte erfolgreich umsetzbar, da die notwendige Arbeitsbasis für ein konstruktives Miteinander geschaffen ist.
Einüben und in den Alltag übernehmen.
Natürlich muss die neue Unternehmenskultur erst einmal "eingeübt" werden. Zielgerichtete Veränderungen empfehlen sich dort, wo für bestehende Systematiken beziehungsweise Interaktionsbausteine im Unternehmen Engpässe feststellbar sind. In kleinen, aber spürbaren Schritten kann so die Vertrauensbasis im Unternehmen weiter ausgebaut werden. Das Gemeingut Unternehmenskultur, insoweit das Wertesystem des Unternehmens wird auf diese Art ganz nebenbei von den Mitarbeitern übernommen. Nicht Leitlinien oder sonstige funktionale beziehungsweise ökonomische Normierungen, sondern vielmehr eine beständige, verantwortete und werteorientierte Führung verändert die Kultur im Unternehmen.
Albert Weber ist einer der beiden Gründer und Geschäftsführer des atunis Instituts.
Kontakt:
atunis GmbH
Institut für angewandte Netzlogik in Unternehmen
Alfred Doll und Albert Weber
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