Transfer geglückt
Serie Umschulung: Folge 5 - Neue Chancen durch Transfergesellschaften.
Nicht immer landen Mitarbeiter, denen betriebsbedingt gekündigt wird, auf der Straße. Manchmal bekommen sie die Gelegenheit, sich in einer Transfergesellschaft für den Arbeitsmarkt fit machen und qualifizieren zu lassen.
Es war sozusagen Glück im Unglück.
Wie viele seiner Kollegen wurde Uwe Püster, Sachbearbeiter und
EDV-Beauftragter, im April 2002 von der Elektrotechnik-Firma, bei
der er bisher gearbeitet hatte, entlassen. Betriebsbedingt. Von
200 Mitarbeitern des Werks mussten 60 gehen. Ein Schock. Doch
dann kam die Offerte: Er und die Kollegen würden nicht einfach so
auf die Straße gesetzt. Das Unternehmen bot ihnen an, zu einer
Transfergesellschaft zu wechseln. Transfergesellschaft? Den
Begriff hatte Püster noch nie gehört. Aber was er erfuhr, gefiel
ihm, und der Betriebsrat engagierte sich dafür. Und so nahm er
mit einem großen Teil seiner Kollegen, die nicht sofort eine
andere Stelle gefunden hatten, diese Möglichkeit in Anspruch -
schließlich kostete es ihn nichts.
Transfergesellschaften sind Unternehmen, die Gruppen von
gekündigten Mitarbeitern übernehmen, psychologisch betreuen, sie
in Bewerbungsfragen beraten, qualifizieren und weiterbilden. Das
Ziel: Die Mitarbeiter sollen individuell begleitet und für den
Arbeitsmarkt fit gemacht werden, damit sie möglichst schnell
wieder einen Job finden. "Dass Firmen solche Programme anbieten,
hat viel mit ihrem öffentlichen Image zu tun. Aber auch mit
Verantwortungsbewusstsein - die Unternehmen wollen ihre Leute
nicht mit dem 'Golden Handshake' entlassen, sondern etwas für sie
tun", meint Claudia Bitter, Beraterin bei der
Transfergesellschaft TARGOS. "Natürlich beobachtet auch die
verbliebene Belegschaft sehr genau, wie mit den gekündigten
Mitarbeitern umgegangen wird."
Manche bleiben nur ein paar Monate, andere ein Jahr oder
länger in der Transfergesellschaft. In der Zeit, in der sie
betreut werden, sind sie dort fest angestellt. Hauptfinancier ist
das Arbeitsamt, Fehlbeträge stockt der Arbeitgeber auf.
Gelegentlich fließen auch Mittel aus Abfindungen ein.
Bewerbungstraining und Karriereberatung.
So kam Püster zu TARGOS, einer
Transfer- und Qualifizierungsgesellschaft, die Mitarbeiter
verschiedener Firmen aus der Region Bonn betreut. "Die kleinsten
Gruppen, die zu uns kommen, bestehen aus circa zehn Leuten, aber
es gibt auch Gruppen aus 50 Personen", berichtet Bitter. In den
ersten vier Wochen durchlaufen die Neuen eine Informations- und
Orientierungsphase. "Das war sehr aufschlussreich - ich habe
einiges über mich gelernt; Kollegen ging es ähnlich", erzählt
Püster. "Außerdem wurden wir in Bewerbungstechniken geschult."
Viele Kollegen hatten sich seit vielen Jahren nicht mehr
schriftlich beworben. Danach standen Übungsvorstellungsgespräche
mit Video-Feedback auf dem Programm. Und nicht zuletzt
Motivationsblocks, damit die Teilnehmer das alte
Arbeitsverhältnis hinter sich lassen und lernen, wieder mit
frischem Mut in die Zukunft zu blicken.
Anschließend entscheidet sich jeder in Einzelgesprächen mit
den Beratern, in welche Richtung er sich beruflich bewegen will.
Mit jeder Person wird erarbeitet, was genau sie braucht. Das kann
ein Staplerschein sein oder ein IT-Kurs. "Oft geht es lediglich
darum, eine Lücke zu schließen, damit der Betreffende wieder
vermittelbar wird", sagt Bitter. "Andere wechseln grundlegend die
Richtung." So zerstreuen sich die Gruppen aus den einzelnen
Unternehmen - fortan geht jeder seinen eigenen Weg. Betreut wird
jeder Einzelne aber weiterhin. Während ein Vermittler beim
Arbeitsamt sich um Hunderte von Menschen kümmern muss, beträgt
das Verhältnis bei Transfergesellschaften wie TARGOS 1:30.
Aus 14 Einzelpersonen wird ein Team.
Püster entschied sich für eine
dreimonatige Schulung zum Netzwerkadministrator Linux, die
Siemens Business Services als externer Bildungsträger speziell
für ihn und die anderen TARGOS-Kursteilnehmer konzipiert hatte.
"Ich hatte bis 1992 im IT-Bereich gearbeitet und konnte an diese
Erfahrungen anknüpfen", berichtet er. "Aber natürlich musste ich
mein Wissen aktualisieren. Linux bot sich an, weil es im Kommen
ist und ich von Windows nicht viel halte." Linux, entstanden als
ehrenamtliche Projektarbeit einer weltweiten Entwicklergemeinde,
hat als Betriebssystem einen guten Ruf und wird, weil es
preiswert und sicher ist, immer häufiger eingesetzt. Deshalb sind
Experten, die sich damit auskennen, auch jetzt noch auf dem
Arbeitsmarkt gefragt.
Mehrere Mitarbeiter von TARGOS entschieden sich wie Püster
für die Linux-Schulung. Insgesamt 14 Personen wurden ausgewählt.
Dr. Kay Wohlfeil von Siemens Business Services, Training and
Services, erstellte das Schulungskonzept. Dass jeder Teilnehmer
einen anderen Kenntnisstand mitbrachte, machte die Sache
natürlich nicht einfacher. "Aber alle hatten technisches
Verständnis, deshalb hat der Kurs gut funktioniert", konstatiert
Wohlfeil. Fast alle Teilnehmer hatten zuvor in
Facharbeiter-Berufen wie Fernseh- und Radiotechniker,
Elektroanlagenmonteur, Energieanlagenelektroniker und
Industriemechaniker gearbeitet.
Der Kurs begann mit einem Teamtraining. "Das war geschickt,
weil die Leute aus vielen verschiedenen Unternehmen kamen - wir
waren ein ziemlich zusammengewürfelter Haufen. Durch das Training
wurde ein richtiges Team aus uns", erinnert sich Püster.
Von Firewall bis Vernetzung.
Dann wurde erst einmal gebüffelt.
Theorie frontal, bis die Teilnehmer die wichtigsten IT-Grundlagen
intus hatten und alle auf dem gleichen Stand waren. Danach bekam
jeder einen Computer - die technische Infrastruktur wurde ebenso
wie die Referenten und Betreuer von Siemens Business Services
gestellt - und setzte den Input des Trainers in kleine Aufgaben
um. Zum Schluss ging es an die anspruchsvollere Projektarbeit.
Datensicherung, Firewalls und Virenabwehr, Verschlüsselung,
Vernetzung, das Überprüfen von Netzwerkadressen, das Verknüpfen
von Rechnern ... Zug um Zug wurden die Themen und Aufgaben zum
Alltag und mehrten sich die Kenntnisse.
Püster hatte damit kein Problem. Er hatte sich
autodidaktisch mit Software befasst und war hoch motiviert. Doch
für die anderen war der Kurs eine große Herausforderung, unter
anderem, weil es an den Englischkenntnissen haperte. Als
Ansprechpartner vor Ort räumte Wohlfeil den Teilnehmern so
manchen Stein aus dem Weg. Auch gegenseitige Hilfe spielte eine
wichtige Rolle. "Da wir nicht nur Fachwissen, sondern auch
Methodenwissen und Sozialkompetenz vermitteln wollen, arbeiten an
den Fallstudien und dem Modellprojekt immer mehrere Teilnehmer
zusammen - schließlich wird auch in der Praxis in Teams
gearbeitet", sagt Wohlfeil. In anderen, weniger technischen
Kursen wird zusätzlich Kundenorientierung in Form von
Rollenspielen trainiert, stehen Präsentationstechniken und
Stressbewältigung auf dem Programm.
Jetzt ist Püster auf der Jobsuche - ausgerechnet in einer
gesamtwirtschaftlich schwierigen Zeit. Aber er verliert den Mut
nicht, denn seine Chancen haben sich auf jeden Fall deutlich
verbessert. Linux, eine der sympathischsten Erfolgsgeschichten
der Technikgeschichte, wird immer beliebter. Und die
Vermittlungsquote der TARGOS-"Kunden" liegt, so Bitter, je nach
Projekt immerhin bei 60 bis 80 Prozent.
Zur Übersicht aller bisher erschienenen Beiträge der "Serie Umschulung".
Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.
Kontakt:
Dr. Kay Wohlfeil
kay.wohlfeil@siemens.com
www.siemens.com/training
www.siemens.de/qp
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